Am 31sten März 1815

[97] Still sitz' ich an des Hügels Hang,

Der Himmel ist so klar,

Das Lüftchen spielt im grünen Thal,

Wo ich beym ersten Frühlingsstrahl

Einst, ach, so glücklich war;


Wo ich an ihrer Seite ging

So traulich und so nah,

Und tief im dunkeln Felsenquell

Den schönen Himmel blau und hell,

Und sie im Himmel sah.


Sieh, wie der bunte Frühling schon

Aus Knosp' und Blüthe blickt!

Nicht alle Blüthen sind mir gleich,

Am liebsten pflückt' ich von dem Zweig,

Von welchem sie gepflückt.
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Denn Alles ist wie damals noch,

Die Blumen, das Gefild;

Die Sonne scheint nicht minder hell,

Nicht minder freundlich schwimmt im Quell

Das blaue Himmelsbild.


Es wandeln nur sich Will' und Wahn,

Es wechseln Lust und Streit;

Vorüber flieht der Liebe Glück,

Und nur die Liebe bleibt zurück,

Die Lieb' und ach, das Leid!


O wär' ich doch das Vöglein nur

Dort an dem Wiesenhang,

Dann blieb' ich auf den Zweigen hier

Und säng' ein süßes Lied von ihr

Den ganzen Sommer lang.

Quelle:
Ernst Schulze: Sämmtliche poetische Schriften, Band 3, Leipzig 1819–1820, S. 97-99.
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