Zweiter Auftritt

[85] Faust, Mephistopheles, Helena.


MEPHISTOPHELES. Faust, laßt ab, es hilft euch nichts. Es ist zu spät, ihr habt den verschworen, zu dem ihr betet. Wollt ihr noch selig werden, ihr könnt es nur durch die Liebe. Noch habt ihr nie wahrhaft geliebt: dieß höchste Erdenglück hab ich euch noch vorbehalten. Alle die ihr noch saht, auch jene Herzogin, waren eurer Liebe nicht würdig. Blickt her, diese ist es, diese kann auch allein eure Liebe erwiedern.

FAUST. Laß mich!

MEPHISTOPHELES. Verschmäht ihr sie? Die Welt, der Himmel selbst hat nicht höhere Schönheit. Wißt, es ist Helena, jene Helena, die auch die Graubärte Trojas bewunderten.

FAUST. Laß mich beten.[86]

MEPHISTOPHELES. Ihr verschmäht sie? So führ ich sie zurück und nie wieder giebt der Hades diesen Schatz heraus, nie wieder sieht die Sonne das reinste Bild der Schönheit.

FAUST. Nun, ansehen kann ich sie ja wohl. Blickt um und steht auf. Welches Ebenmaß, welche Vollkommenheit, welcher Liebreiz! Du hast Recht, Sie war es werth, daß zwei edle Völker zehn Jahre lang um ihren Besitz stritten. Solch ein Weib, welch ein Glück!

MEPHISTOPHELES. Und dieses Glück biet ich dir.

FAUST. Ist sie mein? Ich wagte es nicht zu denken. Mein, das edelste, göttlichste Weib? Gieb, laß mich glücklich werden in ihrem Besitz: einmal ganz glücklich ist glücklich auf ewig. Gieb, gieb!

MEPHISTOPHELES. Geduld! das geht so geschwind nicht.

FAUST. Warum nicht? Gieb, ich befehl es dir, gieb![87]

MEPHISTOPHELES. Erst must du den noch einmal abschwören, zu dem du gebetet hast.

FAUST. Ich schwör ihn ab auf ewig. Mit diesem Schatz im Arm trotz ich Ihm und dir. Gieb!

MEPHISTOPHELES. Da hast du sie.

FAUST stürmt mit Helena ab in sein Haus.

MEPHISTOPHELES. Hahahaha! Nun bist du mein. Alle Heiligen können dich nicht mehr retten. Hahahaha! Ich wär auch schön angekommen bei meinem Meister, wenn die sichere Beute mir wieder entschlüpft wäre.

FAUST stürzt verzweiflungsvoll aus dem Hause. Fluch dir, Fluch! tückischer, boshafter Betrüger. Eine höllische Schlange drückt' ich an meinen Busen. Ich wollte sie umarmen, da hauchte sie mich an, ein ekler Pestbrodem schlug mir erstickend entgegen. Ist das dein Dienst, das deine Treue?[88]

MEPHISTOPHELES. Hahaha! Betrügen ist mein Handwerk. Hast du das nicht gewust? Du bist noch weit mehr betrogen als du glaubst.

FAUST. Abscheulicher! Was willst du damit sagen?

MEPHISTOPHELES. Deine Zeit ist um, noch wenige Stunden hast du zu leben. Um Mitternacht bist du mein.

FAUST. Was sagst du? Bleiben mir nicht noch zwölf Jahre? Vierundzwanzig Jahre solltest du mir dienen, das Jahr zu dreihundert und fünfundsechzig Tage gerechnet.

MEPHISTOPHELES. Armer Schlucker! So wenig kanntest du die List der Hölle? und ließest dich in einen Pact mit ihr ein. Hab ich dir nicht auch die Nächte gedient, und du willst nur die Tage zählen? In zwölf Jahren hab ich mein Versprechen gelöst, dir vierundzwanzig Jahr zu dienen. Um Mitternacht läuft unser Vertrag ab. Dieß zur Nachricht. Ab.[89]

FAUST allein. Elender Advocatenkniff! Aber wenn es wahr wäre! Wenn diese höllische Deutung zu Recht bestünde!


Es schlägt neun Uhr.


DUMPFE STIMME VON OBEN. Fauste! Fauste! Praepara te ad mortem!

FAUST stürzt händeringend ab.


Quelle:
Simrock, Karl: Doctor Johannes Faust. Frankfurt am Main 1846, S. 85-90.
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