Erste Szene

[335] Der Wald. Die Elfenkönigin liegt noch schlafend.


Squenz, Zettel, Schnock, Flaut, Schnauz, Schlucker treten auf.


ZETTEL. Sind wir alle beisammen?

SQUENZ. Aufs Haar; und hier ist ein prächtig bequemer Platz zu unsrer Probe. Dieser grüne Fleck soll unser Theater sein, diese Weißdornhecke unsre Kammer zum Anziehen, und wir wollen's in Aktion vorstellen, wie wir's vor dem Herzoge vorstellen wollen.

ZETTEL. Peter Squenz! –

SQUENZ. Was sagst du, lieber Sappermentszettel?

ZETTEL. Es kommen Dinge vor in dieser Komödie von Pyramus und Thisbe, die nimmermehr gefallen werden. Erstens: Pyramus muß ein Schwert ziehen, um sich selbst umzubringen, und das können die Damen nicht vertragen. He! Wie wollt Ihr darauf antworten?

SCHNAUZ. Potz Kuckuck, ja! ein gefährlicher Punkt.

SCHLUCKER. Ich denke, wir müssen das Totmachen auslassen, bis alles vorüber ist.

ZETTEL. Nicht ein Tüttelchen; ich habe einen Einfall, der alles gut macht. Schreibt mir einen Prolog, und laßt den Prolog verblümt zu verstehen geben, daß wir mit unsern Schwertern keinen Schaden tun wollen; und daß Pyramus nicht wirklich tot gemacht wird; und zu mehr besserer Sicherheit sagt ihnen, daß ich Pyramus nicht Pyramus bin, sondern Zettel der Weber. Das wird ihnen schon die Furcht benehmen.

SQUENZ. Gut, wir wollen einen solchen Prologus haben.[335]

SCHNAUZ. Werden die Damen nicht auch vor dem Löwen erschrecken?

SCHLUCKER. Ich fürcht' es, dafür steh' ich euch.

ZETTEL. Meisters, ihr solltet dies bei euch selbst überlegen. Einen Löwen-Gott behüt' uns! – unter Damen zu bringen, ist eine greuliche Geschichte; es gibt kein grausameres Wildbret als so 'n Löwe, wenn er lebendig ist; und wir sollten uns vorsehn.

SCHNAUZ. Derhalben muß ein andrer Prologus sagen, daß es kein Löwe ist.

ZETTEL. Ja, ihr müßt seinen Namen nennen, und sein Gesicht muß durch des Löwen Hals gesehen werden; und er selbst muß durchsprechen, und sich so, oder ungefähr so applizieren: Gnädige Frauen, oder schöne gnädige Frauen, ich wollte wünschen, oder ich wollte ersuchen, oder ich wollte gebeten haben, fürchten Sie nichts, zittern Sie nicht so; mein Leben für das Ihrige! Wenn Sie dächten, ich käme hieher als ein Löwe, so dauerte mich nur meine Haut. Nein, ich bin nichts dergleichen; ich bin ein Mensch wie andre auch: – und dann laßt ihn nur seinen Namen nennen, und ihnen rund heraus sagen, daß er Schnock der Schreiner ist.

SQUENZ. Gut, so soll's auch sein. Aber da sind noch zwei harte Punkte: nämlich den Mondschein in die Kammer zu bringen; denn ihr wißt, Pyramus und Thisbe kommen bei Mondschein zusammen.

SCHNOCK. Scheint der Mond in der Nacht, wo wir unser Spiel spielen?

ZETTEL. Einen Kalender! Einen Kalender! Seht in den Almanach! Suchet Mondschein! Suchet Mondschein!

SQUENZ. Ja, er scheint die Nacht.

ZETTEL. Gut, so könnt ihr ja einen Flügel von dem großen Stubenfenster, wo wir spielen, offen lassen, und der Mond kann durch den Flügel herein scheinen.

SQUENZ. Ja, oder es könnte auch einer mit einem Dornbusch und einer Laterne herauskommen, und sagen, er komme, die Person des Mondscheins zu defigurieren oder zu präsentieren. Aber da ist noch ein Punkt: wir müssen in der großen[336] Stube eine Wand haben; denn Pyramus und Thisbe, sagt die Historie, redeten durch die Spalte einer Wand mit einander.

SCHNOCK. Ihr bringt mein Leben keine Wand hinein. Was sagst du, Zettel?

ZETTEL. Einer oder der andre muß Wand vorstellen; und laßt ihn ein bißchen Kalk, oder ein bißchen Leim, oder ein bißchen Mörtel an sich haben, um Wand zu bedeuten; und laßt ihn seine Finger so halten, und durch die Klinze sollen Pyramus und Thisbe wispern.

SQUENZ. Wenn das sein kann, so ist alles gut. Kommt, setzt euch, jeder Mutter Sohn, und probiert eure Parte! Pyramus, Ihr fangt an; wann Ihr Eure Rede ausgeredet habt, so tretet hinter den Zaun; und so jeder nach seinem Stichwort.


Droll erscheint im Hintergrunde.


DROLL.

Welch hausgebacknes Volk macht hier sich breit,

So nah der Wiege unsrer Königin?

Wie? Gibt's ein Schauspiel? Ich will Hörer sein,

Mitspieler auch vielleicht, nachdem sich's fügt.

SQUENZ.

Sprecht, Pyramus; Thisbe, tretet vor!

PYRAMUS.

»Thisbe, wie eine Blum' von Giften duftet süß, –

SQUENZ.

Düften! Düften!

PYRAMUS.

»– von Düften duftet süß,

So tut dein Atem auch, o Thisbe, meine Zier.

Doch horch, ich hör' ein' Stimm'; es ist mein Vater g'wiß,

Bleib' eine Weile stehn, ich bin gleich wieder hier.«


Ab.


DROLL beiseit.

Ein seltnes Stück von einem Pyramus.


Ab.


THISBE.

Muß ich jetzt reden?

SQUENZ. Ja, zum Henker, freilich müßt Ihr; Ihr müßt wissen, er geht nur weg, um ein Geräusch zu sehen, das er gehört hat, und wird gleich wieder kommen.

THISBE.

»Umstrahlter Pyramus, an Farbe lilienweiß,

Und rot wie eine Ros' auf triumphier'ndem Strauch;

Du muntrer Juvenil, der Männer Zier und Preis,

Treu wie das treuste Roß, das nie ermüdet auch.

Ich will dich treffen an, glaub' mir, bei Nickels Grab.«

SQUENZ. Ninus' Grab, Kerl. Aber das müßt Ihr jetzt nicht sagen,[337] das antwortet Ihr dem Pyramus. Ihr sagt Euren ganzen Part auf einmal her, Stichwörter und den ganzen Plunder. – Pyramus, tretet auf; Euer Stichwort ist schon dagewesen; es ist: »ermüdet auch«.


Zettel mit einem Eselskopfe und Droll kommen zurück.


THISBE.

Uf – »So treu, wie's treuste Pferd, das nie ermüdet auch.«

PYRAMUS.

»Wenn, Thisbe, ich wär' schön, so wär' ich einzig dein.«

SQUENZ. O greulich! erschrecklich! Es spukt hier. Ich bitt' euch, Meisters! Lauft, Meisters! Hülfe!


Sie laufen davon.


DROLL.

Nun jag' ich euch, und führ' euch kreuz und quer,

Durch Dorn, durch Busch, durch Sumpf, durch Wald.

Bald bin ich Pferd, bald Eber, Hund und Bär,

Erschein' als Werwolf und als Feuer bald,

Will grunzen, wiehern, bellen, brummen, flammen,

Wie Eber, Pferd, Hund, Bär und Feu'r zusammen.


Ab.


ZETTEL. Warum laufen sie weg? Dies ist eine Schelmerei von ihnen, um mich zu fürchten zu machen.


Schnauz kommt zurück.


SCHNAUZ. O Zettel! du bist verwandelt! Was seh' ich an dir?

ZETTEL. Was du siehst? Du siehst deinen eignen Eselskopf. Nicht?


Schnauz ab. Squenz kommt zurück.


SQUENZ.

Gott behüte dich, Zettel! Gott behüte dich! du bist transferiert.


Ab.


ZETTEL. Ich merke ihre Schelmerei; sie wollen einen Esel aus mir machen, mich zu fürchten machen, wenn sie können. Aber ich will hier nicht von der Stelle, laß sie machen, was sie wollen; ich will hier auf und ab spazieren und singen, damit sie sehen, daß ich mich nicht fürchte.


Er singt.


Die Schwalbe, die den Sommer bringt,

Der Spatz, der Zeisig fein,

Die Lerche, die sich lustig schwingt

Bis in den Himmel 'nein.[338]

TITANIA erwachend. Weckt mich von meinem Blumenbett' ein Engel?

ZETTEL singt.

Der Kuckuck, der der Grasemück'

So gern ins Nestchen heckt

Und lacht darob mit arger Tück'

Und manchen Eh'mann neckt –


Denn sein Rufen soll eine gar gefährliche Vorbedeutung sein, und wem jückt es nicht ein bißchen an der Stirne, wenn er sich Kuckuck grüßen hört?

TITANIA.

Ich bitte dich, du holder Sterblicher,

Sing' noch einmal! Mein Ohr ist ganz verliebt

In deine Melodie; auch ist mein Auge

Betört von deiner lieblichen Gestalt;

Gewaltig treibt mich deine schöne Tugend,

Beim ersten Blick dir zu gestehn, zu schwören:

Daß ich dich liebe.

ZETTEL. Mich dünkt, Madam, sie könnten dazu nicht viel Ursache haben. Und doch, die Wahrheit zu sagen, halten Vernunft und Liebe heutzutage nicht viel Gemeinschaft. Schade, daß ehrliche Nachbarn sie nicht zu Freunden machen wollen! Gelt, ich kann auch spaßen, wenn's darauf ankömmt.

TITANIA. Du bist so weise, wie du reizend bist.

ZETTEL. Das nun just auch nicht. Doch, wenn ich Witz genug hätte, um aus diesem Walde zu kommen, so hätte ich just so viel, als mir nötig täte.

TITANIA.

Begehre nicht, aus diesem Hain zu fliehn;

Du mußt hier, willig oder nicht, verziehn.

Ich bin ein Geist nicht von gemeinem Stande;

Ein ew'ger Sommer zieret meine Lande.

Und sieh', ich liebe dich! Drum folge mir,

Ich gebe Elfen zur Bedienung dir;

Sie sollen Perlen aus dem Meer dir bringen,

Und, wenn du leicht auf Blumen schlummerst, singen.

Ich will vom Erdenstoffe dich befrein.

Daß du so luftig sollst wie Geister sein.

Senfsamen! Bohnenblüte! Motte! Spinnweb!


Vier Elfen treten auf.[339]


ERSTER ELFE.

Hier!

ZWEITER ELFE.

Und ich!

DRITTER ELFE.

Und ich!

VIERTER ELFE.

Und ich!

ALLE.

Was sollen wir?

TITANIA.

Gefällig seid und dienstbar diesem Herrn!

Hüpft, wo er geht, und gaukelt um ihn her;

Sucht Aprikos' ihm auf und Stachelbeer';

Maulbeeren gebt ihm, Feigen, Purpurtrauben.

Ihr müßt der Biene Honigsack ihm rauben;

Zur Kerze nehmt von ihr ein wächsern Bein

Und steckt es an bei eines Glühwurms Schein,

Zu leuchten meinem Freund Bett aus und ein.

Mit bunter Schmetterlinge Flügelein

Wehrt fächelnd ihm vom Aug' den Mondenschein.

Nun, Elfen, huldigt ihm und neigt euch fein.

ERSTER ELFE. Heil dir, Sterblicher!

ZWEITER ELFE. Heil!

DRITTER ELFE. Heil!

VIERTER ELFE. Heil!

ZETTEL. Ich flehe Euer Gnaden von ganzem Herzen um Verzeihung. Ich bitte um Euer Gnaden Namen.

SPINNWEB. Spinnweb.

ZETTEL. Ich wünsche näher mit Ihnen bekannt zu werden, guter Musje Spinnweb. Wenn ich mich in den Finger schneide, werde ich so frei sein, Sie zu gebrauchen. – Ihr Name, ehrsamer Herr?

BOHNENBLÜTE. Bohnenblüte.

ZETTEL. Ich bitte Sie, empfehlen Sie mich Madam Hülse, Ihrer Frau Mutter, und Herrn Bohnenschote, Ihrem Herrn Vater. Guter Herr Bohnenblüte, auch mit Ihnen hoffe ich näher bekannt zu werden. – Ihren Namen, mein Herr, wenn ich bitten darf.

SENFSAMEN. Senfsamen.

ZETTEL. Lieber Musje Senfsamen, ich kenne Ihre Geduld gar wohl. Jener niederträchtige und ungeschlachte Kerl, Rinderbraten, hat schon manchen wackern Herrn von Ihrem Hause verschlungen. Sei'n Sie versichert, Ihre Freundschaft[340] hat mir schon oft die Augen übergehen machen. Ich wünsche nähere Bekanntschaft, lieber Musje Senfsamen.

TITANIA.

Kommt, führt ihn hin zu meinem Heiligtume!

Mich dünkt, von Tränen blinke Lunas Glanz;

Und wenn sie weint, weint jede kleine Blume

Um einen wild zerrißnen Mädchenkranz.

Ein Zauber soll des Liebsten Zunge binden:

Wir wollen still den Weg zur Laube finden.


Alle ab.


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 1, Berlin: Aufbau, 1975, S. 335-341.
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