Sechszehnter Auftritt.

[290] Die Vorigen, Orpheus.


Orph. nähert sich mit verliebten und Entzükken ausdrückenden Grimassen Clärchen und spielt dabey auf der Violine.


CLÄRCHEN. Ganz vortreflich Monsieur Orpheus.

ORPHEUS. Sie kennen also meinen Bogen? Verstehn was ich auszudrücken Willens bin?

Albert und Const: reden heimlich mit einander.


CLÄRCHEN. Jede Sylbe! Man darf ja nur empfinden können.

ORPHEUS. Das ist's Mamsell! Fühlen muß man; mit dem Gefühl sympathisiren; so versteht man mich gewiß. Denn indem ich einen Gedanken ausdrücken will, so fährt er wie ein Blitz aus dem Kopf ins Herz, und aus dem Herzen in die Fingerspitzen. Wie ich nun mit den Fingern den Bogen und die Saiten, berühre, so theilt er sich durch die Reibung des Bo[290] gens auf den Saiten in seiner ganzen Stärke dem Tone mit, den ich hervorbringe. Wer nun wahres Gefühl hat, der wird von diesem Tone gleichsam elektrisirt und empfindet in seinem Herzen den Ausdruck meiner Gedanken.

CLÄRCHEN. Richtig Monsieur Orpheus. So geht mir's auf ein Haar. Wenn ich Sie spielen bore, so ist's als wenn mir jemand Ihre Gedanken ins Herz schriebe.

ORPHEUS. Aber man muß ein feines Gefühl haben. Denn wie wär es sonst möglich, daß ich mich, ohne Beschwörung, in die Hölle hätte wagen können, wie ich meine Euridice gesucht habe.

CLÄRCHEN. Was Sie sagen Monsieur Orpheus! Und haben Ihnen die höllischen Geister nichts gethan?

ORPHEUS. Gethan? Ha! ha! ha! Mit einem einzigen Bogenstrich, hab' ich sie gefesselt, sie haben ans Herz geschlagen, sind vor Thränen über meine Empfindung zerschmolzen, und Pluto hat sich zu meinen Füßen geschmiegt, wie ein bologneser Hündchen. Aber ein feines Gefühl muß man haben.

CLÄRCHEN. Das ist doch entsetzlich! Wenn Sie so gar die Teufel rühren können – –

ORPHEUS. Glauben Sie mir, die Teufel sind manchmal eher zu rühren, als mancher Mensch; es giebt so viel dickohrichte Geschöpfe – besonders unter den Männern, daß der heulende Ton einer Posaune keinen Eindruck auf sie macht.

CLÄRCHEN. Ich glaubs wohl.[291]

ORPHEUS. Weil Sie ein feines Gefühl haben. Ich versichre, ich habe noch keinen Menschen getroffen, bey dem ich so viel Eindruck gemacht hätte, als bey Ihnen.

ORPHEUS.

Darum bin ich Dir gewogen,

Weil der Strich von meinem Bogen

Solch Gefühl bey Dir erregt.

Vor jedem dieser drey Verse spielt er erst immer mit zärtlichen Grimassen auf der Violine, als wenn er durch den Gesang alsdenn erst erklären wollte, was er durch die Violine habe sagen wollen.


Hingegen giebts Herzen gleich Steinen,

Die weder durch Lachen noch Weinen

Zur Theilnahme werden bewegt.


Ab.


Quelle:
Karl Ditters von Dittersdorf: Die Liebe im Narrenhause. Liegnitz 1792, S. 255–350, S. 290-292.
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