Vierte Szene

[929] Im Palast des Kardinals von York.


Hoboen. Ein kleiner Tisch unter einem Thronhimmel für den Kardinal; eine längere Tafel für die Gäste. Von der einen Seite treten auf Anna Bullen mit einigen andern Fräulein und Edelfrauen als Gäste, von der andern Sir Heinrich Guilford.


GUILFORD.

Ein allgemein Willkommen Seiner Gnaden

Begrüßt euch all', ihr Frau'n; er weiht den Abend

Der schönen Freud' und euch, und hofft, nicht eine

In dieser edlen Schar nahm Sorgen mit

Von Haus. Gern säh' er alles hier so munter,

Als gut gewählte Gäst' und guter Wein

Und guter Willkomm' gute Leute nur

Zu stimmen wissen. Ei, Mylord, Ihr säumt;


Der Lord Kämmerer, Lord Sands und Sir Thomas Lovell treten auf.


Schon der Gedank' an diesen schönen Kreis

Gab Flügel mir.

LORD KÄMMERER.

Ihr seid noch jung, Sir Heinrich.

SANDS.

Sir Thomas, hegte nur der Kardinal

Halb meine weltlichen Gedanken, traun!

Manch' eine fände hier vor Schlafengehn

Ein lust'ger Fest, das besser ihr gefiele.

Es ist, fürwahr! ein Kreis der schönsten Kinder.

LOVELL.

Wär' Eure Herrlichkeit nur jetzt der Beicht'ger

Zwei'n oder drei'n von diesen! –

SANDS.

Wollt', ich wär's,

Sie fänden leichte Pönitenz.

LOVELL.

Wie leicht?

SANDS.

So leicht, wie Federbetten sie nur böten.

LORD KÄMMERER zu den Damen.

Gefällt's euch, Platz zu nehmen? Ordnet Ihr,

Sir Heinrich, dort, ich will es diesseits tun.

Gleich kommt der Kardinal. Nein, frieren müßt ihr nicht;

Zwei Frau'n zusammensetzen macht kalt Wetter.

Ihr, Mylord Sands, müßt sie uns munter halten;

Setzt Euch zu diesen Damen.[929]

SANDS.

Nun, Mylord,

Auf Ehr', ich dank' Euch. Wollt verzeihn, ihr Schönen:


Setzt sich.


Red' ich vielleicht ein bißchen wild, so zürnt nicht;

Ich hab's von meinem Vater.

ANNA.

War der toll, Sir?

SANDS.

Sehr toll, ausnehmend toll, verliebt am tollsten:

Doch biß er nie, und, ebenso wie ich,

Küßt' er euch zwanzig wohl in einem Atem.

LORD KÄMMERER.

Recht so, Mylord,

So, jetzo sitzt Ihr gut. Ihr Herrn, nun liegt

Die Schuld an euch, wenn diese schönen Frau'n

Nicht heiter uns verlassen.

SANDS.

Was ich vermag,

Das soll gewiß geschehen.


Hoboen. Kardinal Wolsey tritt auf und nimmt Platz auf seinem erhöhten Sitz.


WOLSEY.

Seid willkommen,

Ihr schönen Gäste! Welcher edlen Frau

Und welchem Ritter heut der Frohsinn ausbleibt,

Die meinen's schlimm mit mir. Nochmals willkommen!

Auf euer aller Wohl!


Trinkt.


SANDS.

Ein huldreich Wort!

'nen Tummler gebt, der meinen Dank enthalte

Und mir das Reden spare.

WOLSEY.

Mylord Sands,

Ich dank' Euch bestens. Trinkt den Gästen zu!

Die Damen sind nicht munter; sagt mir an,

Wes ist die Schuld?

SANDS.

Erst muß des Weines Purpur

Die schönen Wangen röten, Herr; dann sollt Ihr

Sie uns stumm plaudern sehn.

ANNA.

Ihr seid

Ein lust'ger Spielmann, Mylord Sands.

SANDS.

O ja,

Wenn ich den Tanz darf wählen. – Hier, mein Fräulein,[930]

Ist Wein für Euch, und wollt Bescheid mir tun;

Es gilt ein Spiel ...

ANNA.

Das Ihr verlieren würdet.

SANDS.

Ich sagt' es wohl, sie würden plaudern.


Trommeln und Trompetenschall, man hört Kanonen abfeuern.


WOLSEY.

Horch!

LORD KÄMMERER.

Seht draußen nach!


Ein Diener geht hinaus.


WOLSEY.

Welch kriegerischer Klang! –

Wie deut' ich dies? Nein, fürchtet nichts, ihr Frau'n;

Nach allem Kriegsbrauch seid ihr außer Fährde.


Der Diener kommt zurück.


LORD KÄMMERER.

Nun sprich, was ist's?

DIENER.

Ein Trupp von edlen Fremden;

Denn also scheint's: sie sind ans Land gestiegen

Und nahen jetzt, gleich hohen Abgesandten

Ausländ'scher Fürsten.

WOLSEY.

Werter Mylord Kämm'rer,

Geht Ihr zum Gruß; Ihr sprecht die fränk'sche Zunge.

Empfangt sie würdig und geleitet sie

In unsre Näh', wo dieser Schönheitshimmel

Vollglänzend sie bestrahle. – Geh' wer mit!


Der Kämmerer mit Gefolge ab.


Alle stehen auf; man bringt die Tische auf die Seite.


Man stört das Fest; doch holen wir's wohl nach.

Euch allen ein gesegnet Mahl; ich heiß' euch

Nochmals willkomm', willkommen all' von Herzen!


Hoboen. Der König und mehre andre als Schäfer verkleidet, mit sechzehn Fackelträgern, und durch den Lord Kämmerer eingeführt, treten auf. Sie gehen gerade auf den Kardinal zu und grüßen ihn höflich.


Ein edler Zug! Was steht zu eurem Dienst? –

LORD KÄMMERER.

Da sie kein Englisch reden, meld' ich dies

Auf ihr Gesuch: daß, als der Ruf erschollen

Von dieses Abends schöner und erlauchter[931]

Versammlung, sie nicht länger widerstanden

Nach ihrer tiefen Ehrfurcht für die Schönheit,

Die Herden zu verlassen, um in Eurem

Edlen Geleit Erlaubnis zu begehren,

Die Damen hier zu sehn und eine Stunde

Zu unterhalten.

WOLSEY.

Sagt, Lord Kämm'rer, ihnen,

Sie häuften Gnaden auf mein armes Haus,

Ich dankte tausendfach und bäte sie,

Nach ihrem Wohlgefallen hier zu schalten.


Alle wählen sich Damen zum Tanz. Der König tanzt mit Anna Bullen.


KÖNIG.

Die schönste Hand, die ich berührt! O Schönheit,

Dich ahnet' ich bis heut noch nie! –

WOLSEY.

Mylord!

LORD KÄMMERER.

Eu'r Gnaden?

WOLSEY.

Bitt' Euch, sagt in meinem Namen,

Daß einer unter ihnen müsse sein,

Der würd'ger diesen Platz besetzt denn ich,

Und dem ich, kennt' ich ihn, mit aller Lieb'

Und Pflicht ihn überließe.

LORD KÄMMERER.

Wohl, ich gehe.

Geht zur Gesellschaft und kommt zurück.


WOLSEY.

Was sagen sie?

LORD KÄMMERER.

Ein solcher, dies gestehn sie,

Sei wirklich hier, und mög' Eu'r Gnaden ihn

Ausfinden, und er nähm' es an.

WOLSEY.

Laßt sehn. –

Mit euer aller Gunst, ihr Herrn, hier wag' ich

Die Königswahl.

KÖNIG.

Ihr traft ihn, Kardinal.

Ihr haltet trefflich Haus; recht wohl, Mylord!

Ihr seid ein Geistlicher, sonst, Kardinal,

Dächt' ich von Euch nichts Gutes.

WOLSEY.

Mich erfreut's,

Wenn Eure Hoheit scherzt.[932]

KÖNIG.

Oh, Mylord Kämm'rer,

Bitt' Euch, kommt her! Wer ist das schöne Fräulein? –

LORD KÄMMERER.

Erlaubt, mein Fürst, Sir Thomas Bullens Tochter,

Des Vicomte Rochford, von der Kön'gin Damen.

KÖNIG.

Bei Gott! ein lieblich Kind. – Mein süßes Herz,

Unziemlich wär's, zum Tanz Euch aufzufodern


zu Anna Bullen


Und nicht zu küssen. Stoßet an, ihr Herrn,

Bringt die Gesundheit rund!

WOLSEY.

Sir Thomas Lovell,

Ist das Bankett bereit im innern Saal?

LOVELL.

Ja, Herr.

WOLSEY.

Eu'r Hoheit, fürcht' ich, ist ein wenig

Erhitzt vom Tanz.

KÖNIG.

Ich fürchte selbst, zu sehr.

WOLSEY.

Im nächsten Saale, Sire, ist frischre Kühle.

KÖNIG.

Führt eure Damen alle. – Holde Tänzerin,

Noch darf ich Euch nicht lassen. – Sei'n wir fröhlich!

Ich hab' auf diese Schönen halb ein Dutzend

Trinksprüch' im Sinn, und sie zum Tanz noch einmal

Zu führen; und hernach mag jeder träumen,

Wem heut die meiste Gunst ward. – Blast zum Aufbruch!


Alle unter Trompetenschall ab.[933]


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 3, Berlin: Aufbau, 1975, S. 929-934.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
König Heinrich VIII.
König Heinrich VIII. / King Henry VIII.

Buchempfehlung

Stramm, August

Gedichte

Gedichte

Wenige Wochen vor seinem Tode äußerte Stramm in einem Brief an seinen Verleger Herwarth Walden die Absicht, seine Gedichte aus der Kriegszeit zu sammeln und ihnen den Titel »Tropfblut« zu geben. Walden nutzte diesen Titel dann jedoch für eine Nachlaßausgabe, die nach anderen Kriterien zusammengestellt wurde. – Hier sind, dem ursprünglichen Plan folgend, unter dem Titel »Tropfblut« die zwischen November 1914 und April 1915 entstandenen Gedichte in der Reihenfolge, in der sie 1915 in Waldens Zeitschrift »Der Sturm« erschienen sind, versammelt. Der Ausgabe beigegeben sind die Gedichte »Die Menscheit« und »Weltwehe«, so wie die Sammlung »Du. Liebesgedichte«, die bereits vor Stramms Kriegsteilnahme in »Der Sturm« veröffentlicht wurden.

50 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Hochromantik

Große Erzählungen der Hochromantik

Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.

390 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon