Einunddreißigstes Kapitel.

[51] Die ersten dreißig Seiten, sagte mein Vater und schlug die Blätter um, sind ein bischen trocken, und da sie nicht durchaus zur Sache gehören, so wollen wir sie für jetzt überschlagen. Es ist nämlich eine Vorrede als Einleitung oder eine einleitende Vorrede (ich weiß noch nicht, wie ich es nennen werde) über politische und bürgerliche Verfassung, deren Grund in der ursprünglichen Verbindung zwischen Mann und Weib zum Zwecke der Fortpflanzung des Geschlechtes gesucht werden muß; – ich kam da so, ohne es selbst zu merken, hinein. – Natürlich, sagte Yorick.

Die Urform der Gesellschaft, fuhr mein Vater fort, ist, wie Politian uns sagt, die Ehe, das Zusammenleben eines Mannes mit einer Frau, wozu der Philosoph (nach Hesiod) noch ein Dienendes fügt; – da aber anzunehmen ist, daß ursprünglich die Menschen nicht zum Dienen geboren wurden, so gilt ihm als die Urform: ein Mann, ein Weib und ein Stier. – Ich glaube, es ist ein Ochs, sagte Yorick, indem er die betreffende Stelle (οἶκον μὲν πρώτιστα, γυνᾶικα τε, βοῦν τ᾽ αροτῆρα) anführte. Ein Stier würde auch mehr eine Last als eine Hülfe gewesen sein. – Es ist auch noch ein besserer Grund dafür, sagte mein Vater und tauchte seine Feder ins Dintenfaß; – denn da der Ochs ein so geduldiges Thier und so geeignet dazu ist, das Land zu ihrer Ernährung zu bearbeiten, so war er für das neuverbundene Paar wohl das passendste Werkzeug und Sinnbild, welches die Schöpfung ihnen zugesellen konnte. – Und noch etwas, fügte mein Onkel Toby hinzu, spricht mehr als alles Andere für den Ochsen. – Mein Vater hätte seine Feder nicht aus dem Dintenfasse nehmen können, er mußte erst Onkel Toby's Grund hören. – Denn wenn der Acker gepflügt war, sagte dieser, so lohnte es sich auch, ihn einzuhegen, also schützten sie ihn durch Gräben und Wälle, und das war der Anfang der Befestigungskunst. – Sehr wahr, sehr wahr, lieber Toby, rief mein Vater, strich den Stier aus und setzte Ochs dafür.

Darauf gab er Trim einen Wink, die Lichter zu putzen, und nahm das Gespräch wieder auf.[52]

Ich gehe überhaupt auf diese Frage nur deshalb ein, sagte er leicht hin und schlug das Buch halb zu, um die Grundlage der verschiedenen Beziehungen zwischen Vater und Kind nachzuweisen, über welches letztere jener auf verschiedene Weise Recht und Gewalt erhält:

erstens durch Heirath,

zweitens durch Adoption,

drittens durch Anerkennung, und

viertens durch Zeugung – welche ich alle der Reihe nach betrachte.

Auf das Letztere lege ich wenig Werth, entgegnete Yorick; meiner Meinung nach verpflichtet sie weder das Kind, noch giebt sie dem Vater Gewalt. – Da haben Sie Unrecht, sagte mein Vater eifrig, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * Ich gebe aber zu, schloß mein Vater, daß das Kind deswegen nicht in gleichem Maße unter der Gewalt und Herrschaft der Mutter steht. – Indessen spricht der Grund ebenso gut auch für sie, sagte Yorick. – Sie steht selbst unter der Autorität, erwiederte mein Vater, und dann, Yorick – hier nickte er mit dem Kopfe und legte einen Finger an die Nase – ist sie nicht das Hauptagens. – Wobei? fragte mein Onkel Toby und stopfte seine Pfeife. – Nichtsdestoweniger, fügte mein Vater, ohne auf Onkel Toby's Frage zu achten, hinzu – ist der Sohn ihr Ehrerbietung schuldig, wie Sie das im ersten Buche der Pandekten, Titel XI im zehnten Abschnitt, ausführlich lesen können. – Das kann ich auch ebenso gut im Katechismus lesen, erwiederte Jener.

Quelle:
Sterne [, Lawrence]: Tristram Shandy. Band 2, Leipzig, Wien [o. J.], S. 51-53.
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