Zwölfter Auftritt.

[89] Die Vorigen. Anna.


GEORG.

Verwünscht, ich zürne dem Schicksal.

Wer wagt es wohl, zu bieten mehr?

ANNA leise.

Du?

GEORG aufstehend und sich unauffällig zu ihr wendend; leise.

Was seh' ich! Welche Himmelslust!

Ja, sie ist's, wohnt ihr Bild nicht in dieser Brust?

[89]

Ist's kein Traum?

ANNA leise.

Wer sendet mich zu dir?

GEORG leise.

Ich sollte hier?

ANNA ebenso.

Auf, gehorch'!

MAC-IRTON ausrufend.

So bietet niemand mehr? –

So bietet niemand mehr! –

GEORG kraftvoll.

Haltet ein! –


Er tritt zum Tische vor.


Tausend Thaler noch biet' ich mehr.

ALLE außer Georg.

Gott! – –


Allgemeine Überraschung.

Die Pächter und ihr Anhang zeigen sich bei Georgs Gebot hocherfreut.

Gaveston und Mac-Irton fassen Georg scharf ins Auge.


GAVESTON.

Mir ahnt, hier liegt ein Geheimnis verborgen,

Wer mag wohl jener sein, der als Käufer sich zeigt?

Was will er hier im Ort? Es macht mir Sorgen.

Ha, meinem Zorn vermag ich kaum zu gebieten,

Doch Vorsicht erheischet, daß mit Klugheit ich ihm berge meine Wut!

Mac-Irton steht auf und tritt vor den Tisch.

Die Gerichtspersonen erheben sich.

Alle treten etwas vor.


MARGARETHE UND JENNY für sich.

Wer kann mir wohl erklären, was hier verborgen liegt?

Der das Gut heut' will kaufen, man kennt ihn hier nicht.

Wer kann mir erklären, was verborgen hier liegt?

Blicke du, guter Gott, gnädig hernieder,

Schenke du dem Fremdling Glück, schenk' ihm Glück!

DIKSON.

Wer kann mir wohl erklären, was verborgen hier liegt?

Der das Gut heut' will kaufen, man kennt ihn hier nicht.

Wer kann mir erklären, was verborgen hier liegt!

Blicke du, guter Gott, gnädig hernieder![90]

Ha, welch' ein froher Augenblick, welch' Glück!

Ach, welch' froher Augenblick!

GAVESTON für sich.

Wer kann mir wohl erklären, ach, wer giebt mir hier wohl Licht?

Nein, nein, auf Ehre, den fremden Käufer begreife ich nicht.

O Gott, wer sagt mir, was noch hier liegt verborgen?

Wahrlich, nein! wahrlich, nein! ich begreife es nicht!

Hier im Schloß ließ als Herr er sich wohl nieder.

Ha, meinem Zorn vermag ich kaum zu gebieten,

Doch Vorsicht erheischet, daß mit Klugheit ich ihm berge meine Wut!

MAC-IRTON für sich.

Wer kann mir wohl erklären, ach, wer giebt mir hier wohl Licht!

Wer kann dies uns erklären, was uns verborgen hier liegt?

Hier im Schloß ließ als Herr er sich wohl nieder.


Auf Gaveston.


Ha, seinem Zorn vermag er kaum zu gebieten,

Doch Vorsicht erheischet hier, seine Wut klug zu bergen,

Bergen seine Wut, ja seine Wut!

GEORG für sich.

O güt'ger Gott, sei du hier meiner Liebe Beschützer!

Ach, meinen Wunsch gewähre, laß mich einst werden ihres Herzens Besitzer!

O Himmelsglück! sie ist hier, sie seh' ich hier wieder,

Nichts fehlet mehr zu meinem Glück, zu meinem Glück.

Ach, sie seh' ich, sie seh' ich wieder,

Nichts fehlet mehr zu meinem Glück!

ANNA für sich.

O güt'ger Gott, sei du hier des Rechts Beschützer,

O rette heut' Gut und Ehre dieses Schlosses rechtmäßigem Besitzer.


Zu Georg.


Gehorche mir! Stets zu schweigen gelobtest du;[91]

Mir gefällt nur der allein, der mir erscheint brav und bieder,

Sein harret schöner Lohn und Glück.

Mir gefällt allein, der sich zeigt stets brav und bieder,

Ja, sein harrt, ja, seiner harrt das Glück!

CHOR unter sich.

Wer giebt hier nur Licht? Wer kann dies uns erklären?

Wer kann's erklären, was uns verborgen hier liegt?

Würde er unser Herr, für das Land welch' ein Glück!

Welch' ein Glück! Welch' froher Augenblick!

Mac-Irton nimmt seinen Sitz wieder ein.

Die Gerichtspersonen ebenso.

Die Pächter und Bauern tragen von rechts und von hinten die Bänke herbei und stellen sich darauf.

Lebhaftes Gruppenbild.

Georg am Lehnstuhl links.

Anna von den Andern unbemerkt hinter demselben.

Gaveston an der rechten Seite des Tisches stehend.

Die Pächter und ihr Anhang während der weitergehenden Steigerung in großer Aufregung und Spannung.


GAVESTON.

Wohlan! so muß es sein!

DIE PÄCHTER UND IHR ANHANG.

Ich zitt're!

GAVESTON.

Ich gebe mehr, tausend Thaler!

GEORG mit Kraft.

Zweitausend!

GAVESTON.

Drei!

GEORG.

Vier!

GAVESTON.

Fünf!

GEORG.

Sechs!

ANNA leise zu Georg.

Biete mehr, nur Mut! biet' mehr, nur Mut! biet' mehr!

GAVESTON.

Sieben!

GEORG.

Acht!

GAVESTON.

Neun!

GEORG.

Zehn!

ANNA leise zu Georg.

Biete mehr, nur Mut! biet' mehr und mehr, nur mutig![92]

GAVESTON.

Kaum zähm' ich, kaum zähm' ich die Wut!

DIE PÄCHTER UND IHR ANHANG.

O seht, er zähmet kaum die Wut!

GAVESTON.

Kaum zähm' ich, kaum zähm' ich die Wut!


Wütend.


Nun fünfundzwanzig!

ANNA leise.

Biete mehr, nur Mut, biet' mehr, nur mutig!

GEORG.

Dreißig!

GAVESTON.

Vierzig!

ANNA leise.

Biete mehr, nur Mut! biet' mehr, nur mutig!

GEORG.

Fünfzig!

GAVESTON.

Sechzig!

ANNA leise.

Nur mehr und mehr, nur mehr und mehr!

GEORG.

Achtzig denn!

GAVESTON.

Neunzig denn!

ANNA leise.

Nur mehr und mehr, nur mehr und mehr!

GEORG.

Viermalhunderttausend Thaler!

GAVESTON.

Ha, verdammt!

ANNA.

Recht gut, recht gut, ich bin zufrieden, fasse Mut!

DIE PÄCHTER UND IHR ANHANG unter sich.

O seht, er zähmet kaum die Wut!

Ja, kaum zähmet er die Wut!

GAVESTON für sich.

Kaum bezähm' ich die Wut!

Kaum bezähm' ich meine Wut!

MARGARETHE, JENNY UND ANNA für sich.

Kaum bezähmt er seine Wut!

GAVESTON.

Viermalhundertundfünfzig!

GEORG übermütig.

Nun wohl – wenn es muß sein!

GAVESTON.

Haltet ein! –

Raten will ich diesem jungen Mann,

Der, von Leichtsinn bethöret,

Hier so tollkühn heut' handeln kann!


Zu Mac-Irton.


Mein Herr, leset das Gesetz! –

MAC-IRTON steht auf und liest aus einem dicken Buche.

Wer am Tag des Verkaufs nicht um die zwölfte Stunde[93]

Bezahlet blank und bar uns das schuldige Geld,

Oder uns einen tüchtigen Bürgen hier stellt –

GAVESTON zu Georg.

Habt Ihr gehört?

MAC-IRTON.

Der wird schnell ohne Gnad' in den Kerker gebracht.

GEORG.

In den Kerker?

ANNA leise.

Sei ruhig!

GEORG munter und leise zu ihr.

Nun, ich gehorch', wenn's Freude, Freude Euch nur macht.


Laut.


Fünfmalhunderttausend Thaler!

MARGARETHE, JENNY, GAVESTON, MAC- IRTON, PÄCHTER UND IHR ANHANG erstaunt.

Fünfmalhunderttausend!

ANNA leise zu Georg.

Recht gut, recht gut, ich bin zufrieden!

MAC-IRTON ausrufend.

Fünfmalhunderttausend Thaler!

Fünfmalhunderttausend Thaler!

GAVESTON vernichtet für sich.

Nun ist's aus!

MAC-IRTON.

So bietet niemand mehr?

GEORG spöttelnd zu Gaveston.

Was sagt Ihr nun, mein Freund,

Ihr seht, die weiße Dame ist nicht wie alle Frau'n,

Und ihrem Ehrenwort darf man vertrau'n.

Ja, Frauenwort darf man vertrau'n,

Darf man vertrau'n!

GAVESTON.

Ich rase! Ich rase!

MAC-IRTON zu Georg.

Euer Name

GEORG mit Kraft.

Georg Brown.

MAC-IRTON.

Euer Stand?

GEORG.

Bin Unterlieutenant, mit dreihundert Thaler Gage!

MAC-IRTON.

Ist das wahr?

GEORG.

Und sagen soll man nicht, daß ich Verschwender bin!


Lustig.


Ich laß mir's nach und nach von meiner Gag' abziehen!


Das Licht ist dem Verlöschen nahe.


ALLE das Licht beobachtend.

Ha, das Licht ist nun bald zu End'![94]

MAC-IRTON leise zu Gaveston.

Ihr seht, ich muß hier nun thun meine Pflicht!


Das Licht verlischt mit dem Paukenschlag.


MAC-IRTON mit Kraft.

Zugeschlagen!


Er ergreift den vor ihm liegenden Hammer und schlägt gleichzeitig auf den Tisch.

Große und freudige Bewegung unter den Pächtern

und ihrem Anhang.


ALLE.

Gott, welch' ein Glück für uns! (mich!) welch' ein Glück!

GAVESTON UND MAC-IRTON.

Ha, welch' ein finstrer Augenblick!

Mac-Irton tritt mit den Gerichtspersonen vom Tisch fort, nach rechts vor.

Die vier Diener bringen den Tisch und die fünf Stühle an ihre früheren Stellen zurück.

Margarethe, Jenny, Dikson eilen nach links zu Georg hinüber.

Alle treten vor.


GAVESTON für sich.

Kaum zähm' ich die Wut!

Ja, kaum bezähm' ich meine Wut!

MAC-IRTON UND GAVESTON.

Ha, kaum zähmt er seine (ich meine) Wut!

Ihn soll ich hier sehen als unsern Herrn.

Ha, Fluch dem Mißgeschick!

Doch alles ist mir hier deutlich noch nicht!

Manches liegt hier noch verborgen!

Ach, wer giebt mir hier wohl Licht?

Wer ist er? Und woher?[95]

Kaum bezähmt er seine / ich meine Wut!

Ha, er fürchte seine / meine Wut!

MARGARETHE, JENNY, DIKSON.

Ach, welch' Glück das Los uns heut' gewähret!

Ja, es schenkt uns einen gütigen Herrn;

Ja, wir sehn in ihm den Herrn!

Welch' ein Glück! Welch' ein Glück!

Wie dank' ich heut' dem Geschick.

Doch alles ist mir hier deutlich noch nicht,

Was hier verborgen! Ach, wer giebt mir hier wohl Licht?

Doch gleichviel, ein frohes Los wird uns heut';

Verkündet uns Glück, dieser Tag verkündet uns Glück!

Kaum bezähmt er die Wut, ja die Wut!

Ach, seht doch seine Wut, die ergreifet ganz sein Herz!

Doch lach' ich seiner Wut! Doch lach' ich seiner Wut!

GEORG.

Ach, ich seh' sie hier, die ich verehre.

Mir lacht das Glück, ich weile hier gern.

Ja, Ihr seht in mir den künft'gen Herrn!


Er sieht Anna an.


Welch' ein Glück! Welch' ein Glück!

Wie dank' ich heut' dem Geschick!

Doch alles ist mir hier deutlich noch nicht,

Was hier verborgen! Ach, wer giebt mir hier wohl Licht!

Doch gleichviel, ein frohes Los wird uns heut';

Verkündet uns Glück, dieser Tag verkündet uns Glück!

Doch seht, er zähmt kaum die Wut!

Ach, seht doch seine Wut, die ergreifet ganz sein Herz!

Doch lach' ich seiner Wut! Doch lach' ich seiner Wut!

ANNA.

O mein Gott, meine Bitte erhöre,

Rette Gut und Ehre dem Herrn,

Ja, das Glück ist nicht mehr fern,

Leuchtend naht mir der Hoffnung schöner Stern!

Welch' ein Glück! welch' ein Glück!

Wie dank' ich heut' dem Geschick!


[96] Zu Georg.


Folge, traue mir!

Du hast's gelobt, Wonne fühlt dieses Herz. –

O mein Gott, mich erhöre! –

Hör unser Flehn, ach, rett' Ehr' und Gut!

Ach, seht doch seine Wut, die ergreifet ganz sein Herz!

Doch lach' ich seiner Wut, doch lach' ich seiner Wut!

CHOR.

Wir sehn in ihm den künft'gen Herrn!

Welch' ein Glück! welch' ein Glück!

Wie dank ich heut' dem Geschick!

Manches wohl ist, was hier verborgen,

Ja, ach, wer giebt mir hier wohl Licht!

Doch gleichviel, ein frohes Los ward uns heut';

Verkündet uns Glück, verkündet uns Glück!

Doch seht, o seht: er zähmt kaum die Wut!

Ach, seht doch seine Wut, die ergreifet ganz sein Herz!

JENNY.

Wie gütig und wie liebenswert ist unser gnäd'ger Herr!

MAC-IRTON, GAVESTON.

Kaum kann er / ich noch sich / mich bezähmen!

Wer ist er? Und woher? Nur Rache füllt dieses Herz!

Ha, er fürchte seine / meine Rache!

Kaum kann er / ich noch sich / mich bezähmen!

MARGARETHE.

Kaum kann er noch sich bezähmen!

Hoch soll leben unser Herr!

Ja, uns schenket heut' das Los

Einen gütigen Herrn!


Auf Gaveston hin.


Kaum kann er noch sich bezähmen!

JENNY UND DIKSON.

Kaum kann er noch sich bezähmen!

Ich lache seiner Wut, ich lache seiner Wut!

Hoch soll leben unser Herr!

Ja, uns schenket heut' das Los

Einen gütigen Herrn!


Auf Gaveston hin.


Kaum kann er noch sich bezähmen!

GEORG.

Kaum kann er noch sich bezähmen!

Ich lache seiner Wut, ich lache seiner Wut![97]

Wonne fühlt heut' dieses Herz!

Ja, ich seh' sie, mir scheint noch heut'

Der Hoffnung schöner Stern.

Ja, nichts gleichet meinem Glücke!

ANNA.

Kaum kann er noch sich bezähmen!

Ich lache seiner Wut, ich lache seiner Wut!

Wonne fühlt heut' dieses Herz!

Ja, uns schenket heut' das Los

Einen gütigen Herrn!


Auf Gaveston hin.


Kaum kann er noch sich bezähmen!

CHOR.

Kaum kann er noch sich bezähmen!

DIE JUNGEN MÄDCHEN begrüßen Georg.

Hoch soll leben unser Herr!

CHOR.

Ja, uns schenket heut' das Los

Einen gütigen Herr!


Auf Gaveston hin.


Kaum kann er noch sich bezähmen!

MAC-IRTON, GAVESTON.

Kaum noch bezähmt er seine / bezähm' ich meine Wut!

MAC-IRTON.

Ja, kaum bezähmt er die Wut!

Ja, er fluchet dem Geschick!

GAVESTON.

Ja, kaum bezähm' ich die Wut!

Ja, ich fluche dem Geschick!

GEORG.

Ich seh' die Teure heute wieder!

Welch ein Glück, für mich welch ein Glück!

Ach, welch ein Glück.

MARGARETHE, JENNY, DIKSON, ANNA, CHOR.

Uns schenket heut' das Los den gütigsten Herrn!

Für uns welch ein Glück! für uns welch ein Glück!

Die Pächter umringen Georg, jubelnd die Hüte schwenkend.

Zwei Pächter heben Georg auf die Schulter und tragen ihn dem Ausgang zu.

Mac-Irton und Gaveston stehen ergrimmt rechts vorn.

Margarethe tritt zu Anna.

Anna sieht beglückt Georg nach.

Alle Übrigen wenden sich in lebhafter Bewegung dem Ausgang zu.
[98]

Quelle:
Boieldieu, François-Adrien: Die weiße Dame, Leipzig [1892], S. 89-99.
Lizenz:

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