Am 30sten Junius 1813

[8] Du, Rose, die die Theure mir gegeben,

Du, die so hold an ihrer Brust geblüht,

Warum verwelkt so bald das warme Leben,

Das jugendlich in deinem Kelch geglüht?


Ach, als dein Glanz noch ihren Busen schmückte,

Aus ihrem Blick der milde Sonnenschein,

Aus ihrer Brust der Athem dich erquickte,

Da prangtest du im fröhlichen Gedeihn.


Doch sah ich bald der Wange Roth erblassen,

Und schmerzlich ward dein frischer Reiz getrübt,

Als du den Kreis der Freundlichen verlassen,

Die du so still, so sehnsuchtsvoll geliebt.


So schied auch jeder Schmuck aus meinem Leben,

Todt ist die Lust, der Hoffnung milder Glanz:

Mir kann der Lenz nur welke Blumen geben;

Dem Grabe ziemt kein frisch entblühter Kranz.
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Doch drängt noch stets aus deiner bleichen Hülle,

Wenn auch der Reiz des Lebens sich verlor,

Ein leiser Traum der hingewelkten Fülle,

Der linde Duft lebendig sich hervor.


So labt auch mich, dem jedes Glück entschwunden,

Wie Dämmrungshauch der Wehmuth zarter Duft,

Und freundlich steigt das Bild der hellern Stunden

Im Abendglanz aus seiner frühen Gruft.


Ach, alles, alles Schöne flieht von hinnen,

Der ferne Stern der Hoffnung sinkt hinab,

Der reinste Traum der Sehnsucht muß zerrinnen,

Kurz blüht das Glück, und ewig ist das Grab.


Doch nimmer welkt die heil'ge Lust am Schönen;

Hoch strebt die Lieb' empor im düstern Gram;

Nur Liebe kann ihr eignes Leid versöhnen

Und selbst ersetzen, was die Welt ihr nahm.

Quelle:
Ernst Schulze: Sämmtliche poetische Schriften, Band 3, Leipzig 1819–1820, S. 8-10.
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