Vierte Szene

[664] Der Wald.


Rosalinde als Knabe, Celia wie eine Schäferin gekleidet, und Probstein treten auf.


ROSALINDE. O Jupiter! wie matt sind meine Lebensgeister!

PROBSTEIN. Ich frage nicht nach meinen Lebensgeistern, wenn nur meine Beine nicht matt wären.

ROSALINDE. Ich wäre imstande, meinen Mannskleidern eine Schande anzutun, und wie ein Weib zu weinen. Aber ich muß das schwächere Gefäß unterstützen, denn Wams und Hosen müssen sich gegen den Unterrock herzhaft beweisen. Also Herz gefaßt, liebe Aliena!

CELIA. Ich bitte dich, ertrage mich, ich kann nicht weiter.

PROBSTEIN. Ich für mein Teil wollte Euch lieber ertragen als tragen. Und doch trüge ich kein Kreuz, wenn ich Euch trüge: denn ich bilde mir ein, Ihr habt keinen Kreuzer in Eurem Beutel.

ROSALINDE. Gut, dies ist der Ardenner Wald.

PROBSTEIN. Ja, nun bin ich in den Ardennen, ich Narr; da ich zu Hause war, war ich an einem bessern Ort, aber Reisende müssen sich schon begnügen.

ROSALINDE. Ja, tut das, guter Probstein! – Seht, wer kommt da? Ein junger Mann und ein alter in tiefem Gespräch.


Corinnus und Silvius treten auf.


CORINNUS.

Dies ist der Weg, daß sie dich stets verschmäht.

SILVIUS.

O wüßtest du, Corinnus, wie ich liebe!

CORINNUS.

Zum Teil errat' ich's, denn einst liebt' ich auch.

SILVIUS.

Nein, Freund, alt wie du bist, errätst du's nicht,

Warst du auch jung ein so getreuer Schäfer,[664]

Als je aufs mitternächt'ge Kissen seufzte.

Allein, wenn deine Liebe meiner glich –

Zwar glaub' ich, keiner liebte jemals so –,

Zu wie viel höchlich ungereimten Dingen

Hat deine Leidenschaft dich hingerissen?

CORINNUS.

Zu tausenden, die ich vergessen habe.

SILVIUS.

Oh, dann hast du so herzlich nie geliebt!

Entsinnst du dich der kleinsten Torheit nicht,

In welche dich die Liebe je gestürzt,

So hast du nicht geliebt;

Und hast du nicht gesessen, wie ich jetzt,

Den Hörer mit der Liebsten Preis ermüdend,

So hast du nicht geliebt;

Und brachst du nicht von der Gesellschaft los,

Mit eins, wie jetzt die Leidenschaft mich heißt,

So hast du nicht geliebt. – O Phöbe! Phöbe! Phöbe!


Ab.


ROSALINDE.

Ach, armer Schäfer! deine Wunde suchend,

Hab' ich durch schlimmes Glück die meine funden.

PROBSTEIN. Und ich meine. Ich erinnre mich, da ich verliebt war, daß ich meinen Degen an einen Stein zerstieß, und hieß ihn das dafür hinnehmen, daß er sich unterstände, nachts zu Hannchen Freundlich zu kommen; und ich erinnre mich, wie ich ihr Waschholz küßte, und die Euter der Kuh, die ihre artigen Patschhändchen gemolken hatten. Ich erinnre mich, wie ich mit einer Erbsenschote schön tat, als wenn sie es wäre, und ich nahm zwei Erbsen, gab sie ihr wieder und sagte mit weinenden Tränen: »Trage sie um meinetwillen!« Wir treuen Liebenden kommen oft auf seltsame Sprünge: wie alles von Natur sterblich ist, so sind alle sterblich Verliebten von Natur Narren.

ROSALINDE. Du sprichst klüger, als du selber gewahr wirst.

PROBSTEIN. Nein, ich werde meinen eignen Witz nicht eher gewahr werden, als bis ich mir die Schienbeine daran zerstoße.

ROSALINDE.

O Jupiter! o Jupiter!

Dieses Schäfers Leidenschaft

Ist ganz nach meiner Eigenschaft.

PROBSTEIN. Nach meiner auch, aber sie versauert ein wenig bei mir.[665]

CELIA.

Ich bitte euch, frag' einer jenen Mann,

Ob er für Gold uns etwas Speise gibt.

Ich schmachte fast zu Tode.

PROBSTEIN.

Heda, Tölpel!

ROSALINDE.

Still, Narr! Er ist dein Vetter nicht.

CORINNUS.

Wer ruft?

PROBSTEIN.

Vornehmere als Ihr.

CORINNUS.

Sonst wären sie auch wahrlich sehr gering.

ROSALINDE.

Still, sag' ich Euch! – Habt guten Abend, Freund!

CORINNUS.

Ihr gleichfalls, feiner Herr, und allesamt!

ROSALINDE.

Hör', Schäfer, können Geld und gute Worte

In dieser Wildnis uns Bewirtung schaffen,

So zeigt uns, wo wir ruhn und essen können.

Dies junge Mädchen ist vom Reisen matt

Und schmachtet nach Erquickung.

CORINNUS.

Lieber Herr,

Sie tut mir leid, und ihretwillen mehr

Als meinetwillen wünscht' ich, daß mein Glück

Instand mich besser setzt', ihr beizustehn.

Doch ich bin Schäfer eines andern Manns

Und schere nicht die Wolle, die ich weide.

Von filziger Gemütsart ist mein Herr

Und fragt nicht viel danach, den Weg zum Himmel

Durch Werke der Gastfreundlichkeit zu finden.

Auch stehn ihm Hütt' und Herd' und seine Weiden

Jetzt zum Verkauf; und auf der Schäferei

Ist, weil er nicht zu Haus, kein Vorrat da,

Wovon ihr speisen könnt: doch kommt und seht!

Von mir euch alles gern zu Dienste steht.

ROSALINDE.

Wer ist's, der seine Herd' und Wiesen kauft?

CORINNUS.

Der junge Schäfer, den ihr erst gesehn,

Den es nicht kümmert, irgend was zu kaufen.

ROSALINDE.

Ich bitte dich, besteht's mit Redlichkeit,

Kauf' du die Meierei, die Herd' und Weiden:

Wir geben dir das Geld, es zu bezahlen.

CELIA.

Und höhern Lohn; ich liebe diesen Ort,

Und brächte willig meine Zeit hier zu.

CORINNUS.

So viel ist sicher, dies ist zu Verkauf.[666]

Geht mit! Gefällt euch auf Erkundigung

Der Boden, der Ertrag und dieses Leben,

So will ich euer treuer Pfleger sein

Und kauf' es gleich mit eurem Golde ein.


Alle ab.


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 1, Berlin: Aufbau, 1975, S. 664-667.
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