Achtundachtzigstes Kapitel.

[255] Mein Vater lag länger als eine Stunde quer über dem Bett, regungslos, als ob die Hand des Todes ihn dahingeworfen hätte; endlich fing er an mit der Zehe des Fußes, der über das Bett hinabhing, auf der Zimmerdiele zu spielen.

Meines Onkels Herz wurde um ein Pfund leichter. – Nach einigen Minuten kam das Gefühl in seine linke Hand zurück, deren Knöchel bis dahin auf dem Henkel des Nachttopfes geruht hatten; er schob ihn ein wenig mehr unter das Bett, nahm, als er das gethan, die Hand herauf und steckte sie in den Busen – dann ließ er ein Hm! hören. – Mein guter Onkel Toby antwartete seelenvergnügt auf dieselbe Weise, und herzlich gern würde er dieser Eröffnung einige Trostworte haben folgen lassen, aber da er, wie gesagt, dazu kein Talent besaß und außerdem fürchtete, daß er etwas sagen möchte, wodurch die Sache nur schlimmer würde, so begnügte er sich damit, das Kinn auf den Griff seiner Krücke gestemmt, ruhig dazusitzen.

War es nun, daß dieser Druck meines Onkel Toby's Gesicht zu einem ganz besonders angenehmen Oval verkürzte, oder hatte die Menschenfreundlichkeit seines Herzens jetzt, wo er seinen Bruder aus dem Abgrund der Schmerzen wieder auftauchen sah, die Muskeln desselben ungewöhnlich angespannt, so daß der Druck gegen das Kinn den Ausdruck des Wohlwollens, der ohnehin darin lag, nur verdoppelte, – genug, als mein Vater sich umkehrte, sah er im Antlitze seines Bruders einen so hellen Sonnenschein, daß die Starrheit seines Schmerzes augenblicklich daran schmolz.

Er brach das Stillschweigen, wie folgt:

Quelle:
Sterne [, Lawrence]: Tristram Shandy. Band 1, Leipzig, Wien [o. J.], S. 255-256.
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