Am 24sten Januar 1817

[196] Komm, holdseliger Schlaf, daß sanft in der mondlichen Dämmrung

Mit dem ermüdeten Blick schlummre das müdere Herz!

Du nur täuschest allein die verwirrenden Sorgen der Liebe,

Und aus dem wachenden Traum weckst du zum Leben mich auf.

Denn längst schweben um mich im verwandelten Tanze die Zeiten,

Wo sich der Tag sonst hob, senkt sich die wolkige Nacht.

Zweifel und Wahn und bethörende Furcht und bethörende Hoffnung

Sendet der früheste Strahl in die verdunkelte Brust.

Irrend treib' ich umher in dem eitelen Spiel der Gedanken,

Und wie ein Schattengebild hasch' ich nach Schatten allein.

Aber im friedlichen Schlaf tagt hell mir die selige Wahrheit;

Was ich vom Leben gewünscht, giebt mir der liebliche Traum,

Und mich selber erkenn' ich und dich und die gnädigen Götter;

Darum nenn' ich den Traum Wachen, das Wachen nur Traum.

Quelle:
Ernst Schulze: Sämmtliche poetische Schriften, Band 3, Leipzig 1819–1820, S. 196-197.
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