2. Der Wein erfreuet des Menschen Herz

[105] 1.

Auff! bringet Wein.

Mein Schmerze wil ertränket sein.

Der edle Safft der Reben

muß mich des grimmen Leids entheben.
[105]

2.

Iachus Safft

hat manchen Kummer weggerafft:

er wird auch mein Verdriessen

durch seiner Trauben Blut versüssen.


3.

Spühlt Gläser auß/

ich soll versuchen/ ob ein Schmauß

mög' ins Vergessen senken/

was mich so ungemenscht wil kränken.


4.

Du harte Tühr/

verfluchet seystu für und für!

es müssen deine Pfosten

zu ihrem eignem Unheil rosten.


5.

Diespiter

stürm' über deine Pforten her!

es müssen deine Schwellen

durch seinen Blizz in stükken schellen.


6.

So manche Nacht

hab' ich umsonst bey dir gewacht/

und andern groben Hachen

läßtu nu knarrend auff- dich -machen.


7.

Die Rosilis

ist mir bey Tage zwar gewiß:

doch stehn zu allen Zeiten

die schälen Wächter uns zur Seiten.
[106]

8.

So bald die Nacht

dem Tag' ein Ende macht/

muß ich denn Abschied nehmen/

denn fängt sich an mein Weh und Grämen.


9.

Der Teufel hat

erdacht den schlimmen Raht/

daß man mit blinden Schlössern

die Tühr verwahrt/ mein Leid zu grössern.


10.

Der böse Hund

ist wachsam iede Stund'

er lauschet an der Schwellen

mit murren/ rimpfen und mit bellen.


11.

So geh' ich blind

in blinder Nacht/ ich armes Kind!

so offt durch beyde Gassen

und werde niemals eingelassen.


12.

Drum her! ihr Freund'

ich muß die Grillen heunt

im Wein zu tode schlagen.

Der Teufel möchte so sich plagen!


13.

So bringt nu Wein!

mein Schmerze wil ertränket sein.

Der edle Safft der Reben

soll mich des grimmen Leids entheben.


Quelle:
Kaspar Stieler: Die geharnschte Venus, Stuttgart 1970, S. 105-107.
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