Fünfzehnter Auftritt.

[101] Stößel rechts. Claudia in der Mitte. Sturmwald links.


CLAUDIA. Nun? Wohin? – Wohin?

STÖßEL. Ach, Claudia! Wir sind schändlich betrogen! Dies hier ist der rechte Herr Hauptmann, der andre war ein Schurke, ein Spitzbube –

CLAUDIA. Welcher andre?

STÖßEL. Nun, der mit dem Notarius da war.[101]

CLAUDIA zu Sturmwald. Was? Waren Sie denn das nicht?

STURMWALD. Ei, der Teufel auch! Er zeigt nach links. Ich war die Nacht da in dem verdammten Loche eingesperrt; wie ich hineingekommen, weiß der Henker.

CLAUDIA. Da drin? Wie ist denn das möglich?

STÖßEL. Ja, das weiß Gott! Natürlich geht das nimmermehr zu, der Schlüssel ist nicht von meiner Seite gekommen –

CLAUDIA zu Stößel. O geh, du Dummbart! Du weißt dein' Tage nicht, wo du den Kopf hast. Sie haben also vorhin nicht den Kontrakt unterschreiben lassen?

STURMWALD. Ich weiß von keinem Kontrakt, ich bin ja diesen Augenblick erst aus dem Loche gekommen. Aber ich will den Schurken züchtigen. Fort, Herr Stößel, wir müssen ihn aufsuchen. Er will fort.

CLAUDIA. So warten Sie doch.

Sturmwald bleibt.


CLAUDIA. Wen wollen Sie denn aufsuchen?

STÖßEL. Wen? Wen? Wie du nur so fragen kannst! Den jungen Krautmann. Wer wird's anders gewesen sein!

CLAUDIA bitter lachend. Ei, das wäre ja vortrefflich! Nun, und wo sind denn die Mädchen?

STÖßEL. Mit dem Notarius fort! Der andre ist hier den Augenblick verschwunden. Er muß mit dem Teufel sein Spiel haben –

CLAUDIA. Ei, mit dem Teufel nicht –

Nr. 19. Arie.


CLAUDIA zu Stößel.

Mit dir, du Esel, geht sein Spiel

Weit sichrer, schneller und weit besser.

Bei dir erreicht er bald sein Ziel,

Scheut weder dich, noch deine Schlösser.

Mit dir, du Esel, geht sein Spiel,

Bei dir, du Esel, erreicht er bald sein Ziel.

Du Dummkopf siehst mit offnen Augen nicht,

Drum lacht dir, du Dummkopf, jeder ins Gesicht,

Drum lacht dir je – der ins Gesicht![102]

Du Dummkopf! Du Dummkopf!

Drum lacht dir jeder ins Gesicht!

Du Esel! Du Esel!

Drum lacht dir jeder ins Gesicht!

So einen Tölpel zu betrügen,

So einen Dummbart zu belügen,

Braucht's Hexerei und Teufel nicht! –

Sturmwald eilt unauffällig mit Gebärden des Unbehagens durch die Mitte davon.


CLAUDIA zu Stößel.

Mit dir, du Esel, geht sein Spiel

Weit sichrer, schneller und weit besser.

Bei dir erreicht er bald sein Ziel,

Scheut weder dich, noch deine Schlösser.

Mit dir, du Esel, geht sein Spiel,

Bei dir, du Esel, erreicht er bald sein Ziel.

Stößel folgt Sturmwald ebenso durch die Mitte.


CLAUDIA fortfahrend, ohne das unauffällige Fortschleichen der beiden bemerkt zu haben.

Du siehst mit offnen Augen nicht,

Drum lacht dir jeder ins Gesicht!

Du Esel! Du Esel!

Dir lacht jeder ins Gesicht!

Dir lacht je – der ins Gesicht!

Du Esel! Du Esel!

Drum lacht dir jeder ins Gesicht!

Du Esel! Du Esel!

Drum lacht dir jeder ins Gesicht,

Dir Esel ins Gesicht!

Sie sieht sich um und findet sich allein, spricht. Was – mich wie eine Närrin stehen lassen? Davonzulaufen? Mich nicht anzuhören? Mir nicht recht geben? Wart', das soll euch beiden heimkommen, dem einen wie dem andern! Nun soll der junge Krautmann meine Tochter haben, keiner als er, so bin ich am Vater und am Bräutigam gerächt. Ja, ja, wenn ich nur geschwind wüßte, wo sie wären, um es ihnen[103] anzukündigen, damit ich zeigen könnte, daß geschehen muß, was ich will. Sie eilt ab durch die Mitte.

Der Chirurg Sichel kommt ganz behutsam und still aus der Thür rechts, hat einen Weiberrock an, einen Weibermantel um und eine Haube auf.


Quelle:
Karl Ditters von Dittersdorf: Doktor und Apotheker. Dichtung von Stephanie dem Jüngeren, Leipzig [o. J.], S. 101-104.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Meyer, Conrad Ferdinand

Gustav Adolfs Page

Gustav Adolfs Page

Im Dreißigjährigen Krieg bejubeln die deutschen Protestanten den Schwedenkönig Gustav Adolf. Leubelfing schwärmt geradezu für ihn und schafft es endlich, als Page in seine persönlichen Dienste zu treten. Was niemand ahnt: sie ist ein Mädchen.

42 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.

456 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon