[74] Wald. Im Hintergrund eine Höhle. – Prometheus. Asia. Panthea, Jone und der Geist der Erde.
JONE.
Er ist nicht irdisch, Schwester! – Sieh' nur, wie
Er unter'm Laub hingleitet, wie zu Häupten
Ihm flammt ein Licht, gleich einem grünen Stern,
Deß funkelnder, smaragd'ner Strahlenkranz
Verflochten scheint mit seinem schönen Haar,[74]
Wie, wenn er sich bewegt das helle Feuer
In Flocken niederfällt hier auf das Gras!
O kennst du ihn?
PANTHEA.
Es ist der zarte Geist,
Der da die Erde durch den Himmel lenkt.
Von ferne nennen der Gestirne Völker
Dies Licht den allerlieblichsten Planeten.
Zuweilen schwebt er über'm Wellenschaum
Des salz'gen Meeres, oder wählt zum Wagen
Sich eine Nebelwolke, oder wandelt hin
Durch Felder und durch Städte, wenn die Menschen
Im Schlafe liegen, oder schwebt auf Gipfel
Der Berge, oder Flüsse niederwärts,
Oft auch durch grüne Wildniß, sowie jetzt
Und Alles, was er sieht, bewundert er.
Eh' Zeus regierte, liebte jener Geist
Einst uns're Schwester Asia und kam
In jeder Mußestunde zu ihr hin,
Das klare Licht aus ihrem Aug' zu trinken,
Nach dem ihn, wie er sagte, dürstete,
Gleich Einem, der vom Natternbiß verwundet;
Und ihr bewies er kindliches Vertrauen
Und theilt' ihr Alles mit, was er gesehn,
Denn er sah viel, – doch schwatzt' er kindisch drüber –
Und nannte sie – woher er stammt, er wußte
Es nicht, noch weiß es ich – allein er nannte
Sie Mutter, theure Mutter!
ERDGEIST auf Asia zustürzend.
Mutter! theure Mutter!
So darf ich denn mit dir nun wieder plaudern,
Wie ich's gewohnt war? Darf ich meine Augen
In deinen weichen Armen wieder bergen,
Wenn sie dein Blick vor Freuden müd' gemacht?
Darf ich denn spielen wieder dir zur Seite
Die lange Mittagszeit, wenn's nichts zu thun
Gibt in der klaren, stillverschwieg'nen Luft?[75]
ASIA.
Ich liebe dich, du holdestes der Wesen
Und darf hinfort dich unbeirrt liebkosen.
Sprich immerhin! dein kindliches Geplauder,
Das einst mein Trost war, soll mich nun erquicken.
GEIST DER ERDE.
O Mutter, ich bin weiser worden, sieh',
An diesem einen Tag – (kann auch ein Kind
Nicht weise sein gleich dir) – und glücklicher
Zugleich, ja beides: Glücklicher und weiser!
Du weißt, daß Kröten, Schlangen, ekle Würmer,
Boshaftes, giftiges Gethier und Sträucher,
Die gift'ge Beeren trugen in den Wäldern,
Mein Wandeln auf der grünen Welt gestört
Und daß es mir das Herz zusammenschnürte,
Begegnet' ich im tollen Menschentreiben
Den Männern oft mit harten Zügen, oder
Mit zorn'gen Augen, die voll Hochmuth blicken,
Mit steifem Gang, mit falschem hohlen Lächeln,
Mit stumpfem Grinsen stolzer Ignoranz
Und jenen faulen Masken all', mit welchen
Die tückischen Gedanken birgt das Wesen,
Das schöne, von uns Geistern Mensch genannt.
Und Frauen auch, das Häßlichste von Allem –
(Obgleich sie schön sind, selbst in einer Welt
In der du glänzest, wenn sie hold und gut
Und treu und wahr sind, wie du selbst) –
Das Häßlichste, wenn falsch sie oder zornig,
Sie machten mir das Herz im Leibe krank,
Zog ich an ihnen nur vorbei, wiewohl
Im Schlaf sie lagen und mich selbst nicht sah'n.
So höre denn: Mich führte jüngst mein Pfad
Durch eine große Stadt zu jenen Hügeln,
Die sie mit einem Wälderkranz umgeben.
Am Thor war eine Wache eingeschlafen.
Da plötzlich hört' man einen lauten Ton,
Die Thürme rüttelnd, die ins Mondlicht ragten
Und süßer doch, als irgend eine Stimme,[76]
Nur deine nicht, die süßer ist als alle, –
Ein langer Ton, als wollt' er nimmer enden!
Und alle die Bewohner sprangen plötzlich
Von ihrem Lager, stürzten auf die Straßen
Und sah'n verwundert nach dem Himmel auf,
Dieweil noch immer die Musik erscholl.
Ich aber schlüpft' in einen Brunnen schnell
Auf öffentlichem Markt, in dem ich lag,
Dem Widerschein des Mondes gleich, der sich
In Wellen spiegelt unter grünem Laub.
Und bald nun zogen jene häßlichen
Gestalten und Gesichte mir vorbei,
Die, wie gesagt, mir so viel Pein gemacht.
Sie schwebten durch die Lüfte und verwehten
In allen Winden, die sie rings zerstreut.
Und die, von denen sie genommen worden,
Erschienen nun als liebliche Gestalten, –
Die häßliche Verlarvung war gefallen,
Und Alle waren irgendwie verwandelt.
Nach kurzer Ueberraschung dann und froh
Erstauntem Grüßen kehrten Alle wieder
Zum Schlafe heim und als der Tag erwachte, –
O dächtest du, daß Kröte, Schlang' und Eidechs'
Je schön sein könnten? Und doch waren sie's,
Und zwar mit nur geringer Aenderung
An Farbe und Gestalt. Sie hatten Alle
Nur abgestreift die schlechtere Natur!
Wie freut' ich mich, als über einem Teich,
Auf einem Zweig, von Gaisblatt überrankt,
Ich zwei azurene Eisvögel sah,
Wie mit den flinken, langen Schnäbeln sie
Herniederlangten um ein glänzend Büschel
Von Vogelbeeren, während in der Tiefe
Sich ihre holden Formen spiegelten,
Als wie in einem Himmel. – Also voll
Noch die Gedanken von solch' glücklichen
Veränderungen – find' ich dich nun hier,
Von allen Aenderungen dies die beste![77]
ASIA.
Und nimmer wollen wir uns trennen mehr,
Eh' deine keusche Schwester, die den Mond,
Den frost'gen unbeständigen, geleitet,
So lange in dein wärm'res Licht geblickt,
Bis wie die Flocken Schneees im April
Ihr Herz aufthaut und sie dich liebt!
ERDGEIST.
Ei wie?
Sowie die Asia den Prometheus liebt?
ASIA.
Still, Herzensjunge! Bist nicht alt genug!
Du glaubst, wenn ihr euch in die Augen blickt,
Vervielfacht sich schon euer holdes Selbst
Und wird die dunkle Nacht zur Neumondszeit
Mit rothen Feuerkugeln ganz erfüllt?
ERDGEIST.
Nein, Mutter! Doch es wäre allzu hart,
Müßt' ich im Finstern wandeln, während dort
Ihr Licht entzündet meine Schwester.
ASIA.
Sieh'!
Der Geist der Stunde erscheint.
PROMETHEUS.
Wir fühlen wohl, was du gehört, gesehn,
Doch sprich!
GEIST.
Bald als der Ton verklungen war,
Deß Donner alle Tiefen rings erfüllt
Des Himmels und der weiten Erde, seht,
Da trat urplötzlich eine Wandlung ein:
Der dünne Aether und das Sonnenlicht,
Das allumstrahlende, sie wurden da
Verwandelt, als ob das Gefühl der Liebe,
In ihnen aufgelöst, sich mälig um[78]
Die runde Welt geschmiegt. Und mein Gesicht
Ward klarer, und ich durfte blicken tief
In die Geheimnisse des Universums.
Im Freudentaumel schwebt' ich da hernieder,
Die klare Luft mit wollustmatten Flügeln
Durchfächelnd, während meine Renner nun
Die Sonne suchten – ihre Heimat – auf.
Sie werden dort, nun aller Arbeit ledig,
Nur weiden unter feurighellen Blumen,
Dieweil mein mondengleicher Wagen steht
In einem Tempel unter Marmorbildern,
Wie von der Hand des Phidias geformt,
Von dir und Asia und der Erd' und mir
Und auch von euch, ihr schönen Nymphen dort,
Die Lieb' im Aug', die uns're Herzen füllt.
So soll er stehn zum ewigen Gedächtniß
Der frohen Botschaft, die er einst gebracht,
Von einer hohen Kuppel überwölbt,
Die, mit erhab'nen Blumen reich geziert,
Getragen von zwölf schlanken Säulen wird
Aus glänzendem Gestein, durch die hindurch
Des Himmels ewig heit're Decke schimmert.
Und vor dem Wagen, in das Joch gespannt,
Das eine Ringelnatter formt, seht ihr
Das Abbild meiner Flügelrosse auch,
Als wären sie im schnellen Lauf begriffen,
Von dem sie rasten jetzt. – Doch ach, wo schwärmt
Da meine eitle Zunge hin und läßt
Doch unerzählt, was ihr ja hören wollt!?
Nun, wie gesagt: Zur Erde schwebt' ich nieder!
Es war, wie jetzt noch, eine wonn'ge Qual
Zu regen sich, zu athmen und zu sein. –
Als zwischen menschlichen Behausungen
Ich also strich, war ich zuerst enttäuscht,
Denn solchen mächt'gen Wechsel sah ich nicht
In Außendingen ausgedrückt, wie ich
Tief innen ihn gefühlt. Doch balde sah
Ich näher zu, und königlose Throne
Ward ich alsbald gewahr und daß die Menschen
Nun friedlich Einer mit dem Andern gingen[79]
Sowie 's die Geister thun. Und Keiner kroch
Und Keiner trat den Andern; weder Haß,
Noch Furcht, noch Stolz, noch eitel Eigensucht,
Noch Selbstverachtung standen mehr geschrieben
Auf Menschenstirnen, sowie über'm Thor
Der Hölle steht in Flammenschrift zu lesen:
»Der du hier eintrittst, laß die Hoffnung fahren!«
Und Keiner zürnte, Keiner bebte, Keiner
In banger Furcht erhob nach eines Andern
Gebieterischem Aug' den scheuen Blick,
Um erst der Sklave der Despotenlaune
Und dann, was schlimmer noch, des eig'nen Willens
Zu sein, der ihn, ein müdgehetztes Roß,
Zu Tode spornt. Kein Einziger verzog
Zu heuchlerischer Miene seine Lippen
Die Lüge lächelnd, welche seine Zunge
Verschmäht zu sprechen. Keiner, frechen Hohns
Zertrat die Funken in dem eig'nen Herzen
Von Lieb' und Hoffnung, bis nur bitt're Asche
Zurückgeblieben als der Seele Rest,
Die selber sich verzehrt und elend dann
Als ein Vampyr sich unter Menschen schlich,
Bis daß der Pesthauch ihres eig'nen Uebels
Die Andern angesteckt. Ach! Keiner sprach
Die hohle, kalte und gemeine Sprache,
Die unser Herz verleugnen läßt das »Ja«,
Das uns're heuchlerische Lippe spricht
Mit jener Falschheit, welche, And're täuschend,
Uns endlich zwingt, uns selber mißzutrau'n.
Auch schöne Frauen wallten, rein und gut,
Sowie der freie Himmel, der herab
Auf uns're Erde streuet Licht und Thau,
Gestalten, hold und glänzend, die noch nicht
Berührt der Mode widerliche Schminke –
Und Weisheit sprach ihr Mund, die sie zuvor
Zu denken nicht vermocht und es verriethen
Gefühle ihre Blicke, die vorher
Sie zu empfinden bangten. Ja, verwandelt
Erschienen sie zu Allem, was sie nimmer
Vorher gewagt zu sein und machten also[80]
Die Erde gleich dem Himmel. Eifersucht
Und blasser Neid und Stolz und falsche Scham,
Die schlimmsten Tropfen langgenährter Galle
Vergifteten nicht mehr den süßen Hauch
Der blühenden Nepenthe nun – der Liebe.
Altäre, Throne, Tribunale, Kerker,
Von unglücksel'gen Menschen einst besetzt,
Die Scepter trugen, Tiara's, Schwerter, Ketten
Und Folianten voll verdrehten Rechts,
Bewundert stets von blödem Unverstand,
Sie glichen nun den ungeschlachten Bildern,
Gespenstern eines längst verscholl'nen Ruhms,
Die im Triumph von ihren Obelisken
Auf Gräber und Paläste Jener schauen,
Die da vor Zeiten ihre Sieger waren.
Und so wie Jene, die da einst der Hochmuth
Der Priester und der Könige geschaffen,
Ein finst'rer, mächt'ger Glaube, eine Macht,
So groß, wie jene Welt, die sie verheert,
Und jetzt doch nichts sind, als ein Gegenstand
Befremdeten Erstaunens – ebenso
Stehn die Geräthe und Symbole noch
Der letzten Sklaverei der Menschheit da,
Zwar nicht vernichtet, aber unbeachtet.
Und all die Schreckgestalten, die gehaßt
Von Gott und Menschen unter vielen Namen
Und Formen, fremd und wild und graus – sie waren
Nur Einer: Jupiter, der Welttyrann,
Er, dem die Völker furchtgelähmt nur dienten
Mit ihrem Blut und mit gebroch'nen Herzen,
Am kahlen Altar selbst die Liebe opfernd,
Mit heißer Thränen ohnmächtiger Fluth
Sie schmeichelten dem Ding, vor dem sie bebten
Und ihre Furcht war Haß, verbiss'ner Zorn.
Nun modern auf verlassenen Altären
Die Bilder all und der bemalte Schleier,
Den »Leben« nannten Jene, die da waren,
Und der mit schillernd buntem Farbenspiel
Der Menschen Lieben und ihr Hoffen äffte,[81]
Er ist für immer nun hinweggezogen.
Die ekelhafte Larve ist gefallen!
Befreit nun bleibt der Mensch und scepterlos,
Beengt durch keine Schranke, Jeder gleich
Dem Andern, ohne Rang und Stamm, gebunden
An keine Scholle – Bürger nur der Welt,
Befreit von Furcht und huldigender Demuth,
Sein eig'ner König, mild, gerecht und weise;
Nicht ohne Leidenschaft, doch ohne Schuld
Und Schmerz, die einstmals seine Seele drückten,
Weil er sie selbst geschaffen und geduldet.
Und kann der Mensch sich auch dem Tode nicht,
Dem Zufall, der Veränd'rung nicht entziehn,
Er weiß sie doch wie Sklaven zu beherrschen,
Sie, die sich wie Gewichte an ihn hängen,
Der sonst sich schwänge auf den höchsten Stern,
Der oben glänzt am unerstieg'nen Himmel
Im Aetherraume der Unendlichkeit.
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