Erste Szene

[789] Die Straße vor Olivias Hause.


Sebastian und der Narr treten auf.


NARR. Wollt Ihr mir weis machen, ich wäre nicht nach Euch geschickt?

SEBASTIAN. Nun ja doch, ja! Du bist ein toller Bursch: Erlöse mich von dir!

NARR. Gut durchgeführt, meiner Treu! Nein, ich kenne Euch nicht; das Fräulein hat mich auch nicht nach Euch geschickt, damit Ihr kommen und mit ihr sprechen möchtet; Euer Name ist auch nicht Monsieur Cesario, und dies ist auch nicht meine Nase. Nichts ist so, wie es ist.

SEBASTIAN.

Kram' deine Narrheit doch wo anders aus:

Mich kennst du nicht.

NARR. Meine Narrheit auskramen! Er hat das Wort von irgendeinem großen Manne gehört, und wendet es nun auf einen Narren an. Meine Narrheit auskramen! Ich fürchte, dieser große Tölpel, die Welt, wird ein Zieräffchen werden. Ich bitte dich nun, entgürte dich deiner Seltsamkeit, und sage mir, was ich meinem gnädigen Fräulein auskramen soll. Soll ich ihr auskramen, daß du kommst?

SEBASTIAN.

Ich bitt' dich, toller Kuppler, laß mich gehn!

Da hast du Geld: doch wenn du länger zögerst,

So gibt es schlechtre Zahlung.

NARR. Auf meine Ehre, du hast eine offne Hand. – Solche weise Leute, die Narren Geld geben, machen sich einen guten Namen, wenn sie sich ein Dutzend Jahre darum beworben haben.


Junker Tobias, Junker Christoph und Fabio kommen.[789]


JUNKER CHRISTOPH. Nun, Herr, treff ich Euch endlich wieder? Da habt Ihr was. Schlägt den Sebastian.

SEBASTIAN schlägt Junker Christoph. Da hast du auch was! und da! und da! Sind alle Leute toll geworden?

JUNKER TOBIAS. Haltet ein, Herr, sonst soll Euer Degen über das Haus fliegen.

NARR. Dies will ich gleich dem gnädigen Fräulein erzählen. Ich wollte nicht für einen Dreier in Eurer Haut stecken. Ab.

JUNKER TOBIAS. Gleich, Herr, haltet ein! Er hält den Sebastian.

JUNKER CHRISTOPH. Nein, laßt ihn nur! Ich will schon auf eine andre Art mit ihm fertig werden; ich will eine Klage wegen Prügelei gegen ihn anstellen, wenn noch Recht und Gerechtigkeit in Illyrien ist. Hab' ich schon zuerst geschlagen, das macht nichts.

SEBASTIAN. Laß deine Hand los!

JUNKER TOBIAS. Ei was, ich will Euch nicht los lassen. Nur den Degen eingesteckt, mein junger Kriegsheld! Ihr seid gut beschlagen: nur fort!

SEBASTIAN. Ich will dich los sein. Sag, was willst du nun? Nimmst du's noch weiter mit mir auf, so zieh'! Er zieht.

JUNKER TOBIAS. Was? was? Nun, so muß ich ein paar Unzen von deinem naseweisen Blut haben. Er zieht.

Olivia kommt.


OLIVIA. Tobias, halt! bei deinem Leben, halt!

JUNKER TOBIAS. Fräulein?

OLIVIA.

Wird's niemals anders sein? Unholder Frevler!

Geschickt für Wüstenei'n und rauhe Höhlen,

Wo Sitte fremd ist! Fort aus meinen Augen! –

Sei nicht beleidigt, mein Cesario! –

Fort, Grobian!


Junker Tobias, Junker Christoph und Fabio ab.


Ich bitt' dich, lieber Freund,

Gib deiner Weisheit, nicht dem Zorn Gehör

Bei diesem wilden, ungerechten Ausfall

Auf deine Ruh'. Geh mit mir in mein Haus,

Und höre da, wie viele lose Streiche

Der Lärmer angezettelt, daß du diesen[790]

Alsdann belächeln magst; mitkommen mußt du,

Verweigr' es nicht! Verwünscht sei er von mir,

Eins meiner Herzen kränkt' er ja in dir.

SEBASTIAN.

Wo weht dies her? Wie dünkt es meinem Gaum?

Bin ich im Wahnsinn, oder ist's ein Traum?

Tauch' meinen Sinn in Lethe, Phantasie!

Soll ich so träumen, gern erwach' ich nie.

OLIVIA.

Komm, bitte! Folg' in allem meinem Rat!

SEBASTIAN.

Ja, Fräulein, gern.

OLIVIA.

Oh, mach' dein Wort zur Tat!


Beide ab.


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 1, Berlin: Aufbau, 1975, S. 789-791.
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