10. Heimkunft

[44] Jetzo steh ich vor dem Thale,

Das der Dunst nicht mehr verhüllt,

Das sich, eine blanke Schale,

Bis zum Rand mit Sonne füllt.


Bin aus ihm gleich einem Diebe

Durch der Nebel Nacht entflohn;

Komme jetzt voll Heimatliebe

Her, wie der verlorne Sohn.


Und dort winkt's aus hellen Fenstern,

Arme, Köpfe kreuzen sich.

Keine Schaar von Nachtgespenstern!

Traute Blicke grüßen mich.


Mutter, Kinder! was sind Blüten

Gegen euch, was Berg und Wald?

Schätze giebt es hier zu hüten;

Wieder wandr' ich nicht so bald.


Jüngster Knabe, komm und funkle

Mich mit schwarzen Augen an:

Wie das Erdenleben dunkle,

So ein Stral macht sich noch Bahn.


Alle künftigen Geschicke

Des bewegten Vaterlands

Les' ich hier in diesem Blicke,

Dieser Kinderaugen Glanz.


Wachse rüstig, lieber Knabe!

Vieles wartet wohl auf dich.

Doch als Greis am Wanderstabe

Siehst du Schöneres, denn ich!

Quelle:
Gustav Schwab: Gedichte. Leipzig [um 1880], S. 44.
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