Der unvermuthete Schatz.

    Der unvermuthete Schatz. (Karoline Stahl: Fabeln, Mährchen und Erzählungen für Kinder)
    Der unvermuthete Schatz. (Karoline Stahl: Fabeln, Mährchen und Erzählungen für Kinder)

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Ein armer Fischer warf sein Netz den ganzen Tag hindurch aus, und wenn er es aus dem Wasser zog, war es leer, oder nur ein paar kleine Fischchen befanden sich darinn. Traurig und ermüdet wollte er am Abend heimkehren, als seine Frau, die herzu kam, ihn beredete noch einmal einen Versuch anzustellen. Siehe, sprach sie, morgen kommen die Gläubiger und nehmen uns unser einziges Bette und jagen uns aus unserm Häuschen; so wollen wir uns doch noch einmal satt essen, denn auch das Netz werden sie uns nicht lassen und so müssen wir den Hungertod leiden. Der arme Mann warf seufzend noch einmal das Netz in das Meer und schüttelte den Kopf, als er es schwerer herauszog. Was wirds wieder seyn als ein alter unnützer Baumstamm, wie es schon manchesmal der Fall war; und er hatte Recht. Ein alter Baumstamm war es, den er hervorzog. Er lächelte bitter und legte das Netz zusammen. »Nun, das war das letztemal vielleicht für immer!« Doch laß uns den Stamm mitnehmen und trocknen. Vielleicht taugt er noch zum Einheitzen. So schleppten sie das[133] nasse Holz ans nahe Hüttchen und lehnten es an dasselbe. Am andern Tage erschienen die Gläubiger und forderten mit Ungestüm ihre Bezahlung; und als sie nichts erhielten, jagten sie den Fischer und die Frau fort, und nahmen ihnen alle ihre Habseligkeiten und ihr Häuschen. Die armen Leute irrten trostlos umher, und als es dunkel ward, sprach die Frau: »Wenn wir nur den alten Baumstamm hier hätten, so wollten wir ihn zerhauen und uns wärmen.« Ja, du hast Recht, erwiederte der Mann; aber ich habe ja nicht einmal eine Axt. Ein Vorübergehender bot ihm die seinige an, und der Fischer holte mit seiner Frau den Stamm herbei und fing an ihn zu zerhauen. Siehe, da quoll eine Menge silberner und goldner Münzen heraus. Entzückt liefen sie eilig hin, bezahlten ihre Schulden und behielten nun Häuschen, Kleider und Netz und ihre ganze geringe Habe; dann huben sie das übrige Geld auf, und arbeiteten fleißig fort, um nicht wieder in Noth zu gerathen.

Quelle:
Karoline Stahl: Fabeln, Mährchen und Erzählungen für Kinder. Nürnberg 21821, S. 132-134.
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