[105] Stößel, Krautmann zu seiner Linken.
KRAUTMANN. Ah, servus, Herr Doktor Kohlendampf. Gut, daß ich Sie treffe.
STÖßEL. Ja, gut, daß ich Sie treffe. Wir wollen ein paar Worte miteinander sprechen.
KRAUTMANN. Ja, das wollen wir. Wissen Sie wohl, daß der Graf tot ist, den Sie heute Nacht ohne mein Wissen in die Kur genommen?
STÖßEL. Tot? O Theophrastus! Ich kann also die Wirkung meines Arcanums nicht mehr observieren.
KRAUTMANN. Desto besser die Folgen. Sie haben ihn umgebracht.[105]
STÖßEL. Umgebracht? Ich? Er war schon zum Abscheiden, als ich ihn übernahm; ich habe ihn noch zwölf Stunden länger erhalten und hätt' ihn völlig hergestellt, wenn mich Ihr Sohn nicht daran hinderte –
KRAUTMANN. Mein Sohn –
STÖßEL. Ja, Ihr Sohn. Er hat sich gestern Abend diebisch in mein Haus geschlichen, ist in mein Laboratorium gedrungen und hat diesen Morgen meine Tochter entführt.
KRAUTMANN. Mein Sohn?
STÖßEL. Eben suche ich sie auf. Sie sind noch in der Vorstadt in Lenzens Garten und warten auf ihren Compagnon, den Feldscher Sichel, das habe ich eben von des letztern Buben erfahren. Wäre das nicht, ich hätte schon den Grafen am Leben erhalten und ihm die schlechten Medizinen wieder aus dem Körper gebracht, die Sie ihm hineingejagt haben.
KRAUTMANN. Sie sind ein Unverschämter! Wissen Sie wohl, daß Sie nur ein Apotheker sind, der dem Doktor untergeordnet ist? Was unterstehen Sie sich, ihm vorzugreifen?
STÖßEL. Proben zu machen steht mir so gut frei als jedem Doktor, und ich bin überzeugt, ich wäre mit meiner Probe bestanden.
KRAUTMANN. Darüber sollen Sie vor der Fakultät Antwort geben.
STÖßEL mit einigen Schritten nach rechts von Krautmann weg. Und Sie beim Kriminalrichter wegen Ihres Sohnes.
Nr. 21. Duett.
KRAUTMANN tritt erregt nach rechts auf Stößel zu.
Sie sind ein Charlatan,
Ein Ignorant!
Er wendet sich mit einigen Schritten nach links.
STÖßEL folgt ihm aufgebracht nach links.
Ich bin ein weiser Mann,
Ein Laborant!
Er wendet sich wieder nach rechts.
KRAUTMANN.
Ein Schrecken für Gesunde,
Ein Doktor nicht für Hunde.[106]
STÖßEL.
Das spricht der Neid aus Ihnen,
Es zeigen's Ihre Mienen.
Sie gehen zornig aufeinander los.
KRAUTMANN.
Doch Sie bekommen schon
Noch Ihren Lohn!
STÖßEL.
Jedoch in Ihrem Sohn
Räch' ich mich schon! –
KRAUTMANN.
Ich will den armen Grafen rächen,
Und fordre Sie zur Fakultät
Und vor die Universität.
STÖßEL.
Da werd' ich dann wie Cato sprechen,
Und Sie zum allgemeinen Wohl,
Mein Herr, beschämen, wie ich soll!
KRAUTMANN.
Was? Er will mich beschämen?
STÖßEL.
Ja, Ihn will ich beschämen!
BEIDE.
Verdammter Charlatan! Verdammter Charlatan!
Nun halt' ich mich nicht mehr!
Ich will bei meiner Ehr'
Dir schon das Handwerk legen,
Du sollst dich nicht mehr regen;
Zu Boden, Ignorant!
KRAUTMANN.
Du Pillenfabrikant!
STÖßEL.
Rezeptenfabrikant!
Beide stürzen auseinander, an den Seiten entlang nach hinten zusammen und dann wieder vor.
KRAUTMANN tritt erregt auf Stößel zu.
Sie sind ein Charlatan,
Ein Ignorant.
Er wendet sich wie vorher nach links.
STÖßEL folgt ihm.
Ich bin ein weiser Mann,
Ein Laborant.
Er wendet sich wieder nach rechts.
KRAUTMANN.
Ein Schrecken für Gesunde,
Ein Doktor – nicht für Hunde.
STÖßEL.
Das spricht der Neid aus Ihnen,
Es zeigen's Ihre Mienen.
[107] Sie gehen zornig aufeinander los.
KRAUTMANN.
Doch Sie bekommen schon
Noch Ihren Lohn!
STÖßEL.
Jedoch in Ihrem Sohn
Räch' ich mich schon!
Er eilt ab nach links.
Krautmann stürzt nach rechts davon.
Verwandlung.
Garten. Es ist Tag.
Buchempfehlung
Der Held Gustav wird einer Reihe ungewöhnlicher Erziehungsmethoden ausgesetzt. Die ersten acht Jahre seines Lebens verbringt er unter der Erde in der Obhut eines herrnhutischen Erziehers. Danach verläuft er sich im Wald, wird aufgegriffen und musisch erzogen bis er schließlich im Kadettenhaus eine militärische Ausbildung erhält und an einem Fürstenhof landet.
358 Seiten, 14.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.
428 Seiten, 16.80 Euro