Erster Auftritt.

[39] Hauptmann Sturmwald mit einem Stelzfuß und einer Binde vor dem Auge; Apotheker Stößel mit einer langen Tabakspfeife, seine Frau Claudia, seine Nichte Rosalie und seine Tochter Leonore sitzen in der Laube, die Frauen mit Handarbeiten beschäftigt.


ALLE FÜNF.

O wie herrlich, o wie labend

Ist auf einen heißen Tag

So ein schöner kühler Abend,

Wo man sich erholen mag.

ROSALIE UND LEONORE für sich.

Noch weit schöner wär' der Abend,

Könnte Arm in Arm allein

Mein Geliebter bei mir sein.

STURMWALD für sich.

O wie köstlich, wie erlabend

Müßte jetzt ein gut Glas Wein

Für Verstand und Lunge sein!

ALLE FÜNF.

Welche angenehme Zeit!

STÖßEL UND CLAUDIA.

Denk' ich meiner jungen Jahre,

Denk' ich mir so manche Nacht,

Die ich göttlich hingebracht!

ALLE FÜNF.

O wie herrlich, o wie labend

Ist auf einen heißen Tag

So ein schöner kühler Abend,

Wo man sich erholen mag. –[40]

Unvergleichlich, herzerquickend

Ist so eine Sommernacht.

Frohen Mutes und entzückend

Wird sie gerne durchgewacht!

Leonore sitzt traurig da.


STÖßEL spricht. Nicht wahr, Herr Hauptmann, Sie haben auch manche solche Nacht verwacht?

STURMWALD. Ja, mein Six, Herr Stößel! und gebe gern noch einmal mein verloren Bein hin, wenn ich wieder anfangen könnte.

STÖßEL. Aber was ist denn dir, Leonore? Du sitzt immer so traurig da! Bist nicht mehr so munter. Was fehlt dir?

LEONORE seufzend. Nichts, lieber Vater.

CLAUDIA zankend. Nichts, und immer nichts. Sonst bringt man nichts aus dir heraus! Wie sie wieder dasitzt, das Kinn im Magen. Kopf in die Höh'! Was soll das heißen? Kein bißchen Art! Wird's nicht heißen, ich habe dich ohne Erziehung aufwachsen lassen? Kopf in die Höh'!

STÖßEL. Aber warum denn schon wieder auszanken, Alte!

CLAUDIA. Kümmre du dich um deine Pflaster und Schmelztiegel; das magst du verstehen, aber ein Mädchen zu erziehen verstehst du so wenig, als ich deine Rezepte.

STÖßEL. Nun meinetwegen, brumme, schelte mit deinem Mädchen, dein Reich hat bald ein Ende. Nicht wahr, Herr Hauptmann?

STURMWALD. Das kommt auf Sie und Ihre Tochter an; ich habe nichts zu thun, kann also alle Stunden heiraten.

STÖßEL. Nun, Alte, wie wär's, wenn wir einmal zu Werke schritten?

CLAUDIA. Hm – Alte! Hast du keinen andern Namen für mich? Muß ich deswegen alt sein, weil ich meine Tochter verheirate?

STÖßEL. Es ist dir ja noch nie aufgefallen! Du willst doch deswegen nicht jünger werden, weil dir deine Tochter von der Seite kommt?

CLAUDIA. Seht mir doch den Papelhans an!

STURMWALD. Aber Mamachen! Auf die Art kommen wir ja nicht zum Zweck.

[41] Rosalie spricht leise mit Leonore.


CLAUDIA. Nun gut, Ihnen zuliebe wollen wir also von der Hochzeit reden.

LEONORE. Beste Mutter, da Sie über mein künftiges Glück entscheiden wollen, dürft' ich nicht bitten, mit mehr Überlegung zu Werke zu gehen?

CLAUDIA. Mit mehr Überlegung? Wir sind also unbesonnen, wissen nicht, was wir thun? Und du willst uns überlegen lehren? Nun, Stößel, was sagst du dazu?

STÖßEL zu Leonore. Glaub' mir, mein Kind, wir haben nur dein Glück vor Augen, und eben deswegen verheiraten wir dich an unsern guten Freund, hier an den Herrn Hauptmann.

CLAUDIA zu Stößel. Meister Dummbart, wenn Er als Vater mit Seiner Tochter reden will, so nehm' Er einen andern Ton an, geb' Er sich ein Ansehn, und steh' Er nicht da wie Matz beim Pflaumenmus.

STÖßEL räuspert sich, sucht sich in Autorität zu setzen; mit starker Stimme. Hör' einmal, Leonore, wenn der Hauptmann nur ein Bein hat, so hat er desto mehr Geld; wenn er nicht mehr so reizend aussieht wie die jungen Herren, die euch Mädchen freilich besser gefallen, so hat er mehr Erfahrung und wird dir manches erzählen können; und – wenn er älter ist, als du vielleicht wünschest, so – wird er desto eher sterben und dich zur Witwe machen –

CLAUDIA. Was der Kilian daherdahlt! Kannst du nichts anderes zu Markte bringen, als solch dummes Zeug?

STÖßEL. Claudia, du verrückst mir den Kopf, ich weiß wahrhaftig nicht mehr, wie ich reden soll.

CLAUDIA zu Leonore. Kurz und gut, du mußt den Hauptmann heiraten, und damit basta! Sie steht erregt auf.

Die Andern erheben sich mit ihr.


LEONORE. Aber liebste Mutter –

CLAUDIA. Kein Wort weiter! Sie tritt zwischen Sturmwald und Stößel.

ROSALIE zu Claudia. Meine arme Muhme bittet ja nur um Zeit. Sie will erst sehen, ob es ihr möglich ist –

CLAUDIA. Bist du auch da? Wer hat dich zu ihrem Advokaten gemacht? Sicher kommt ihre Widersetzlichkeit von[42] dir her, denn von mir kann sie so was nicht geerbt haben. Wie mir meine Mutter da meinen Mann antrug, sagt' ich auf der Stelle ja.

STÖßEL leise zu ihr. Das war doch auch ein Unterschied, Claudia; ich hatte meine graden Glieder –

CLAUDIA. Halt' Er's Maul, ich bitte Ihn, mit Seinen graden Gliedern. Übrigens hab' ich auch was Rechts an Ihm erhascht. Hätt' ich's nur so verstanden wie jetzt, ich hätte mich wohl nach was Besserm umgesehen.

Es beginnt dunkler zu werden.


STURMWALD zu Leonore. Mamsell, sollten Sie wirklich Anstand nehmen? Hm! da wüßt' ich doch nicht warum? Fürchten Sie sich vor nichts, ich bin gewiß meinen Preis wert.

LEONORE. Daran zweifle ich nicht. Aber vergeben Sie, Herr Hauptmann, die Liebe läßt sich nicht erzwingen.

CLAUDIA zu Leonore. Hinein, ungeratenes Mädchen! Zu Rosalie. Und du, Hofmeisterin, pack' dich auch!

STÖßEL. Ja, geht, Kinder, und thut die Kräuter in Pakete, die drin auf dem Tisch liegen.

Rosalie geht ab nach rechts hinten in die Apotheke.


STÖßEL leise zu Leonore, indem er sie bis zur Thür begleitet. Nicht traurig, liebes Kind, du weißt, wie sehr ich dich liebe. Ich werde auch gewiß für dein Glück sorgen.

Nr. 2. Arie.


LEONORE.

Wie kann wohl Freude noch

In meinem Herzen wohnen?

Ich zittre vor dem Joch,

Womit man mich will lohnen.

Süß ist das Band, so Hymen knüpfet,

Wenn Herz und Hand zugleich entschlüpfet.

Doch die sich freventlich

Ungleiche Gatten wählen,

Die müssen ewig sich

In schweren Ketten quälen.

Leonore folgt Rosalie in die Apotheke.
[43]


Quelle:
Karl Ditters von Dittersdorf: Doktor und Apotheker. Dichtung von Stephanie dem Jüngeren, Leipzig [o. J.], S. 39-44.
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