Vierte Szene

[351] Ein Kuppler, Bolz und die Kupplerin treten herein.


KUPPLER. Bolz!

BOLZ. Ja.

KUPPLER. Sieh dich genau auf dem Markt um. Mitylene ist voll junger Herren, und wir haben in dieser Jahr'szeit zuviel eingebüßt, weil wir so ganz ohne Mädchen waren.

BOLZ. Wir waren nie von Weibsen so entblößt. Armselige drei sind noch da, und die können nicht mehr tun, als sie tun; von beständiger Arbeit sind die schon so gut wie verwest.

KUPPLER. Drum müssen wir zu jedem Preise frische haben. Gewissenhaft muß man bei jeder Hantierung sein, sonst ist kein Segen drin.

KUPPLERIN. Das ist wohl wahr, denn das macht's immer noch nicht gut, daß man arme Bastarde aufbringt, wie ich, denk' ich, wohl ein Stück eilf aufgebracht habe. –

BOLZ. Ja, bis zu eilf, und sie dann wieder herunter gebracht. Aber soll ich mich auf dem Markte umsehen?

KUPPLERIN. Natürlich. Was wir haben, das weht ein starker Wind entzwei, so erbärmlich sind sie verkocht.

KUPPLER. Jawohl, zwei davon sind zu ungesund. Der arme Transilvanier ist tot, der bei dem kleinen Nickel gelegen hat.

BOLZ. Ja, die hat's ihm schnell versalzen, sie hat einen Braten für Würmer aus ihm gemacht. Aber ich will gehn, und mich auf dem Markte umsehen. Geht ab.

KUPPLER. Drei oder vier tausend Zechinen wäre ein hübsches Kapital, um sich zur Ruhe zu setzen, und die Sache aufzugeben.

KUPPLERIN. Warum aufgeben, in aller Welt? Ist es denn eine Schande, auch noch im Alter was vor sich zu bringen?

KUPPLER. Ja, wenn unser Kredit nur mit der Ware frisch würde, oder sich die Ware nur mit der Gefahr gleich hielte! Wenn wir also in unsern jungen Tagen ein hübsches Vermögen zusammenscharren könnten, so möchten wir nachher nur die Bude schließen. Außerdem sollte uns auch, daß wir[351] bei den Göttern so schlecht angeschrieben stehen, antreiben, die Sache aufzugeben.

KUPPLERIN. Ei was! Andre Stände sündigen so gut wie wir.

KUPPLER. So gut wie wir? O ja, wohl auch zum bessern, wir sündigen zum schlimmsten, dann ist ja auch unser Wesen kein Gewerbe oder Beruf, – aber hier kommt Bolz.


Bolz kommt mit den Seeräubern und Marina.


BOLZ. Nur hier herein! – Sie ist eine Jungfrau, meine Herrn?

ERSTER SEERÄUBER. Daran zweifeln wir nicht.

BOLZ. Seht, Meister, für dies Stück bin ich hoch hinauf gegangen; gefällt sie Euch; gut, wo nicht, so habe ich mein Aufgeld verloren.

KUPPLERIN. Bolz, hat sie Eigenschaften?

BOLZ. Sie hat ein gutes Gesicht, sie spricht hübsch und hat ganz vortreffliche Kleider, weiter sind keine Eigenschaften vonnöten, als daß sie jedem ansteht.

KUPPLERIN. Wie teuer, Bolz?

BOLZ. Sie wollen keinen Pfennig von tausend Stück nachlassen.

KUPPLER. Folgt mir, ihr Herren, ihr sollt gleich euer Geld haben. Nimm sie hinein, Frau; unterrichte sie, was sie zu tun hat, daß sie sich in ihren Geschäften nicht zu linkisch benimmt.


Ab mit den Seeräubern.


KUPPLERIN. Bolz, merk' dir ihre Kennzeichen, ihr Haar, ihre Farbe, die Größe, ihr Alter, und daß sie noch Jungfrau ist, und rufe aus: wer das meiste bietet, soll sie zuerst haben. Eine solche Jungfrauschaft wäre nichts Wohlfeiles, wenn es noch Männer gäbe wie ehmals. Tu', wie ich dir befehle.

BOLZ. Sogleich soll es ausgeführt werden. Geht ab.

MARINA.

Ach, warum war so langsam, Leonin?

Was schlug er nicht, statt sprach? Und die Piraten

(Zu menschlich) warum warfen sie mich nicht

Vom Schiff, um meine Mutter aufzusuchen.

KUPPLERIN. Warum weinst du, du hübsches Ding?

MARINA. Daß ich hübsch bin.[352]

KUPPLERIN. Laß gut sein, die Götter haben das Ihrige an dir getan.

MARINA. Ich klage sie nicht an.

KUPPLERIN. Du bist in meine Hände gefallen, und bei mir wirst du leben.

MARINA. So schlimmer mein Geschick, daß ich den Händen Entrann, durch die ich sterben sollte!

KUPPLERIN. Und in Freuden wirst du leben.

MARINA. Nein.

KUPPLERIN. O ja, gewiß, und alle Arten von feinen Herrn wirst du versuchen. Es wird dir gut tun, du wirst die Verschiedenheit aller Temperamente haben. Wie? Du hältst dir die Ohren zu?

MARINA. Seid Ihr eine Frau?

KUPPLERIN. Nun, was sollt' ich denn sonst sein, wenn ich keine Frau wäre?

MARINA. Eine tugendhafte Frau, oder keine Frau.

KUPPLERIN. Ei, daß du Ohrfeigen kriegtest, du Gänschen! Ich merke, du wirst mir zu schaffen machen. Komm, du bist ein junger kindischer Schößling, du mußt dich biegen, wie ich dich haben will.

MARINA. Die Götter werden mich erlösen.

KUPPLERIN. Wenn es den Göttern gefällt, dich durch Männer zu lösen, so müssen Männer dich vergnügen, so müssen Männer dich speisen, so müssen Männer sich an dich machen. – Bolz ist zurück.


Bolz kommt.


Nun, hast du sie auf dem Markt ausgerufen?

BOLZ. Ausgerufen fast jedes einzelne Haar von ihr? Ich habe sie mit meiner Stimme abgemalt.

KUPPLERIN. Nun, wie fandest du denn das Völkchen gestimmt, vorzüglich die jungen Leute?

BOLZ. Mein' Treu', sie hörten mir zu, als wenn sie auf das Testament ihrer Väter horchten. Einem Spanier wässerte der Mund so, daß er mit der Beschreibung schon zu Bette ging.

KUPPLERIN. Den haben wir morgen mit seiner besten Halskrause hier.[353]

BOLZ. Heut abend, heut abend; aber Frau, Ihr kennt doch den französischen Ritter, der mit den krummen Knien geht?

KUPPLERIN. Den Monsieur Veroles?

BOLZ. Ja, der gab sich beim Ausrufen Mühe, eine Capriole zu schneiden, aber es wurde ein Ächzen daraus, und er schwur, daß er sie morgen sehen wollte.

KUPPLERIN. Nun schön, schön, er für seine Person brachte seine Krankheiten schon hierher, hier frischte er sie auf; ich weiß, der kommt her in unsern Schatten, um seine Kronen in der Sonne durchzubringen.

BOLZ. O Ja, wenn wir von jeder Nation einen Reisenden hätten, ein solches Zeichen würde sie alle festhalten.

KUPPLERIN zu Marina. Komm her ein wenig. Jetzt regnet es Glück auf dich. Höre, du mußt das mit Furcht zu tun scheinen, was du doch gern tust, stelle dich, als verschmäh'st du allen Vorteil, wo du den meisten Gewinn ziehen kannst; wenn du über deine Lebensweise weinst, so erregt das bei deinen Liebhabern Mitleid, und meist erzeugt das Mitleid eine gute Meinung von dir, und diese gute Meinung wird wieder klarer Gewinn.

MARINA. Ich versteh' Euch nicht.

BOLZ. O nehmt sie hinein, Frau, nehmt sie hinein; dieses Rotwerden muß im Augenblick durch Tätigkeit ausgelöscht werden.

KUPPLERIN. Du hast recht, mein' Treu', das muß es auch; denn eine Braut geht ja selbst mit Scham den Weg, zu dem sie doch ein Privilegium hat.

BOLZ. Mein' Seel', einige tun es, andere nicht. Aber, Frau, da ich den Handel um das Wild gemacht habe –

KUPPLERIN. Sollte auch ein Stückchen für dich vom Spieß abfallen?

BOLZ. Jawohl.

KUPPLERIN. Nun freilich. Komm junges Ding, deine Kleider steh'n dir recht hübsch.

BOLZ. Ja wahrhaftig, sie soll noch keine andere anzieh'n.

KUPPLERIN. Bolz, da, verzehre das in der Stadt; sage, welche Ware wir haben; du wirst bei der Kundschaft nichts verlieren. Als die Natur dies Ding erschuf, hatte sie es gut mit dir[354] vor, darum erzähle nur von ihrer Herrlichkeit, und aus deinen Reden wird eine Ernte für dich.

BOLZ. Verlaßt Euch darauf, Frau, der Donner soll kein Aalnest so lebendig machen, als mein Herausstreichen ihrer Schönheit alle Liederlichen auf die Beine bringen soll. Heut abend will ich welche mit mir bringen.

KUPPLERIN. Nun komm mit mir.

MARINA.

Brennt Feuer, schneiden Dolch', ertränkt die Flut;

Bewahrt den Jungfrauengürtel mir mein Mut.

Und du, Diana, hilf!

KUPPLERIN. Was haben wir mit Dianen zu tun? Nun, willst du wohl mit mir kommen?


Sie gehn ab.


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 2, Berlin: Aufbau, 1975, S. 351-355.
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