Erste Szene

[33] Straße.


Ein Kaufmann, Angelo und ein Gerichtsdiener treten auf.


KAUFMANN.

Ihr wißt, daß Ihr's zu Pfingsten zugesagt,

Und seit der Zeit hab' ich nicht nachgefragt,

Und tät's auch jetzt nicht, müßt' ich nicht durchaus

Nach Persien reisen und bedürfte Geld.

Drum leistet gegenwärtig Zahlung mir,

Sonst nehm' ich Euch in Haft durch diesen Häscher.

ANGELO.

Genau die Summe, die ich Euch verschrieb,

Soll ich erhalten von Antipholus;

Und eben jetzt, da Ihr mich traft, erhielt er

Von mir 'ne goldne Kette, deren Preis

Ich nachmittags um fünf erheben soll.

Gefiel's Euch, mitzugehn bis an sein Haus,

Zahlt' ich die Schuld und meinen Dank dazu.


Antipholus von Ephesus und Dromio von Ephesus kommen aus dem Hause der Kurtisane.


GERICHTSDIENER.

Die Mühe könnt Ihr sparen: seht, er kommt! –

ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

Derweil ich geh' zum Goldschmied, geh du hin

Und kauf' mir einen Strick, zum Angebinde

Für meine Frau und ihre Helfershelfer,

Weil sie mich aus dem Hause heut gesperrt; –

Doch halt! da ist der Goldschmied. Mach' dich fort,

Kauf' mir den Strick und bring' ihn mir nach Haus!

DROMIO VON EPHESUS.

Ich kauf' 'ne Rente von tausend Pfund!

Ich kauf' 'nen Strick! –


Geht ab.[33]


ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

Der hat sich gut gebettet, der Euch traut!

Auf Euch und Eure Kette macht' ich Rechnung,

Doch Kette nicht noch Goldschmied sind gekommen.

Gelt, unsre Freundschaft schien Euch allzu fest,

Wenn wir sie ketteten? Drum kamt Ihr nicht! –

ANGELO.

Den muntern Scherz beiseit; hier ist die Note,

Wie viel sie wiegt, aufs äußerste Karat.

Des Goldes Feinheit und der Arbeit Kunst,

Dies, auf und ab, macht drei Dukaten mehr,

Als ich zu zahlen hab' an diesen Herrn.

Ich bitt' Euch, daß Ihr ihn sogleich befriedigt,

Er muß zur See und wartet nur darauf.

ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

Ich habe so viel bares Geld nicht bei mir

Und bin auch sonst noch in der Stadt beschäftigt.

Hört, Lieber, führt den Fremden in mein Haus,

Tragt meiner Frau die Kette hin und sagt ihr:

Daß sie dagegen Euch die Summe zahle;

Vielleicht auch bin ich dort so früh als Ihr.

ANGELO.

Ihr wollt ihr also selbst die Kette bringen?

ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

Nein, nehmt sie mit, ich könnte mich verspäten.

ANGELO.

Ganz wohl, mein Herr; habt Ihr die Kette bei Euch?

ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

Hab' ich sie nicht, so werdet Ihr sie haben;

Sonst mögt Ihr ohne Geld nach Hause gehn.

ANGELO.

Nein, jetzt in allem Ernst, Herr: gebt die Kette.

Denn Wind und Wetter dienen diesem Herrn,

Und leider hielt ich schon zu lang' ihn auf.

ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

Der Scherz, mein Gönner, meint Ihr, soll entschuld'gen,

Daß Ihr im Stachelschwein nicht Wort gehalten?

Ich sollte schelten, daß Ihr uns verfehlt;

Doch wie ein zänkisch Weib schmollt Ihr zuerst.

KAUFMANN.

Die Zeit verstreicht, ich bitt' Euch, macht ein Ende!

ANGELO.

Ihr hört, wie er mir lästig wird; die Kette ...[34]

ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

Ei, gebt sie meiner Frau, und holt Eu'r Geld!

ANGELO.

Ihr wißt, daß ich sie eben jetzt Euch gab! –

Drum schickt die Kette oder sonst ein Zeichen!

ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

Pfui doch! das heißt den Spaß zu Tode jagen!

Wo ist die Kett'? Ich bitt' Euch, zeigt sie her!

KAUFMANN.

Ich hab' nicht Zeit für Eure Tändelei.

Sagt, Herr, wollt Ihr mir zahlen oder nicht?

Wo nicht, so überliefr' ich ihn dem Häscher.

ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

Euch zahlen? Sagt, was hätt' ich Euch zu zahlen?

ANGELO.

Das Geld, das Ihr mir schuldet für die Kette.

ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

Ich schuld' Euch keins, bis ich empfing die Kette.

ANGELO.

Ich gab sie Euch vor einer halben Stunde!

ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

Ihr gabt mir nichts! Ihr kränkt mich, dies zu sagen! –

ANGELO.

Mich kränkt viel mehr noch, Herr, daß Ihr mir's leugnet;

Bedenkt, wie mein Kredit darauf beruht!

KAUFMANN.

Nun, Häscher, nimm ihn fest auf meine Klage!

GERICHTSDIENER.

Gut; in des Herzogs Namen! folgt mir nach!

ANGELO.

Dies geht an meine Ehr' und guten Ruf;

Entweder willigt ein und zahlt die Summe,

Sonst setz' ich Euch in Haft durch diesen Häscher.

ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

Für etwas zahlen, das ich nie empfing?

Laß mich verhaften, Tropf, wenn du es wagst!

ANGELO.

Hier sind die Sporteln; Häscher, nehmt ihn fest!

Nicht meines Bruders schont' ich in dem Fall,

Macht' er mich ehrlos so auf offnem Markt.

GERICHTSDIENER.

Ich nehm' Euch fest, mein Herr: Ihr hört die Klage! –

ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

Ich folge, bis ich Bürgschaft dir gestellt; –

Doch Ihr, mein Freund, büßt mir den Spaß so teuer,

Daß all Eu'r Gold im Laden nicht genügt.[35]

ANGELO.

Oh, Herr, ich finde Recht in Ephesus,

Zu Euerm höchsten Schimpf, das zweifelt nicht! –


Dromio von Syrakus kommt vom Hafen.


DROMIO VON SYRAKUS.

Herr, 's ist ein Schiff aus Epidamnus da,

Das nur noch wartet, bis der Reeder kommt,

Und dann die Anker lichtet. Unsre Fracht

Hab' ich an Bord gebracht, und eingekauft

Das Öl, den Balsam und den Aquavit.

Das Schiff ist segelfertig, lust'ger Wind

Bläst frisch vom Ufer, und sie warten nur

Auf ihren Reeder, Herr, und auf uns beide.

ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

Was, ein Verrückter noch? Du dummes Schaf,

Welch Schiff von Epidamnus wartet mein?

DROMIO VON SYRAKUS.

Das Schiff, das Ihr zur Überfahrt bestellt! –

ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

Du Trunkenbold! Ich hab' 'nen Strick bestellt;

Ich sagte dir's, zu welchem Zweck und Ende! –

DROMIO VON SYRAKUS.

Ihr hättet um ein Ende Strick geschickt?

Ihr schicktet mich zum Hafen um ein Schiff! –

ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

Darüber sprechen wir zu beßrer Zeit

Und lehren deine Ohren besser hören.

Zu Adriana, Schlingel, lauf in Eil',

Bring' ihr den Schlüssel; sag ihr, in dem Pult,

Das mit dem türk'schen Teppich zugedeckt,

Sei eine Börse Gold, die laß dir geben;

Sag ihr: ich sei verhaftet auf der Straße,

Und dies mein Lösegeld. Nun eil' dich, Bursch! –

Jetzt ins Gefängnis, Häscher, bis er kommt.


Alle gehen ab, außer Dromio.


DROMIO VON SYRAKUS.

Zu Adriana? Das ist, wo wir speisten;

Wo Amaryllis mich zum Mann verlangt? –

Sie ist zu dick für mein Umarmen, hoff' ich!

Doch muß ich hin, obschon sehr wider Willen;

Ein Diener soll des Herrn Gebot erfüllen.


Geht ab.[36]


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 1, Berlin: Aufbau, 1975, S. 33-37.
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