Erste Szene

[173] Im florentinischen Lager.


Ein französischer Edelmann tritt auf. Fünf oder sechs Soldaten im Hinterhalt.


EDELMANN. Er kann nirgend anders herkommen, als an dieser Zaunecke. Wenn ihr auf ihn losstürzt, redet irgend eine fürchterliche Sprache, welche ihr wollt, wenn ihr sie auch selbst nicht versteht, gleichviel; denn wir müssen nicht tun, als verständen wir ihn, außer einem von uns, den wir für unsern Dolmetscher ausgeben müssen.

SOLDAT. Lieber Hauptmann, laßt mich den Dolmetscher sein!

EDELMANN. Bist du nicht mit ihm bekannt? Kennt er deine Stimme nicht?

SOLDAT. Nein, Herr, gewiß nicht.

EDELMANN. Aber was für Kauderwelsch willst du uns erwidern?

SOLDAT. Eben solches, als Ihr mir sagen werdet.

EDELMANN. Er muß uns für einen Haufen Fremder halten, die in feindlichem Solde stehn. Nun hat er von allen benachbarten Sprachen etwas aufgeschnappt, darum muß jeder so sprechen, wie es ihm in den Mund kommt, und nicht drauf achten, was einer dem andern sagt, wenn wir nur das im Auge behalten, was zu unsrer Absicht dient: töricht Gewäsch und Rotwelsch, alles ist gut genug. Ihr, Dolmetscher, müßt recht politisch tun. Aber sacht! Duckt euch; hier kommt er, um zwei Stunden zu verschlafen und dann zurück zu kommen, und auf die Lügen zu schwören, die er schmiedet.


Parolles tritt auf.[173]


PAROLLES. Zehn Uhr! – Nach drei Stunden wird's zeitig genug sein, nach Haus zu gehn. Was soll ich sagen, das ich getan habe? Ich muß schon etwas recht Glaubliches erfinden, wenn mir's durchhelfen soll. Sie fangen an, mir in die Karten zu sehn, und das Unglück klopft seit kurzem zu oft an meine Tür. Ich finde, meine Zunge wird zu tolldreist, aber mein Herz hat die Furcht des Mars und seiner Kreaturen vor Augen, und wagt nicht, was meine Zunge prahlt.

EDELMANN beiseit. Das ist die erste Wahrheit, deren sich deine Zunge je schuldig gemacht.

PAROLLES. Was in Teufels Namen hat mich nur dazu gebracht, das Wiederschaffen dieser Trommel zu unternehmen? Da ich doch klar einsehe, wie un möglich es ist, und weiß, daß ich niemals solche Absicht hatte! – Ich muß mir einige Wunden beibringen, und sagen, ich erhielt sie in der Aktion. Aber leichte Wunden werden's nicht tun; sie werden sagen: »Kamst du mit so wenigem davon?« Und große mag ich mir nicht geben. Was fang' ich nun an? Wie führ' ich den Beweis? Zunge, ich muß dich in eines Butterweibs Mund stecken und eine andre von Bajazets Maultiere kaufen, wenn du mich in solche Gefahren plauderst!

EDELMANN beiseit. Ist's möglich, daß er weiß, wer er ist, und dennoch der ist, der er ist? –

PAROLLES. Ich wollte, ich käme damit ab, meine Montur zu zerschneiden, oder meine spanische Klinge zu zerbrechen!

EDELMANN beiseit. Damit können wir dich nicht absolvieren.

PAROLLES. Oder mir den Bart zu scheren, und zu sagen, es sei eine Kriegslist gewesen!

EDELMANN beiseit. Das würde dir nichts helfen!

PAROLLES. Oder meine Kleider ins Wasser zu werfen, und zu sagen, man habe mich ausgezogen?

EDELMANN beiseit. Hilft schwerlich.

PAROLLES. Wollt' ich etwa schwören, ich wäre aus dem Fenster der Zitadelle gesprungen –

EDELMANN beiseit. Wie tief?

PAROLLES. – Dreißig Klafter tief –[174]

EDELMANN beiseit. Das würden dir drei große Schwüre nicht glauben machen.

PAROLLES. Hätte ich nur eine feindliche Trommel; ich wollte schwören, ich habe sie erobert.

EDELMANN beiseit. Gleich sollst du eine hören.


Trommeln und Geschrei hinter der Szene.


PAROLLES.

Eine feindliche Trommel!

EDELMANN.

Throcamovousus, cargo! Cargo! Cargo!

ALLE.

Cargo, cargo, vilianda par carbo!


Sie greifen ihn und verbinden ihm die Augen.


PAROLLES. Oh, Pardon! Pardon! Bindet mir nicht die Augen zu! –

DOLMETSCHER. Barcos thromuldo boscos.

PAROLLES.

Ich weiß, ihr seid von Muscos Regiment,

Und 's ist mein Tod, daß mir die Sprache fremd.

Ist hier kein Deutscher, Niederländer, Däne,

Franzose, Italiener? Laßt ihn sprechen,

So sag' ich alles, was dem Florentiner

Verderben bringen kann.

DOLMETSCHER.

Boscos vouvado:

Ich rede deine Sprache und versteh' dich: –


Kerelybonto: – Freund,

Schließ' deine Rechnung ab, denn siebzehn Dolche

Stehn auf der Brust dir.

PAROLLES.

Oh!

DOLMETSCHER.

Oh, bete, bete!

Mancha revania dulche.

EDELMANN.

Oscoribi dulchos volivorco ...

DOLMETSCHER.

Der Feldherr will, daß man dich noch verschone,

Und du verkappt, so wie du bist, ihm folgst

Und Rede stehst: vielleicht bericht'st du dann,

Was dir das Leben rettet.

PAROLLES.

Laßt mich leben,

So sag' ich, was ich nur vom Heere weiß:

Der Truppen Zahl, den Kriegsplan – ja, ich meld' euch,

Was euch verwundern soll.[175]

DOLMETSCHER.

Und ohne Falsch?

PAROLLES.

Ja, sonst will ich verdammt sein.

DOLMETSCHER.

Acordo linta.

Komm denn, man gönnt dir Aufschub.


Dolmetscher und Parolles ab.


Trommeln hinter der Szene.


EDELMANN zu einem der Soldaten.

Geh, sag Graf Roussillon und meinem Bruder,

Der Gimpel sei im Garn und fest vermummt,

Bis sie Bescheid gesendet.

SOLDAT.

Gleich, Herr Hauptmann.

EDELMANN.

Und sag den Herrn, er woll' uns allzumal

Uns selbst verraten.

SOLDAT.

Wohl!

EDELMANN.

Doch bis dahin

Soll er im Finstern sitzen, wohl verwahrt.


Alle gehn ab.


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 2, Berlin: Aufbau, 1975, S. 173-176.
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