10.

[134] An Cäcilie.


Nil parvum aut humili modo,

Nil mortale loquar.

Horat.


Was still mir längst die tiefste Brust erfüllt,

Mit lichtem Glanz mein sel'ges Herz umwoben,

Was meinen Geist zum schönern Seyn erhoben,

Im Sterblichen die Gottheit mir enthüllt

Und jeden Wunsch und wilder Triebe Toben

Mit zartem Hauch im Innern mir gestillt,

Das soll mein Geist voll heil'ger Kraft entfalten,

Die Träume, die im milden Dämmerlicht

Aetherisch sonst um meine Seele wallten,

Sie sollen hell zu Bildern sich gestalten

Und fröhlich blühn im seligen Gedicht.

Wohl kann die Brust den Schmerz verschlossen halten:

Doch stummes Glück erträgt die Seele nicht.


Du, die mit ew'gem Zauber mich umfangen,

Du, deren Hauch in meinem Herzen weht,

O zürn' ihm nicht dem friedlichen Verlangen,

Das schüchtern dir, was du ihm gabst, gesteht.

Kusch ist mein Lied! Mit ihrem reinen Schleier

Unwebte mich die Gunst der Huldgöttin;

Den Herzen gab der Himmel zarten Sinn,

Die Liebe gab der Brust ein göttlich Feuer,[135]

Und sterbend sank die ird'sche Gluth dahin.

Ich liebe dich! O senk' ihn nicht so trübe

Den holden Blick! Nie wird den Heil'genschein,

Der dich umwallt, ein nied'rer Wahn entweihn;

Ich liebe dich mit ew'ger, zarter Liebe,

Mit süßem Schmerz, doch ohne Wunsch und Pein.


Siehst du den Thau, der aus den frühen Lüften

Wie Geisterkuß jungfräulich niederbebt,

Wovon beperlt die Blumen süßer düften

Und froher sich der zarte Halm erhebt?

Siehst du das Roth, das durch die Haine gaukelt

Und luftig sich um Thal und Hügel schmiegt,

Wenn, leis' und lau von Westen hergeschaukelt,

Die Dämmrung sich auf Purpurwolken wiegt?

Siehst du den Glanz, worin die Flur sich kleidet,

Wenn hell der Mond, der Sterne zarter Hirt,

Auf stiller Au die goldne Heerde weidet

Und Nacht und Licht sich wunderbar verwirrt?

So muß die Lieb' im reinen Busen walten,

Ein Abglanz nur von jener Herrlichkeit,

Die wandellos den irdischen Gestalten

Der Zauberstrahl des ew'gen Schönen leiht.

Kein Wölkchen darf den lichten Himmel trüben,

Worin das Herz zum Geiste sich verklärt;

Still wünscht das Herz, die Sinnlichkeit begehrt,

Allein der Geist, was kann er mehr als lieben?


Stolz ruft der Thor im eitlen Selbstvertraun:

Dies Herz ist mein! mir hab' ich es gewonnen!

Kein Andrer darf in diesem Blick sich sonnen,

Und diesen Reiz, kein Andrer darf ihn schaun!

Kannst du den Glanz, der jede Sonn' umkränzet,[136]

Kannst du den Duft der weiten Blumenflur,

Den Farbenschmelz, der Wies' und Hain umglänzet,

Den ew'gen Reiz der wechselnden Natur,

Sprich, kannst du dies in einen Punkt verbinden,

Zum einz'gen Herrn der Schöpfung dich erhöhn

Und ohne Scheu mit stolzem Sinn verkünden,

Das Schöne sey für dich allein nur schön?

Wenn, aus dem Schooß des Meers hervorgetragen,

Der Sonnengott den Strahlenflug erneut

Und wie ein Held von seinem Flammenwagen,

Die finstre Brut des Dunkels zu verjagen,

Mit stiller Kraft der Pfeile Gluth verstreut,

Dann wird die Lust in jedem Busen wallen,

Froh blickt der Mensch zum Glanz der lichten Hallen,

Und ruft entzückt im heiligen Vertraun:

Es ist ein Gott, der glüht und leuchtet Allen,

Ein Schönes ist, und Jeder darf es schaun!

Kein Veilchen wird die Lilie beneiden,

Die neben ihm aus einer Quelle trinkt,

Und wir, um die das Bruderband sich schlingt,

Wir sollten das, was Aller Glück ist, scheiden?


Die Liebe sey dem Wahn der Erde feind,

Frei von Begier, von des Genusses Schmerzen,

Ein süßer Traum, worin dem zarten Herzen

Sein eignes Bild in fremder Form erscheint.

Denn was der Geist in seinen schönsten Stunden,

Wenn vor dem Blick der trübe Flor ihm schwand,

Geglaubt, gehofft, geahnet und empfunden,

Das hat sich still zu einem Kranz gewunden

Und sich umhüllt mit sichtlichem Gewand;

Und wie der Duft, der um die Blume waltet,

Und wie der Glanz, der um den Quell sich hüllt,[137]

So strahlt verklärt, nur aus sich selbst entfaltet,

Ein göttlich Licht um's irdische Gebild.

Nicht jener Blick, der hold und freundlich glänzet,

Nicht die Gestalt, die reizend dich umfließt,

Nein, jener Strahl, der liebend dich begrüßt,

Die Glorie, womit mein Traum dich kränzet,

Sie sind's, worin der Sehnsucht Blüthe sprießt.

Ich sehe dich, und Scheu und Milde schweben

Wie Genien aus deinem Blick zu mir;

Du hast mir Stolz und Zartgefühl gegeben,

Bescheidenheit und edle Ruhmbegier,

Und jeder Schmuck in meinem innern Leben

Ist nur ein Bild, ein Aushauch nur von dir.

O, du hast ganz mein Wesen eingenommen,

Und eng vermählt dein Seyn sich meinem Seyn,

Die Welt ist rings in Nebel mir verschwommen,

Und nur dein Bild erblick' ich klar und rein.

Du bist mein Glück, mein einziger Gedanke,

Der ew'ge Traum, der nächtlich mich umschwebt,

Bist mein Gesetz, mein Will' und meine Schranke,

Das Ideal, zu dem mein Sehnen strebt.

Den heitern Blick gewandt zum schönen Ziele

Senk' ich mich froh in' s stille Meer der Lust;

Nicht stürmisch schlägt die Wog' an meine Brust;

Mein Herz ist stets, selbst bei der Träume Spiele,

Im höchsten Schwung entkörperter Gefühle,

Wie seines Glücks sich seiner Kraft bewußt.


O zarte Ruh, die heiter mich umwallet,

Du ew'ger Kranz, den das Gefühl mir flicht,

Du Harmonie, die mir im Innern hallet,

Du, das im Geist mir waltet, holdes Licht,

Ihr seyd der Keim, woraus das höh're Leben,[138]

Wie Blüthenglanz aus seiner Knospe, bricht;

Wer Lieb' entbehrt, dem ward nur Schlaf gegeben;

Wer Liebe sucht, der kennt die Liebe nicht.

Sie ist die Kraft, das selige Verlangen,

Womit wir stets dem Besseren uns nahn;

Sie tilgt ihn fort, den ruhelosen Wahn,

Womit der Kampf um Nied'res uns umfangen,

Läßt unsern Blick nur an dem Reinen hangen

Und unsern Geist nur Ewiges umfahn.

Sie läßt dein Herz, dein Auge sich verklären,

Wenn strahlend dich vom Glanze lichter Sphären

Die heil'ge Kunst in ihren Himmel hebt;

Sie schafft in dir des Mitleids süße Thränen;

Sie ist's, die dich im Zartgefühl umschwebt,

Die dich umwallt im Glauben und im Sehnen

Und mit dem Strahl der Hoffnung dich belebt.

So wie das Licht, aus einem Punkt geflossen,

Zu uns herab in tausend Strahlen quillt,

So hat die Kraft, die unser Inn'res füllt,

Durch jeden Trieb sich segnend ausgenossen,

Und jeder Theil er ist des Ganzen Bild.

Doch Alles strömt in ein Gefühl zusammen,

Das schöpferisch durch alle Welten glüht,

Wovon durchwallt die fernsten Sonnen flammen,

Wovon genährt der zarte Halm entblüht.

Nur eine Lieb' ist in den weiten Räumen,

Nur eine Lieb' in aller Menschen Brust:

Doch unser Herz muß Einzelnes sich träumen;

Nicht faßt des Staubes Sinn die ew'ge Lust.

Sein Sehnen muß an ein Gebild sich schmiegen,

Dem die Natur ein höh'res Seyn gewährt,

Muß, bis der Tag im Glanze sich verklärt,

Am Schimmer sich des schönen Sterns vergnügen,[139]

Der still in ihm der Ahnung Flamme nährt.

So lieb' ich dich! so zieht ein heil'ges Sehnen

Zu dir mich hin! so bist du ewig mein!

Dein reines Bild soll an den Glanz des Schönen,

Ans hell're Licht der Zukunft mich gewöhnen

Und mein Gestirn auf dunklem Pfade seyn.


Jüngst war mein Geist von trüber Nacht umzogen,

Kalt war das Herz und frei der flücht'ge Sinn,

Begeistrung schien aus meiner Brust entflogen,

Mein Leben wand, stets hoffend, stets betrogen,

Einförmig sich durch ew'gen Wechsel hin.

Ich schien beglückt, doch in der dunklen Ferne

Dort, ahnet' ich, dort wohn' ein schön'res Glück;

Und gläubig sah mit sehnsuchtsvollem Blick

Mein Geist empor zum Glanz der ew'gen Sterne,

Und sank bewölkt zur Erde dann zurück.

Ach, mich umflocht mit buntem Netz das Leben,

Und traurig wand, wie an der Blüthe Saum

Im langen Kampf des Thaues Perlen schweben

Und zögernd nur zur Erde niederbeben,

Mein Herz sich los von seinem schönen Traum.

Doch als ich dich in deinem Reiz erblickte,

Da schwand der Frost, der eisig mein Gefühl

Im starren Hauch der kalten Welt erstickte;

Mein leichtes Herz, der flücht'gen Laune Spiel,

Das sonst der Glanz des Neuen nur entzückte,

Es fand bei dir ein friedliches Asyl.

Und sieh, die Kraft, die lang in mir geschwiegen,

Die zart sich nur an zarte Seelen schmiegen,

Nur in der Brust der Reinen wohnen mag,

Begeistrung stieg noch einmal zu mir nieder,

Und mild umfing mit strahlendem Gefieder[140]

Den trüben Sinn ein jugendlicher Tag.

Der Dämm'rung Flor, die flücht'gen Luftgebilde,

Die sonst mein Herz mit buntem Spiel ergötzt,

Sie lösten sich in ew'ge, klare Milde,

Und was ich sonst verkannt, das ehrt' ich jetzt.

Im Rausch der Welt, im stürmischen Getümmel

Weilt Poesie, die zarte Göttin, nicht;

Gern wiegt sie sich am stillen, blauen Himmel,

Und taucht sich gern in fleckenloses Licht.

Die linde Ruh, die mit geweihtem Flügel

Leis' athmend nur um unsre Brust sich webt,

Wenn ungetrübt, wie tief im Zauberspiegel

Des stillen Sees das Bild der Sonne schwebt,

Ein heil'ges Bild in unsrer Seele lebt,

Die Liebe nur, die nichts als Liebe fodert,

Das weiche Herz, das sich mit Träumen nährt,

Der Zartsinn, der, vom eignen Glanz verklärt,

In Sehnsucht strahlt, doch nicht in Sehnsucht lodert,

Sie sind allein der schönen Gabe werth.

Du hast die Gluth in meiner Brust entzündet:

Wenn zart und schön und groß mein Geist empfindet,

So dank' ich dir, du hast es mich gelehrt.

Die Bilder, die in ihren Zauberspielen

Die Muse mir mit süßem Lächeln leiht,

Sind Blumen nur, die deinem Kranz entfielen,

Und dein war stets, was jetzt mein Herz dir beut.


Oft bau' ich mir in sel'gen Phantasieen

Ein Laubendach, fern von der Welt Gewühl,

Um dessen Wand sich ewig frisch und kühl

Mit hellem Grün verschwiegne Ranken ziehen,

Wo nimmer welk im Thau die Rosen blühen

Und ewig lebt der Weste laues Spiel.[141]

Dort träum' ich dann vereint mit dir zu weilen,

Durch deinen Geist den meinen zu erhöhn,

Mit zartem Sinn im dämmernden Entstehn

Das leiseste Gefühl mit dir zu theilen

Und reiner mich in deinem Glanz zu sehn.

Still horch' ich dann den linden Geistertönen,

Die deine Hand aus goldnen Saiten winkt,

Berausche mich mit dir in süßen Thränen

Und folge gern, wenn mit geweihtem Sehnen

Dein Geist sich auf ins Land der Hoffnung schwingt.

Ach, jedes Bild, das dann in deinem Herzen

Sich leise wiegt, wohnt auch in meiner Brust;

Gern bad' ich mich im Quelle deiner Schmerzen,

Und pflücke gern die Blüthe deiner Lust.

O sprich, wer kann mir diese Träume rauben,

Die schuldlos mich mit sel'gem Flug umwehn?

Ein Glücklicher, darf er um Glück noch flehn?

Ein ew'ger Glanz umfließt den zarten Glauben,

Und durch den Traum wird erst die Wahrheit schön.

Wenn du herab von des Gebirges Rücken

Den bunten Reiz der Auen übersiehst

Und süß erstaunt mit ewig regen Blicken

Durch Hain und Flur und Thal und Wiese fliehst,

Ergötzen dann die wechselnden Gebilde,

Der Blüthen Schnee, der Haine sammtnes Grün,

Der klare Bach, die üppigen Gefilde,

Die Blumen dich, die rings im Thauglanz blühn?

O nein, es ist der Täuschung geist'ges Weben,

Das um dein Herz mit süßem Zauber fließt,

Das tiefen Sinn und räthselhaftes Leben

In jedes Bild der weiten Schöpfung gießt.

Gastfreundlich beut der Hain dir seine Kühle,

Und säuselt dir mit Liebesflüstern zu,[142]

Dich grüßt der Bach mit leisem Wellenspiele,

Und friedlich schützt der Schatten deine Ruh.

Hier möchtest du dir eine Hütte gründen,

Dort im Gebüsch dir eine Laube baun,

In jenem Thal dir bunte Kränze winden,

Von jenem Fels der Sonne Sinken schaun.

So windet stets der Reiz der Phantasieen

Belebend sich um's regungslose Seyn;

Den ernsten Geist kann Warheit wohl erfreun,

Allein das Herz muß zu den Träumen fliehen,

Um dem Geschick die Wahrheit zu verzeihn.


Mag hier auch oft die flücht'ge Laune walten,

Allmächtig herrscht der Schönheit Zauberbann,

Und unser Geist, von ihrer Kraft gehalten,

Zeigt in dem Reich entfliehender Gestalten

Uns seinen Quell und seine Hoffnung an.

Als dich zuerst mein ird'sches Aug' erblickte,

Nicht Staunen war's was da mein Herz empfand,

Du warst mir längst verbunden und bekannt,

Und jeder Traum, der früher mich entzückte,

Er lieh von dir sein gaukelndes Gewand.

Nie ließ mein Herz die süße Hoffnung schwinden,

Einst würd' ich auch auf meines Lebens Pfad

Den Genius des Traumes wiederfinden,

Der freundlich oft vor meine Seele trat.

Viel holde Bilder nahten mir und schwanden

Im raschen Tanz des ird'schen Gaukelspiels,

Umflochten mich mit leicht zerrißnen Banden,

Und wiegten sich, vom Hauch der Laun' entstanden,

Auf Funken nur des geistigen Gefühls.

Doch unentweiht umfloß das heil'ge Feuer

In meiner Brust ein namenloses Bild,[143]

Kein fremder Reiz zerriß den zarten Schleier,

Worein es still und dämmernd sich gehüllt.

Da sah ich dich, und sieh, der Flor entbebte,

Der höchste Wunsch, der mir im Herzen lebte,

Der schönste Traum der Sehnsucht war erfüllt.

So bebt entflammt sich aus den Rosenhallen

Des Morgenroths die Sonne hehr und schön.

Nicht stürmisch wird, wenn an den fernen Höhn

Der Strahl erscheint, das Herz vor Freude wallen;

Was es erblickt, das hatt' es längst gesehn.

Doch liebend senkt in unser inn'res Leben

Und fesselnd sich des Schönen ew'ge Kraft;

Das Göttliche wird stets den Geist erheben,

Doch ohne Furcht und ohne Leidenschaft.


Befiehlt mir auch mein Schicksal dich zu meiden,

Kein wilder Schmerz soll meine Brust entweihn;

Mit Thränen zwar, doch friedlich werd' ich scheiden.

Was du mir gabst, das bleibt auf ewig mein.

In jedem Reiz, der sich vor mir entfaltet,

Werd' ich verhüllt dein süßes Bildniß sehn,

Und wenn mein Herz im Hauch der Welt erkaltet,

Dann soll dein Hauch, der meinen Geist umwaltet,

Die schwache Gluth zur hellern Flamm' erhöhn.

Der Blüthe Duft, der Welle leises Wallen,

Der zarte Thau, der in den Blumen glänzt,

Des Haines Ruh, das Lied der Nachtigallen,

Das Abendroth, das still die blauen Hallen

Des Horizonts mit Gold und Purpur kränzt,

Was Heiterkeit und Lust in meinem Innern,

Was Wehmuth weckt und leise Träumerein,

Wird zauberisch mein Herz an dich erinnern,

Und duldend zwar werd' ich doch glücklich seyn.[144]

Mit festerm Muth werd' ich das Gute wählen,

Mit reinerm Sinn mich allem Schönen nahn;

Dir wird mein Herz im Guten sich vermählen

Und liebevoll im Schönen dich umfahn.

Im Strahl der Lust und in des Mitleids Zähren,

Im Selbstgefühl nach einer edlen That,

In Allem, was aus jenen lichten Sphären

Herniedersank, um die verhüllte Saat

Des Ewigen in unsrer Brust zu nähren,

Wird meinem Geist dein Bildniß sich verklären,

Geheimnißvoll, wie uns auf ird'schem Pfad,

Das geist'ge Seyn des Himmels uns zu lehren,

Ein luft'ger Traum mit leisen Schwingen naht.

Und wenn dann einst nach bang durchträumten Tagen

Das Morgenroth der neuen Sonne winkt

Und sehnender der Geist die Flügel schwingt,

Dann wird mein Herz nach keinem Engel fragen,

Der es hinauf zum schönern Daseyn bringt.


Ha, welch ein Glanz ist rings um mich verbreitet!

Zum Schatten wird des ird'schen Tages Licht.

Durch helles Blau, durch Morgenröthen leitet

Die Bahn empor, der trunkne Geist entgleitet,

Was er verläßt, das war das Seine nicht.

Hold schlingt um mich der ew'ge Lenz die Arme,

Hebt mich empor zu seinen goldnen Höhn,

Damit der Geist an seinem Strahl erwarme,

Des Herzens Gluth sich kühl' in seinem Wehn.

Hell quillet dort der stille Born der Liebe,

Und daß kein Sturm den glatten Spiegel trübe,

Umschattet ihn mit duft'gem Grün die Ruh;

In ihm erfrischt die Sehnsucht ihr Gefieder,

Und schüchtern beugt die Schönheit sich hernieder,[145]

Und lächelt hold dem eignen Bilde zu.

O möcht' ich auf zu jenem Himmel fliehen,

Der Alles, was in süßen Phantasieen

Die Seele sah, als Wahrheit mir verspricht!

Hier wird der Traum der Sehnsucht nur verziehen,

Doch Lieb' ist dort der Tugend schönste Pflicht.

Quelle:
Ernst Schulze: Sämmtliche poetische Schriften, Band 4, Leipzig 1819–1820, S. 134-146.
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