7. Auff ihren Morgen-schlaaff

[133] 1.

Rubellchen/ bistu noch nicht wach?

Verlaß die weichen Feder-dekken/

die so viel Göttligkeit verstekken.

Ich geh' allhier der Hoffnung nach/

ob ich dich möchte/ Mein Vergnügen/

an den Krystallen sehen liegen.


2.

Auroren göldnes Rosen-bluht/

dein Ebenbild der roten Wangen

ist allbereit vorbey gegangen/

Apollo blizzt in voller Gluht/

der Handwerksman hat schon verzehret/

was ihm zum Morgenbrodt gehöret.


3.

Rubellchen schläfft. Sie weiß es nicht/

daß ich im gehn hier klag' und reime.

Seyd ihr der Warheit/ Morgen-treume;

so stellt mich ihr iezt vor Gesicht'[133]

als wie ich um diß Fenster stehe

und sie an- zuerwachen -flehe.


4.

Ich schweer es/ Morfeus/ daß ich dich

wil mehr als alle Götter ehren:

wirstu Rubellchen so betöhren/

daß sie es gleube kräfftiglich

und nach dem Fenster möge rennen/

des Traumes Außgang zu erkennen.


5.

Was meint Ihr? wenn dann ungefehr

Ihr Busem offen möchte stehen/

und ich die Liljen könnte sehen:

Wer wäre glükklicher/ sagt/ wer?

könnt' ich den Vorteil so erlauschen/

ich wollte nicht mit Paris tauschen.


6.

Ja/ mich kanstu/ du Lügen Geist/

du Treumer/ wol durch sie betriegen:

Ich kan fast keine Nacht nicht liegen/

so wird sie zehnmahl mir geweist.

Erwach' ich in dem öden Schatten:

so möcht' ich mich zu tod' ermatten.


7.

Rubellchen/ du bist nicht verliebt/

sonst würdstu wol des Schlafs vergessen.

Wehn Amors Wüten hält besessen/

der ruhet so nicht/ unbetrübt.

Wach auff/ Rubellchen: soll ich gleuben/

daß du die meine wollest bleiben.


Quelle:
Kaspar Stieler: Die geharnschte Venus, Stuttgart 1970, S. 133-134.
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