Siebente Szene

[679] Ein anderer Teil des Schlachtfeldes.


Macbeth tritt auf.


MACBETH.

Sie banden mich an den Pfahl; fliehn kann ich nicht.

Muß, wie der Bär, der Hatz entgegen kämpfen:

Wo ist er, der nicht ward vom Weib geboren?

Den fürcht' ich, keinen sonst.


Der junge Siward kommt.


DER JUNGE SIWARD.

Wie ist dein Name?

MACBETH.

Du wirst erschrecken, ihn zu hören!

DER JUNGE SIWARD.

Nein.

Nennst du dich auch mit einem grimmren Namen

Als einer in der Höll'.

MACBETH.

Mein Nam' ist Macbeth.

DER JUNGE SIWARD.

Der Teufel selber könnte nichts verkünden,

Verhaßter meinem Ohr.

MACBETH.

Und nichts so furchtbar.

DER JUNGE SIWARD.

Abscheulicher Tyrann, du lügst! das soll

Mein Schwert dir zeigen.


Gefecht, der junge Siward fällt.


MACBETH.

Wardst vom Weib geboren. –

Der Schwerter lach' ich, spotte der Gefahr,

Womit ein Mann dräut, den ein Weib gebar.


Er geht ab.


Getümmel. Macduff kommt.[679]


MACDUFF.

Dort ist der Lärm: – Zeig' dein Gesicht, Tyrann!

Fällst du, und nicht von meinem Schwert, so werden

Mich meines Weibs, der Kinder Geister quälen;

Ich kann auf armes Kernenvolk nicht schlagen,

Die in gedungner Hand die Lanze führen.

Nur du, Macbeth, – wo nicht, kehrt schartenlos

Und ohne Tat mein Schwert zurück zur Scheide.

Dort mußt du sein; dies mächt'ge Tosen kündet,

Daß dort vom ersten Range einer kämpft.

O Glück! eins bitt' ich nur: laß mich ihn finden!

Er geht ab.


Getümmel. Malcolm und Siward kommen.


SIWARD.

Hieher, mein Prinz! – Das Schloß ergab sich willig.

Auf beiden Seiten kämpft des Wüt'richs Volk;

Die edlen Thans tun wackre Kriegesdienste;

Der Tag hat sich fast schon für Euch entschieden,

Nur wenig ist zu tun.

MALCOLM.

Wir trafen Feinde,

Die uns vorbei haun.

SIWARD.

Kommt, Prinz, in die Festung!


Sie gehen ab.


Getümmel. Macbeth kommt.


MACBETH.

Weshalb sollt' ich den röm'schen Narren spielen,

Sterbend durchs eigene Schwert? Solange Leben

Noch vor mir sind, stehn denen Wunden besser.


Macduff kommt zurück.


MACDUFF.

Zu mir, du Höllenhund, zu mir!

MACBETH.

Von allen Menschen mied ich dich allein:

Du, mach' dich nur zurück, mit Blut der Deinen

Ist meine Seele schon zu sehr beladen.

MACDUFF.

Ich habe keine Worte, meine Stimme

Ist nur in meinem Schwert. Du Schurke, blut'ger,

Als Sprache Worte hat!


Sie fechten.


MACBETH.

Verlorne Müh'!

So leicht magst du die unteilbare Luft[680]

Mit scharfem Schwert durchhaun, als mich verletzen:

Auf Schädel, die verwundbar, schwing' den Stahl;

Mein Leben ist gefeit, kann nicht erliegen

Einem vom Weib Gebornen.

MACDUFF.

So verzweifle

An deiner Kunst; und sage dir der Engel,

Dem du von je gedient, daß vor der Zeit

Macduff geschnitten ward aus Mutterleib!

MACBETH.

Verflucht die Zunge, die mir dies verkündet,

Denn meine beste Mannheit schlägt sie nieder!

Und keiner trau' dem Gaukelspiel der Hölle,

Die uns mit doppelsinn'ger Rede äfft,

Die Wort nur hält dem Ohr mit Glücksverheißung

Und es der Wahrheit bricht! – Mit dir nicht kämpf' ich.

MACDUFF.

Nun, so ergib dich, Memme!

Und leb' als Wunderschauspiel für die Welt!

Wir wollen dich als seltnes Ungeheuer

Im Bild auf Stangen führen, mit der Schrift:

»Hier zeigt man den Tyrannen.«

MACBETH.

Ich will mich nicht ergeben, um zu küssen;

Den Boden vor des Knaben Malcolm Fuß,

Gehetzt zu werden von des Pöbels Flüchen.

Ob Birnams Wald auch kam nach Dunsinan,

Ob meinen Gegner auch kein Weib gebar,

Doch wag' ich noch das Letzte: Vor die Brust

Werf' ich den mächt'gen Schild: Nun magst dich wahren,

Wer »Halt!« zuerst ruft, soll zur Hölle fahren!


Sie gehen kämpfend ab.


Rückzug. Trompeten. Es treten auf mit Trommeln und Fahnen Malcolm, Siward, Rosse, Lenox, Angus, Cathness, Menteth.


MALCOLM.

Oh, wären lebend die vermißten Freunde!

SIWARD.

Mancher muß drauf gehn; doch, so viel ich sehe,

Ist dieser große Tag wohlfeil erkauft.

MALCOLM.

Vermißt wird Macduff und Eu'r edler Sohn.

ROSSE.

Eu'r Sohn, Mylord, hat Kriegerschuld gezahlt:

Er lebte nur, bis er ein Mann geworden;

In seiner Kühnheit war dies kaum bewährt[681]

Durch unverzagten Kampf in blut'ger Schlacht,

Als er starb wie ein Mann.

SIWARD.

So ist er tot?

ROSSE.

Ja, und getragen aus dem Feld. Eu'r Schmerz

Muß nicht nach seinem Wert gemessen werden,

Sonst wär' er endlos.

SIWARD.

Hat er vorn die Wunden?

ROSSE.

Ja, auf der Stirn.

SIWARD.

Wohl: sei er Gottes Kriegsmann!

Hätt' ich so viele Söhn', als Haar' ich habe,

Ich wünschte keinem einen schönern Tod:

Das ist sein Grabgeläut'.

MALCOLM.

Mehr Leid verdient er,

Und das vergelt' ich ihm.

SIWARD.

Mehr tun ist Schwäche.

Er schied geehrt und zahlte seine Zeche;

So, Gott sei mit ihm! – Seht, den neusten Trost!


Macduff kommt mit Macbeths Kopf.


MACDUFF.

Heil, König! denn das bist du. Schau', hier steht

Des Usurpators Haupt: die Zeit ist frei.

Ich seh' umringt dich von des Reiches Perlen,

Die meinen Gruß im Herzen mit mir sprechen,

Und deren lautes Wort ich jetzt erheische:

Dem König Schottlands Heil!

ALLE.

Heil, Schottlands König!


Trompetenstoß.


MALCOLM.

Wir wollen nicht vergeblich Zeit verschwenden,

Mit eurer Liebe einzeln abzurechnen

Und quitt mit euch zu werden. Thans und Vettern.

Hinfort seid Grafen, die zuerst in Schottland

Mit dieser Ehre prangen. Was zu tun noch,

Was nun gepflanzt muß werden mit der Zeit:

– Als Rückberufung der verbannten Freunde,

Die des Tyrannen list'ger Schling' entflohn;

Einziehn der blut'gen Schergen dieses toten

Bluthunds und seiner höll'schen Königin,[682]

Die, wie man glaubt, gewaltsam selbst ihr Leben

Geendet, – alles, was uns sonst noch obliegt,

Das, mit der ew'gen Gnade Gnadenhort,

Vollenden wir nach Maß und Zeit und Ort.

Euch allen werd' und jedem Dank und Lohn,

Und jetzt zur Krönung lad' ich euch nach Scone.


Trompeten. Alle ab.[683]

Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 4, Berlin: Aufbau, 1975.
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