Erster Auftritt.

[3] Frank, gleich darauf Puf.


PUF. Lustig, Herr Direkteur, wir haben Permißion.

FRANK munter. Wo lieber Puf?

PUF. In Salzburg.

FRANK seufzend. In Salzburg! dem Vaterlande des Hannswursts!

PUF. O nur keine Grillen! Seyn Sie froh, daß wir irgendwo unterkommen. Wenn die Kunst nach Brod geht, muß es ihr gleich viel seyn, welche Thüre ihr offen steht. Es sind überdieß noch Bedingungen dabey. Lauter lustige Stücke, Ballette und Opern müssen Sie geben.[3]

FRANK. Und vom besten Gepräge nicht wahr? Was kostet nicht schon eine gute Gesellschaft! dann erst Ballette! Opern! und dafür am Ende eine geringe Einnahme?

PUF. Ja, da müssen Sie sich zu helfen wissen. Sehn Sie mehr auf die Zahl als auf die Güte der Leute, die wohlfeilsten die besten. Ihr erster Akteur muß Ihnen nicht mehr als wochentlich 4 Thaler, und die erste Aktrice 2 Thaler kosten. Hernach schicken Sie eine Ankündigung voraus, und sagen drainn: Sie brächten die stärkste und ausgesuchteste Gesellschaft mit, wie noch keine dort gewesen wäre.

FRANK. Was kann ich aber mit solchen Leuten aufführen?

PUF. Die besten Stücke; 30, 40 Personen stark. Worinn ein Akteur den andern vom Theater verjagt, und der Zuschauer nicht Zeit hat, über irgend eine Scene nachzudenken.

FRANK. Das nennen Sie die besten Stücke?

PUF. Und mit Recht, weil Sie's meiste Geld eintragen. Ich weis wohl was Sie sagen können. – Aber – legen Sie die Hand auf's Herz, und reden Sie die Wahrheit: Haben wir nicht gerade mit den Stücken, worüber am meisten geschimpft wurde, das meiste Geld eingenommen? und bey jenen, die alle Welt für[4] Meisterstücke hält, leere Bänke gehabt? Mit Nathan dem Weisen werden Sie das zweytemal nicht so viel einnehmen als die Lichter betragen; den Graf Waltron aber können Sie 20mal geben, und werden immer das Haus voll haben. Ergo? Ein Direkteur muß auf die Kassa sehen – ergo: die schlechtesten Stücke die Besten.

FRANK. Aber lieber Puf, der gute Geschmack geht ja auf die Art vollends zu Grunde

PUF. Ich bitt' Sie, bleiben Sie mit ihrem guten Geschmack zu Haus, er hat Sie beynahe an Bettelstab gebracht. Es ist ein Hirngespinnst, das den Kopf aber nicht den Beutel füllt. Die Leute führen ihn deßhalb so häufig auf der Zunge um ihn bey jeder Gelegenheit von sich zu geben, weil sie ihn nicht verdauen können. Den zu gründen gehört für grosse Herren, aber nicht für Privatleute.

FRANK seufzend. Das hab ich leider erfahren!

PUF. Und damit Sie's nicht wieder erfahren, so machen Sie's wie andre: hängen Sie ein prächtig Schild aus, mit Torten und Pasteten bemahlt, und setzen Sie Speckknödel und Sauerkraut auf.

FRANK. Das heißt: betrügen Sie die Leute.[5]

PUF. Mundus vult decipi, ergo decipiatur.

FRANK. Nun gut. Aber wenn ich Ihnen auch in Ansehung der Stücke Recht lassen muß, so ist's doch ganz was anders mit den Schauspielern. Die Gattung Leute wie Sie mir rathen anzunehmen – – –

PUF. Müßen überall für die Vortreflichsten gelten, wenn Sie's nur anzustellen wissen. Ist ein Schauspieler den die Leute nicht verstehen können und Ihnen deßhalb Vorwürfe machen, so sagen Sie mit einer Weisheitsmine: es ist ein größerer Denker als Redner, es' steckt viel hinter dem Manne, daher gehört auch viel dazu um ihn gehörig zu beurtheilen. Von einem Sänger, der schlecht singt, sagen Sie: er ist mehr Akteur als Sänger; und von einem Tänzer, der rechte Bocksprünge macht: das ist der wahre Tanz der Alten, der durch unsre heutige Künsteley völlig verloren gegangen, ächte, reine Natur. Ehe die Leute sich für Dummköpfe halten lassen, glauben sie es Ihnen aufs Wort und finden's am Ende selbst vortreflich.

FRANK. Das ist wohl leicht gerathen, aber nicht so leicht auszuführen.

PUF. Eben so leicht. Ey! ey! Herr Frank, Sie sind so lange beym Theater, und wissen noch nicht, daß der größte Theil der Zuschauer[6] nicht selbst urtheilt, sondern nur einigen Aristarchen ängstlich aufs Maul sieht um ihnen nachzubeten! Sobald wir hinkommen, so geben Sie 4 - 5 Skriblern frey Entre'e, alle Tage ein gut Souppee, und bey der ersten Aktrice Dejeunee; die werden Ihnen aus dem elendesten Schneidergesellen einen Roscius, aus dem unartigsten Limmel einen Garrik, und aus dem ersten Kuchelmenschen eine Clairon machen. Der Haufe beth das nach, und so haben Sie gewonnen Spiel.

FRANK. Lieber Herr Puf, was rathen Sie mir! das heißt sich ja feinen Beifall erkanfen.

PUF. Klimpern gehört zum Handwerk. Auf diese Art ist schon mancher elende Charlatan zum Kapitalisten geworden, und Sie sind nach allen Regeln der Kunst und Rechtschaffenheit –

FRANK. Auf den Sand gekommen. Es sey, ich will den guten Geschmack, die Chimaire wie Sie es nennen, an Nagel hängen – –

PUF. Und die Rechtschaffenheit dazu.

FRANK. Aber wo bekomm' ich Geld her um anzufangen?

PUF. Hier haben Sie einmal die Permißion. Giebt ihm einen großen Brief. Darauf nehmen[7] Sie Geld auf, und verschreiben die Einnahme.

FRANK. Aber wenn ich nun mit allen Kunstgriffen nichts einnähme? Es ist doch möglich, daß ich ein klüger Publikum fände als ich vermuthe.

PUF. Ah – Sie müssen aufs Glück mehr als auf die Möglichkeit rechnen. Das Glück ist eine Vormünderinn der Dummheit, und wenn Sie meinem Rath folgen, opfern Sie der Dummheit mehr, als dem Verstande, mithin haben Sie nichts zu fürchten.


Quelle:
Wolfgang Amadeus Mozart: Der Schauspieldirektor. Wien 1786, S. 3-8.
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