Spiel im Dämmer

[203] René Schickele in alter Treue


Schon sinkt ein schlaffes Licht durch die Rotunde

voll ins Gemach und schwebt um die verblaßten

gestickten Bilde und im flimmernden Grunde

beben rauschen wie Flut die glimmenden Tasten.


Zu weichem Gleiten lächelndem Verschlingen

enttauchen Schatten in umflortem Tanz:

Gekränzter Kinder schwaches Frühlingssingen

in Wellen hingespült vom scheuen Glanz.


Und dunkler flutend: Schwüle Sommernächte ...

In goldnen Gärten weißer Blüten Fall.

Fiebernde Hände wühlen im Geflechte

traumdunkler Haare ... fern ... die Nachtigall.


Und brennender im dämmerschweren Schweigen

wirbeln die Tasten durch den blassen Raum.

Und aller Sehnsucht dunkle Wasser steigen

und alle süßen Quellen Traum um Traum.


Erloschner Bilder tief gebeugte Garben

trunkner Gesichte süß vergilbte Pracht

ein Hauch von Veilchen die im Frührot starben

dämmernd umströmt vom Glanz der lauen Nacht.

Quelle:
Ernst Stadler: Dichtungen, Band 2, Hamburg o.J. [1954], S. 203-204.
Lizenz:
Kategorien: