Erste Szene

[781] Cäsars Lager vor Alexandrien.


Es treten auf Cäsar, Agrippa, Dolabella, Mäcenas, Gallus, Proculejus und andre.


CÄSAR.

Geh, Dolabella, heiß' ihn, sich ergeben:

Da es so ganz umsonst, sag ihm, er spott

Der Zög'rung, die er macht.

DOLABELLA.

Ich gehe, Cäsar.


Ab.


Dercetas kommt mit dem Schwert des Antonius.


CÄSAR.

Was soll uns das? Und wer bist du, der wagt,

Uns so zu nahn?

DERCETAS.

Dercetas heiß' ich, Herr;

Ich diente Marc Anton, dem Besten, wert

Des besten Diensts; solang' er stand und sprach,

War er mein Herr: mein Leben trug ich nur,

An seine Hasser es zu wagen. Willst du

Mich zu dir nehmen? Was ich ihm gewesen,

Will ich dem Cäsar sein. Gefällt dir's nicht,

So nimm mein Leben hin!

CÄSAR.

Was sagst du mir?

DERCETAS.

Ich sag', o Cäsar, Marc Anton ist tot.

CÄSAR.

Daß nicht den Einsturz solcher Macht verkündet

Ein stärkres Krachen! Soll der Welt Erschütt'rung

Nicht Löwen in der Städte Gassen treiben

Und Bürger in die Wüste? Antonius' Tod

Ist nicht ein einzeln Sterben: denn so hieß

Die halbe Welt.[781]

DERCETAS.

Er ist gestorben, Cäsar.

Kein Henker des Gerichts auf offnem Markt,

Kein mordgedungner Stahl, nein, jene Hand,

Die seinen Ruhm in Taten niederschrieb,

Hat mit dem Mut, den ihr das Herz geliehn,

Sein Herz durchbohrt. Dies ist sein Schwert,

Ich raubt' es seiner Wund'; es ist gefärbt

Mit seinem reinsten Blut.

CÄSAR.

Ihr trauert, Freunde?

So strafe Zeus mich! Dies ist eine Botschaft,

Ein Königsaug' zu feuchten!

AGRIPPA.

Seltsam ist's,

Daß uns Natur das zu beweinen zwingt,

Was wir erstrebt mit Eifer!

MÄCENAS.

Ruhm und Unwert

Wog gleich in ihm.

AGRIPPA.

Nie lenkt' ein höh'rer Geist

Ein menschlich Wesen; doch ihr Götter leiht

Uns Fehler, daß wir Menschen sei'n. – Weint Cäsar?

MÄCENAS.

Wird ihm solch mächt'ger Spiegel vorgehalten,

Muß er sich selber schaun.

CÄSAR.

O Marc Anton! –

Bis dahin bracht' ich dich! Doch nähren wir

Den Todeskeim in unsrer Brust: gezwungen mußt' ich

Dir solchen trüben Tag des Falls bereiten,

Wenn du nicht mir: Raum war nicht für uns beide

In ganzer weiter Welt. Und doch beklag' ich's nun,

Mit Tränen, kostbar wie des Herzens Blut,

Daß du, mein Bruder, du, mein Mitbewerber

Zum Gipfel jedes Ruhms, mein Reichsgenoß,

Freund und Gefährt' im wilden Sturm der Schlacht,

Arm meines Leibes, Herz, an dem das meine

Sich Glut entzündete, – daß unsre Sterne,

Nie zu versöhnen, so zerreißen mußten

Die vor'ge Einheit. Hört mich, werte Freunde, –

– Doch sag' ich's lieber euch zu beßrer Zeit!


Ein Bote kommt.[782]


Des Mannes Botschaft kündet schon sein Blick!

Laßt uns ihn hören! Woher bist du?

BOTE.

Nur

Ein armer Ägypter. Meine Königin,

In ihrem Grabmal (ihrer Habe Rest)

Verschlossen, wünscht zu wissen deine Absicht;

Daß sie sich fassen mög' und vorbereiten

Auf ihre Zukunft.

CÄSAR.

Sprich ihr Mut und Trost:

Bald meldet einer ihr der Meinigen,

Welch ehrenvoll und mildes Los wir schon

Für sie bestimmt: denn Cäsar kann nicht leben

Und hart gesinnt sein.

BOTE.

Schütze dich der Himmel!


Ab.


CÄSAR.

Komm hieher, Proculejus; geh', verkünd' ihr,

Ich sei nicht willens, sie zu kränken. Gib ihr

Trost, wie's der Umfang ihres Wehs erheischt.

Daß sie großherzig nicht durch eignen Tod

Uns überwinde. Sie, nach Rom geführt,

Würd' unsern Siegstriumph verew'gen. Geh,

Und auf das schnellste bring' mir, was sie sagt,

Und wie du sie gefunden!

PROCULEJUS.

Ich eile, Cäsar.


Ab.


CÄSAR.

Gallus, begleit' ihn! Wo ist Dolabella,

Zu helfen Proculejus? –


Gallus geht ab.


AGRIPPA UND MÄCENAS.

Dolabella!

CÄSAR.

Laßt ihn; denn eben jetzt besinn' ich mich,

Wozu ich ihn gebraucht. Er muß bald hier sein. –

Kommt mit mir in mein Zelt; da sollt ihr hören,

Wie schwer ich mich für diesen Krieg entschied,

Wie mild und ruhig ich mich stets geäußert

In allen Briefen. Folgt mir, und erfahrt,

Was mich euch mitzuteilen drängt!


Alle ab.[783]


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 4, Berlin: Aufbau, 1975, S. 781-784.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Antonius und Cleopatra
Antonius und Cleopatra.
Antony and Cleopatra/ Antonius und Cleopatra [Zweisprachig]
Antonius und Cleopatra (Theatralische Werke in 21 Einzelbänden, Bd.10)
Julius Cäsar /Antonius und Cleopatra /Coriolanus
Antony and Cleopatra / Antonius und Kleopatra: Englisch-deutsche Studienausgabe (Engl. / Dt.) Englischer Originaltext und deutsche Prosaübersetzung

Buchempfehlung

Ebner-Eschenbach, Marie von

Unsühnbar

Unsühnbar

Der 1890 erschienene Roman erzählt die Geschichte der Maria Wolfsberg, deren Vater sie nötigt, einen anderen Mann als den, den sie liebt, zu heiraten. Liebe, Schuld und Wahrheit in Wien gegen Ende des 19. Jahrhunderts.

140 Seiten, 7.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Spätromantik

Große Erzählungen der Spätromantik

Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.

430 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon