Kleine Stadt

[174] Die vielen kleinen Gassen,

die die langgestreckte Hauptstraße überqueren,

Laufen alle ins Grüne.

Überall fängt Land an.

Überall strömt Himmel ein und Geruch von Bäumen

und der starke Duft der Äcker.

Überall erlischt die Stadt

in einer feuchten Herrlichkeit von Wiesen,

Und durch den grauen Ausschnitt

niedrer Dächer schwankt

Gebirge, über das die Reben klettern,

die mit hellen Stützen in die Sonne leuchten.

Darüber aber schließt sich Kiefernwald:

der stößt

Wie eine breite dunkle Mauer an die rote Fröhlichkeit

der Sandsteinkirche.


Am Abend, wenn die Fabriken schließen,

ist die große Straße mit Menschen gefüllt.

Sie gehen langsam

oder bleiben mitten auf der Gasse stehn.

Sie sind geschwärzt von Arbeit und Maschinenruß.

Aber ihre Augen tragen

Noch Scholle, zähe Kraft des Bodens

und das feierliche Licht der Felder.

Quelle:
Ernst Stadler: Dichtungen, Band 1, Hamburg o.J. [1954], S. 174-175.
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