Fünfte Szene

[667] Ein andrer Teil des Waldes.


Amiens, Jaques und andre.


Lied

AMIENS.

Unter des Laubdachs Hut

Wer gerne mit mir ruht,

Und stimmt der Kehle Klang

Zu lust'ger Vögel Sang:

Komm geschwinde! geschwinde! geschwinde!

Hier nagt und sticht

Kein Feind ihn nicht,

Als Wetter, Regen und Winde.

JAQUES. Mehr, mehr, ich bitte dich, mehr!

AMIENS. Es würde Euch melancholisch machen, Monsieur Jaques.

JAQUES. Das dank' ich ihm. Mehr, ich bitte dich, mehr! Ich kann Melancholie aus einem Liede saugen, wie ein Wiesel Eier saugt. Mehr! mehr! ich bitte dich.

AMIENS. Meine Stimme ist rauh; ich weiß, ich kann Euch nicht damit gefallen.

JAQUES. Ich verlange nicht, daß Ihr mir gefallen sollt; ich verlange, daß Ihr singt. Kommt, noch eine Strophe! Nennt Ihr's nicht Strophen?

AMIENS. Wie es Euch beliebt, Monsieur Jaques.

JAQUES. Ich kümmre mich nicht um ihren Namen: sie sind mir nichts schuldig. Wollt Ihr singen?

AMIENS. Mehr auf Euer Verlangen, als mir zu Gefallen.

JAQUES. Gut, wenn ich mich jemals bei einem Menschen bedanke, so will ich's bei Euch; aber was sie Komplimente[667] nennen, ist, als wenn sich zwei Maulaffen begegnen. Und wenn sich jemand herzlich bei mir bedankt, so ist mir, als hätte ich ihm einen Pfennig gegeben, und er sagte Gotteslohn dafür. Kommt, singt, und wer nicht mag, halte sein Maul!

AMIENS. Gut, ich will das Lied zu Ende bringen. – Ihr Herren, deckt indes die Tafel: der Herzog will unter diesem Baum trinken, – er ist den ganzen Tag nach Euch aus gewesen.

JAQUES. Und ich bin ihm den ganzen Tag aus dem Wege gegangen. Er ist ein zu großer Disputierer für mich. Es gehn mir so viele Gedanken durch den Kopf als ihm, aber ich danke dem Himmel, und mache kein Wesens davon. Kommt, trillert eins her!


Lied

ALLE ZUSAMMEN.

Wer Ehrgeiz sich hält fern,

Lebt in der Sonne gern,

Selbst sucht, was ihn ernährt,

Und was er kriegt, verzehrt:

Komm geschwinde! geschwinde! geschwinde!

Hier nagt und sticht

Kein Feind ihn nicht,

Als Wetter, Regen und Winde.

JAQUES. Ich will Euch einen Vers zu dieser Weise sagen, den ich gestern meiner Dichtungsgabe zum Trotz gemacht habe.

AMIENS. Und ich will ihn singen.

JAQUES. So lautet er:

Besteht ein dummer Tropf

Auf seinem Eselskopf,

Läßt seine Füll' und Ruh',

Und läuft der Wildnis zu:

Duc ad me! duc ad me! duc ad me!

Hier sieht er mehr

So Narr'n wie er,

Wenn er zu mir will kommen her.

AMIENS. Was heißt das: duc ad me?

JAQUES. Es ist eine griechische Beschwörung, um Narren in einen Kreis zu bannen. Ich will gehn und schlafen, wenn ich[668] kann; kann ich nicht, so will ich auf alle Erstgeburt in Ägypten lästern.

AMIENS. Und ich will den Herzog aufsuchen: sein Mahl ist bereitet.


Von verschiednen Seiten ab.


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 1, Berlin: Aufbau, 1975, S. 667-669.
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