Vierter Auftritt.

[72] Die Vorigen. Margarethe nimmt die Mitte.


MARGARETHE.

Ein junger schöner Mann, und von adligen Sitten

Kam bei dem Sturme hier, um Einlaß zu bitten!

»O nehmt mich auf in dem Kastell«

So flehte er, »im Namen Julius Avenel!«

ANNA für sich.

Ha, er ist's! Es ist Dikson!

MARGARETHE.

Und schnell ließ ich ihn ein:

Im Saale harrt er schon.

GAVESTON.

Ohne meinen Befehl wagtet Ihr solch Beginnen!

Gleich muß er fort, schafft ihn von hinnen.

ANNA nimmt die Mitte und zieht ihn beiseite.

Denkt, was Ihr thut, o seid doch klug![72]

In diesem Land habt Ihr Feinde nicht schon genug?

Ich bitte, laßt den Fremdling ein.


Geheimnisvoll.


So soll auch jenes Blatt, das mir die Gräfin übergab,

Morgen schon kein Geheimnis für Euch mehr sein.

GAVESTON überrascht.

Ihr schwört es mir.

ANNA.

Ja, ich darf es versprechen.

GAVESTON.

Wohlan, der Wunsch, der Wunsch –

ANNA für sich.

Endlich atm' ich wieder!

GAVESTON.

Sei Euch gewährt.

Mit Freuden will ich Euch gefällig sein.


Zu Margarethe.


Drum laßt ihn ein!

MARGARETHE beiseite, nach rechts gewendet.

O welche frohe Hoffnung!

ANNA für sich.

O süße Hoffnung!

GAVESTON die Mitte nehmend.

Doch welch' Gemach räumt man ihm ein?

MARGARETHE UND ANNA.

Hier dieses soll es sein!

GAVESTON befriedigt.

Gut! –

Doch ihr andern begebet

Sogleich euch zur Ruhe dann.

MARGARETHE sehr leise, beiseite.

Frohe Hoffnung belebet ihre Brust,

Bald gelinget ihr Plan;

Sanft bricht die Morgenröte

Durch Nacht und Dunkel an.

Ihr Streben laß gelingen,

Den Sieg heut sie erringen,

Und leite aus Ziel den Plan.

ANNA ebenso.

Süße Hoffnung belebet meine Brust,

Bald gelinget mein Plan;

Sanft bricht die Morgenröte

Durch Nacht und Dunkel an.

Mein Streben laß gelingen,[73]

Den Sieg heut' mich erringen,

Und leite aus Ziel den Plan.

GAVESTON erfreut für sich.

Frohe Hoffnung belebt mich, endlich doch

Fügt sie sich meinem Plan;

Frohe Hoffnung belebt mich!

Bald erreich' ich das Glück auf sich'rer fester Bahn!

Ja, mein Streben laß gelingen,

Den Sieg heut mich erringen,

Und leite aus Ziel schnell den Plan.

Anna entfernt sich unauffällig nach links durch die geheime Thür.

Margarethe eilt durch den Haupteingang hinaus, um Georg eintreten zu lassen.

Gaveston sieht gespannt Georg entgegen.

Margarethe kommt mit Georg durch den Haupteingang.


Quelle:
Boieldieu, François-Adrien: Die weiße Dame, Leipzig [1892], S. 72-74.
Lizenz:

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