Am 18ten März 1815

[93] O Lerche, was singst du aus blauer Luft

So lieblich herab durch den Morgenduft?


Ich singe, weil freundlich die Sonne sich hebt,

Weil Blüth' und Lüftchen und Bächlein lebt,

Weil blitzend der Thau an den Blumen hängt

Und Knospe zu Knospe sich liebend drängt,

Weil hold sich im Kelche der Schmetterling wiegt

Und sumsend am Bache das Bienchen fliegt,

Und weil ich mich freue in Liebeslust,

Drum sing' ich so lieblich aus froher Brust.


Was flötest du, zärtliche Nachtigall,

Durch Dämmrungswehen so süßen Schall?


Weil scheidend die freundliche Sonne sinkt,

Und das Leben in leiser Klage verklingt,

Weil bleich am Himmel das Roth zerfließt,

Und der Duft verweht und die Blume sich schließt,

Weil traurig säuselt der Frühlingswind,

Und das Bächlein seufzend vorüberrinnt,

Und weil ich mich härme in Liebesleid,

Drum sing' ich so süß in der Einsamkeit.

Quelle:
Ernst Schulze: Sämmtliche poetische Schriften, Band 3, Leipzig 1819–1820, S. 93-94.
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