Am Geburtstage einer Freundin

[146] Er steigt herab, bekränzt mit jungen Rosen

Und Phöbus Gold geschmückt, der junge Tag,

Ihm streuen blaue Veilchen ihre Düfte;

Ihn feiert Philomelens erster Schlag!


Die Deinen flehn mit tief gerührter Seele

Dir, ihrem Liebling, ungestörtes Glück;

Des Freundes und der Freundin heiße Wünsche

Verklären sich in ihrem nassen Blick!


Wol blühet überall auf dieser Erde

Ein stilles Eden, Gottes Paradies,

Wo solche edle Seelen, wie die Deine,

Der Schöpfer zu den Menschen wandeln hies.


Ich sehe Dich als Kind in Deiner Wiege

Mit holdem himmlisch-frohem Angesicht,

Und einem Aug', das Muth zu jedem Siege

Durch Selbstgefühl und sanfte Duldung spricht.
[147]

Ich sehe Dich, der Grazien Vertraute,

Seh' jede schwesterlich um Dich bemüht,

Mit einem Geist, gestimmt für alles Schöne,

Mit einem Herzen, das für Tugend glüht!


Ich sehe Dich – die Zukunft lüpft den Schleier,

Und Freudenthränen feuchten meinen Blick –

Gesund und froh des Lebens Pfade wallen,

Und Deinem Seelenadel gleich Dein Glück!

Quelle:
Elise Sommer: Poetische Versuche, Marburg 1806, S. 146-148.
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