Fünfte Szene

[760] Olivias Garten. Junker Tobias, Junker Christoph und Fabio treten auf.


JUNKER TOBIAS. Komm dieses Wegs, Signor Fabio!

FABIO. Freilich werd' ich kommen. Wenn ich einen Gran von diesem Spaß verlorengehn lasse, so will ich in Melancholie zu Tode gebrüht werden.

JUNKER TOBIAS. Würdest du dich nicht freun, den knauserigen hundsföttischen Spitzbuben in Schimpf und Schande gebracht zu sehen?

FABIO. Ja, Freund, ich würde triumphieren; Ihr wißt, er brachte mich einmal um die Gunst des gnädigen Fräuleins, wegen einer Fuchsprelle.

JUNKER TOBIAS. Ihm zum Ärger soll der Fuchs noch einmal dran; und wir wollen ihn braun und blau prellen. Nicht wahr, Junker Christoph?

JUNKER CHRISTOPH. So wir das nicht täten, möchte sich der Himmel über uns erbarmen.


Maria kommt.


JUNKER TOBIAS. Hier kommt der kleine Schelm. – Nun, wie steht's, mein Goldmädchen?

MARIA. Stellt euch alle drei hinter die Hecke: Malvolio kommt diesen Gang herunter. Er ist seit einer halben Stunde dort[760] in der Sonne gewesen und hat seinem eignen Schatten Künste gelehrt. Gebt acht auf ihn, bei allem, was lustig ist! Denn ich weiß, dieser Brief wird einen nachdenklichen Pinsel aus ihm machen. Still, so lieb euch ein Schwank ist! –


Die Männer verbergen sich.


Lieg' du hier Sie wirft den Brief hin. denn dort kommt die Forelle, die mit Kitzeln gefangen werden muß. Ab.


Malvolio kommt.


MALVOLIO. 's ist nur ein Glück, alles ist Glück. – Maria sagte mir einmal, sie hegte eine Neigung zu mir; und ich habe sie selbst es schon so nahe geben hören: wenn sie sich verlieben sollte, so müßte es jemand von meiner Statur sein. Außerdem begegnet sie mir mit einer ausgezeichneteren Achtung als irgend jemanden in ihrem Dienst. Was soll ich davon denken?

JUNKER TOBIAS. Der eingebildete Schuft!

FABIO. O still! Die Beratschlagung macht einen stattlichen kalekutischen Hahn aus ihm. Wie er sich unter seinen ausgespreizten Federn bläht!

JUNKER CHRISTOPH. Sakrament, ich könnte den Schuft so prügeln!

JUNKER TOBIAS. Still, sag' ich!

MALVOLIO. Graf Malvolio zu sein. –

JUNKER TOBIAS. O du Schuft!

JUNKER CHRISTOPH. Schießt ihn tot! Schießt ihn tot!

JUNKER TOBIAS. Still! Still!

MALVOLIO. Man hat Beispiele: die Oberhofmeisterin hat einen Kammerdiener geheiratet.

JUNKER CHRISTOPH. Pfui, daß dich!

FABIO. O still! Nun steckt er tief drin; seht, wie ihn die Einbildungskraft aufbläst!

MALVOLIO. Bin ich alsdann drei Monate mit ihr vermählt gewesen, und sitze in meinem Prachtsessel –

JUNKER TOBIAS. Eine Windbüchse her, um ihm ins Auge zu schießen!

MALVOLIO. Rufe meine Beamten um mich her, in meinem geblümten[761] Samtrock; komme so eben von einem Ruhebett, wo ich Olivien schlafend gelassen.

JUNKER TOBIAS. Hagel und Wetter!

FABIO. O still! still!

MALVOLIO. Und dann hat man eine vornehme Laune; und nachdem man seine Blicke nachdrücklich umhergehn lassen und ihnen gesagt hat: man kenne seinen Platz, und sie möchten auch den ihrigen kennen, fragt man nach dem Vetter Tobias, –

JUNKER TOBIAS. Höll' und Teufel!

FABIO. O still, still, still! Jetzt, jetzt!

MALVOLIO. Sieben von meinen Leuten springen mit untertäniger Eilfertigkeit nach ihm hinaus: ich runzle die Stirn indessen, ziehe vielleicht meine Uhr auf, oder spiele mit einem kostbaren Ringe. Tobias kommt herein, macht mir da seinen Bückling, –

JUNKER TOBIAS. Soll man dem Kerl das Leben lassen?

FABIO. Schweigt doch, und wenn man Euch auch die Worte mit Pferden aus dem Munde zöge!

MALVOLIO. Ich strecke die Hand so nach ihm aus, indem ich mein vertrauliches Lächeln durch einen strengen Blick des Tadels dämpfe.

JUNKER TOBIAS. Und gibt Euch Tobias dann keinen Schlag aufs Maul?

MALVOLIO. Und sage: Vetter Tobias, da mich mein Schicksal an Eure Nichte gebracht hat, so habe ich das Recht, Euch folgende Vorstellungen zu machen.

JUNKER TOBIAS. Was? was?

MALVOLIO. Ihr müßt den Trunk ablegen.

JUNKER TOBIAS. Fort mit dir, Lump!

FABIO. Geduldet Euch doch, oder wir brechen unserm Anschlage den Hals.

MALVOLIO. Überdies verschwendet Ihr Eure kostbare Zeit mit einem narrenhaften Junker –

JUNKER CHRISTOPH. Das bin ich, verlaßt euch drauf!

MALVOLIO. Einem gewissen Junker Christoph –

JUNKER CHRISTOPH. Ich wußte wohl, daß ich's war, denn sie nennen mich immer einen Narren.[762]

MALVOLIO. Was gibt's hier zu tun?


Er nimmt den Brief auf.


FABIO. Nun ist die Schnepfe dicht am Garn.

JUNKER TOBIAS. O still! und der Geist der Schwänke gebe ihm ein, daß er laut lesen mag.

MALVOLIO. So wahr ich lebe, das ist meines Fräuleins Hand. Dies sind grade ihre C's, ihre U's und ihre T's, und so macht sie ihre großen P's. Es ist ohne alle Frage ihre Hand.

JUNKER CHRISTOPH. Ihre C's, ihre U's und ihre T's? Warum das?

MALVOLIO. »Dem unbekannten Geliebten dies und meine freundlichen Wünsche.« – Das ist ganz ihr Stil. – Mit deiner Erlaubnis, Siegellack! – Sacht! und das Petschaft ist ihre Lukretia, womit sie zu siegeln pflegt: es ist das Fräulein! An wen mag es sein?

FABIO. Das fängt ihn mit Leib und Seele.

MALVOLIO.

»Den Göttern ist's kund,

Ich liebe: doch wen?

Verschleuß dich, o Mund!

Nie darf ich's gestehn.«

»Nie darf ich's gestehn.« – Was folgt weiter? Das Silbenmaß verändert! »Nie darf ich's gestehn.« Wenn du das wärst, Malvolio?

JUNKER TOBIAS. An den Galgen, du Hund!

MALVOLIO.

»Ich kann gebieten, wo ich liebe;

Doch Schweigen, wie Lukretias Stahl,

Durchbohrt mein Herz voll zarter Triebe.

M.O.A.I. ist meine Wahl.«

FABIO. Ein unsinniges Rätsel!

JUNKER TOBIAS. Eine herrliche Dirne, sag' ich!

MALVOLIO. »M.O.A.I. ist meine Wahl.« Zuerst aber – laß sehn – laß sehn – laß sehn!

FABIO. Was sie ihm für ein Tränkchen gebraut hat!

JUNKER TOBIAS. Und wie der Falk darüber herfällt!

MALVOLIO. »Ich kann gebieten, wo ich liebe.« Nun ja, sie kann über mich gebieten; ich diene ihr, sie ist meine Herrschaft. Nun, das leuchtet jedem notdürftig gesunden Menschenverstande ein. – Dies macht gar keine Schwierigkeit; und der Schluß? Was mag wohl diese Anordnung von Buchstaben[763] bedeuten? Wenn ich machen könnte, daß dies auf die eine oder andre Art an mir zuträfe! – Sacht! M.O.A.I.

JUNKER TOBIAS. Oh! Ei! Bring' das doch heraus! Er ist jetzt auf der Fährte.

FABIO. Der Hund schlägt an, als ob er einen Fuchs witterte.

MALVOLIO. M. – Malvolio – M – nun, damit fängt mein Name an.

FABIO. Sagt' ich nicht, er würde es ausfindig machen? Er hat eine treffliche Nase.

MALVOLIO. M. – Aber dann ist keine Übereinstimmung in dem folgenden; es erträgt die nähere Beleuchtung nicht: A sollte folgen, aber O folgt.

FABIO. Und mit O wird's endigen, hoff' ich.

JUNKER TOBIAS. Ja, oder ich will ihn prügeln, bis er O schreit.

MALVOLIO. Und dann kommt I hinterdrein.

FABIO. I daß dich!

MALVOLIO. M.O.A.I. – Diese Anspielung ist nicht so klar wie die vorige. Und doch, wenn man es ein wenig handhaben wollte, so würde sich's nach mir bequemen: denn jeder von diesen Buchstaben ist in meinem Namen. Seht, hier folgt Prosa. – »Wenn dies in deine Hände fällt, erwäge: Mein Gestirn erhebt mich über dich, aber sei nicht bange vor der Hoheit. Einige werden hoch geboren, einige erwerben Hoheit, und einigen wird sie zugeworfen. Dein Schicksal tut dir die Hand auf; ergreife es mit Leib und Seele! Und um dich an das zu gewöhnen, was du Hoffnung hast zu werden, wirf deine demütige Hülle ab und erscheine verwandelt! Sei widerwärtig gegen einen Verwandten, mürrisch mit den Bedienten; laß Staatsgespräche von deinen Lippen schallen; lege dich auf ein Sonderlingsbetragen. Das rät dir die, so für dich seufzt. Erinnre dich, wer deine gelben Strümpfe lobte und dich beständig mit kreuzweise gebundnen Kniegürteln zu sehen wünschte: ich sage, erinnre dich! Nur zu! Dein Glück ist gemacht, wo du es wünschest. Wo nicht, so bleib' nur immer ein Hausverwalter, der Gefährte von Lakaien und nicht wert, Fortunas Hand zu berühren. Leb wohl! Sie, welche die Dienstbarkeit mit dir tauschen möchte, die Glücklich-Unglückselige.«[764]

Das Sonnenlicht ist nicht klarer! Es ist offenbar. Ich will stolz sein; ich will politische Bücher lesen; ich will Junker Tobias ablaufen lassen; ich will mich von gemeinen Bekanntschaften säubern; ich will aufs Haar der rechte Mann sein. Ich habe mich jetzt nicht selbst zum besten, daß ich mich etwa von der Einbildung übermannen ließe. Sie lobte neulich meine gelben Strümpfe, sie rühmte meine Kniegürtel; und hier gibt sie sich meiner Liebe kund, und nötigt mich mit einer feinen Wendung zu diesen Trachten nach ihrem Geschmack. Ich danke meinen Sternen, ich bin glücklich. Ich will fremd tun, stolz sein, gelbe Strümpfe tragen und die Kniegürtel kreuzweise binden, so schnell sie sich nur anlegen lassen. Die Götter und meine Sterne sei'n gepriesen! – Hier ist noch eine Nachschrift: »Du kannst nicht umhin, mich zu erraten. Wenn du meine Liebe begünstigst, so laß es in deinem Lächeln sichtbar werden. Dein Lächeln steht dir wohl, darum lächle stets in meiner Gegenwart, ich bitte dich!« – Götter, ich danke euch! Ich will lächeln, ich will alles tun, was du verlangst. Ab.

FABIO. Ich wollte meinen Anteil an diesem Spaße nicht für den reichsten Jahrgehalt vom großen Mogul hingeben.

JUNKER TOBIAS. Ich könnte die Dirne für diesen Anschlag zur Frau nehmen.

JUNKER CHRISTOPH. Das könnte ich auch.

JUNKER TOBIAS. Und wollte keine andre Aussteuer von ihr verlangen als noch einen solchen Schwank.

JUNKER CHRISTOPH. Ich auch nicht.

Maria kommt.


FABIO. Hier kommt unsre herrliche Vogelstellerin.

JUNKER TOBIAS. Willst du deinen Fuß auf meinen Nacken setzen?

JUNKER CHRISTOPH. Oder auch auf meinen?

JUNKER TOBIAS. Soll ich meine Freiheit beim Damenspiel gegen dich setzen und dein Sklave werden?

JUNKER CHRISTOPH. Ja wahrhaftig, soll ich's auch?

JUNKER TOBIAS. Du hast ihn in solch einen Traum gewiegt, daß er toll werden muß, wenn ihn die Einbildung wieder verläßt.[765]

MARIA. Nein, sagt mir im Ernst, wirkt es auf ihn?

JUNKER TOBIAS. Wie Branntewein auf eine alte Frau.

MARIA. Wenn ihr denn die Frucht von unserm Spaß sehn wollt, so gebt acht auf seine erste Erscheinung bei dem gnädigen Fräulein: Er wird in gelben Strümpfen zu ihr kommen, und das ist eine Farbe, die sie haßt; die Kniegürtel kreuzweise gebunden, eine Tracht, die sie nicht ausstehn kann; und er wird sie anlächeln, was mit ihrer Gemütsverfassung so schlecht übereinstimmt, da sie sich der Melancholie ergeben hat, daß es ihn ganz bei ihr heruntersetzen muß. Wenn ihr es sehn wollt, so folgt mir!

JUNKER TOBIAS. Bis zu den Pforten der Hölle, du unvergleichlicher Witzteufel.

JUNKER CHRISTOPH. Ich bin auch dabei.


Alle ab.[766]


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 1, Berlin: Aufbau, 1975, S. 760-767.
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