Der Provisor

[460] Mein liebes deutsches Vaterland

Hat bei so mancher Zierde,

Doch keinen ehrenvollern Stand,

Als die Provisorswürde.

Drum freu' ich mich

Oft königlich,

Wenn mich die Leute müssen

Als Herrn Provisor grüßen.


Zwar gibt's oft manchen sauren Tag,

Der Lehrstand hat viel Plagen;

Gibt man dem Buben einen Schlag,

Gleich geht's an ein Verklagen.

Das A, be, ab,

Das E, be, eb,

Das träge Buchstabiren,

Kann weidlich uns vexiren.


Doch welch ein Seelengaudium!

Wenn ich die Orgel spiele.

Und weidlich im Präludium

Mit Händ' und Füßen wühle.[460]

Mein Dudeldum

Kann weit herum,

Doch ohne Ruhm zu melden,

Kein Virtuos mir schelten.


Ha! welche Freude wird's erst sein,

Wenn ich Schulmeister werde,

Und mich im schwarzen Rocke fein

Wie ein Prälat geberde.

Ein Weib dazu

Zur Pfleg' und Ruh',

Macht mir das Leben süßer.

Es leben die Proviser!

Quelle:
Christian Friedrich Daniel Schubart: Gedichte. Leipzig [o.J.], S. 460-461.
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