Vierte Szene

[257] York. Ein Zimmer im Hause des Erzbischofs.


Der Erzbischof von York und ein Edelmann treten auf.


ERZBISCHOF.

Hurtig, Sir Michael! Mit beschwingter Eil'

Bringt den petschierten Brief hier zum Lord Marschall,

Den meinem Vetter Scroop, und all die andern,

An wen sie sind gerichtet; wüßtet Ihr,

Wie viel an ihnen liegt, Ihr würdet eilen

EDELMANN.

Mein gnäd'ger Herr,

Ich rate ihren Inhalt.

ERZBISCHOF.

Das mag sein.

Guter Sir Michael, morgen ist ein Tag,

An dem das Glück von zehentausend Mann

Die Probe stehn muß: denn zu Shrewsbury,

Wie ich gewiß vernehme, trifft der König

Mit mächtigem und schnell erhobnem Heer

Lord Heinrich; und, Sir Michael, ich fürchte, –

Teils wegen Krankheit des Northumberland,

Auf dessen Macht so stark gerechnet ward,

Teils wegen Owen Glendowers Entfernung,

Der ihnen auch als sichre Stütze galt

Und nun nicht kommt, beherrscht von Weissagungen, –

Ich fürchte, Percys Macht ist allzu schwach,

Gleich mit dem König den Versuch zu wagen.

EDELMANN.

Ei, gnäd'ger Herr, seid unbesorgt:

Douglas ist dort ja und Lord Mortimer.[257]

ERZBISCHOF.

Nein, Mortimer ist nicht da.

EDELMANN.

Doch dort ist Mordake, Vernon, Lord Heinrich Percy,

Dort auch Mylord von Worcester, und ein Heer

Von tapfern Kriegern, wackern Edelleuten.

ERZBISCHOF.

So ist's; allein der König zog zusammen

Des Landes ganze Stärke: bei ihm sind

Der Prinz von Wales, Johann von Lancaster,

Der edle Westmoreland, der tapfre Blunt

Und sonst viel Mitgenossen und von Ruf

Und Führung in den Waffen teure Männer.

EDELMANN.

Herr, zweifelt nicht, man wird schon widerstehn.

ERZBISCHOF.

Ich hoff' es auch, doch nötig ist's zu fürchten,

Und um dem Schlimmsten vorzubeugen, eilt!

Denn, siegt Lord Percy nicht, so denkt der König,

Eh' er sein Heer entläßt, uns heimzusuchen:

Er hat gehört von unserm Einverständnis,

Und 's ist nur Klugheit, wider ihn sich rüsten.

Deswegen eilt! Ich muß an andre Freunde

Noch schreiben gehn, und so lebt wohl, Sir Michael!


Von verschiednen Seiten ab.[258]


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 3, Berlin: Aufbau, 1975, S. 257-259.
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