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[782] Es kamen tausend Scharen.


Als sich wieder der Herbst annäherte, ritt Witiko mit einem Geleite von Friedberg gegen Prag. Er sah auf seinem Wege manche Herren mit ihrem Gefolge des nämlichen Weges ziehen, und er sah andere Menschen dahin wandern.

Da er in Prag angelangt war, zog er mit seinen Männern in eine Herberge des rechten Burgfleckens. Es waren sehr viele Menschen in Prag, insonderheit von den hohen und niederen Herren mit ihren Mannen.

Witiko ging an dem Tage nach seiner Ankunft zu dem Herzoge. Bei dem Herzoge waren Herren, die zu dem Gruße des Herzoges gekommen waren. Witiko brachte auch seinen ehrerbietigen Gruß dar, und der Gruß wurde von dem Herzoge freundlich erwidert. Der Herzog und die Herren sprachen von den mannigfaltigen Dingen, die sich in dem Lande vollendeten. Manche Herren gingen fort, andere kamen wieder. Witiko verabschiedete sich auch, und ging zu der Herzogin. Bei ihr waren hervorragende Männer, ihren ehrfurchtvollen Ankunftsgruß darzubringen. Witiko tat es ebenfalls, und er wurde von der Herzogin lieb reich empfangen. Dann verabschiedete er sich, und ging wieder in seine Herberge.

In der folgenden Zeit besuchte er mehrere Herren, Männer und Freunde, mit denen er in dem ersten und in dem zweiten Kriege gewesen war.[782]

Auf den vierten Tag nach seiner Ankunft war eine Versammlung bei dem Herzoge anberaumt.

Witiko ging in dieselbe.

In dem großen Saale des Herzoghofes saß auf einem erhöheten Stuhle Wladislaw, der Herzog von Böhmen und Mähren. Dann saß auf einem gleichfalls erhöheten Stuhle Guido, der Gesandte des Heiligen Vaters Innozenz. Dann saßen auf Stühlen Otto, der Bischof von Prag, Daniel, der Dompropst von Prag, Silvester, der ehemalige erwählte Bischof von Prag, Gezo, der Abt von Strahow, Peter, der Abt von Břewnow, dann die Äbte von Kladrau und Wilimow, und andere Äbte, Pröpste und Priester. Dann saßen auf Stühlen Diepold und Heinrich, die Brüder des Herzogs, Bolemil, der alte Leche, Wšebor, der alte Leche, Lubomir, Diwiš, Preda, Božebor, und alle, welche in der Schlacht bei Znaim gewesen waren, und noch viele, die Witiko nicht kannte.

Da sich alle geordnet hatten, rief Wladislaw, der Herzog von Böhmen und Mähren: »Saget ihnen, die in dieser Versammlung sprechen wollen, daß sie kommen.«

Ein Mann öffnete die Flügel einer Tür, und nach kurzer Zeit kamen in reichen Gewändern durch die Tür Konrad, der Herzog von Znaim, Wratislaw, der Herzog von Brünn, Otto, der Herzog von Olmütz, dann Leopold und Spitihněw, die Söhne Bořiwoys, und Wladislaw, der Sohn des verstorbenen Herzoges Soběslaw.

»Setzet euch auf eure Stühle«, sagte der Herzog.

Die, welche herein gekommen waren, setzten sich auf Stühle, welche da standen, und von der Versammlung durch einen Raum des Saales getrennt waren.

Dann sprach Wladislaw, der Herzog von Böhmen und Mähren: »Konrad, welcher du Herzog von Znaim gewesen bist, Wratislaw, welcher du Herzog von Brünn gewesen bist, Otto, welcher du Herzog von Olmütz gewesen bist, Leopold und Spitihněw, Söhne meines Oheims[783] Bořiwoy, und Wladislaw, Sohn meines Oheimes Soběslaw, ihr seid auf meine Kunde nach Prag gekommen, die Beschwerde zu führen, weshalb ihr die Waffen gegen mich ergriffen habet. Weil ihr eure Beschwerden durch die Waffen führen wolltet, mußte euer Aufstand niedergeworfen werden. Führet nun eure Beschwerden mit Worten. Sind die Beschwerden gerecht, so werde ich sie abstellen, und euch Genugtuung geben. Sind sie ungerecht, so kann der, welcher es will, nach Gebühr um Verzeihung bitten, der es aber nicht will, kann in das fremde Land zurückkehren, aus dem er nach Prag gekommen ist. Es wird keiner geschädigt werden, wie ich es versprochen habe. Konrad, wenn es dir genehm ist, rede.«

Konrad schwieg eine kurze Frist, dann sprach er: »Wladislaw, Sohn des ruhmreichen Herzoges Wladislaw, Neffe des letzten verstorbenen ruhmreichen Herzoges Soběslaw, der du jetzt den Stuhl der Herzoge von Böhmen und Mähren in deiner Gewalt hast, höre mich. Du bist von den hohen und niederen Herren der Länder Böhmen und Mähren auf dem Tage in der Burg Wyšehrad zum Herzoge von Böhmen und Mähren gewählt worden, und bist nach dem Tode des ruhmreichen Herzoges Soběslaw auf den Fürstenstuhl gesetzt worden. Die Sprossen aus dem Stamme Přemysl sind nicht bei der Wahl gewesen. Dann aber sind auch die reichsten und mächtigsten und vornehmsten Lechen, welche dich wählen geholfen haben, zu mir gekommen, und haben gesagt, du erfüllest die Erwartungen nicht, welche sie zu Recht von dir als Herzog tragen mußten. Sie machten eine neue Wahl, und erkoren mich zum Herzoge von Böhmen und Mähren. Die Sprossen des Stammes Přemysl stimmten bei, nur deine zwei Brüder nicht. Ich meinte, daß es meine Pflicht für die Länder fordere, und nahm die Wahl an. Du widerstrebtest, als ich nach Prag gehen, und mich auf den Fürstenstuhl setzen wollte, und es entstand der schwere[784] Krieg, welcher sehr viel Unheil brachte, und du behieltest nach dem Kriege die Macht. Das ist meine Rede.«

Der Herzog Wladislaw antwortete: »Konrad, du bringst keine Beschwerde vor; denn wenn ein Herzog durch die Ladung aller hohen und niederen Herren der Länder zu einer Wahl von denen, die der Ladung gefolgt sind, als Herzog gewählt wird, und wenn dann von einer Zahl von Herren wieder ein Herzog gewählt wird, indes eine andere Zahl widerstrebt, und der frühere Herzog müßte dem späteren weichen, so könnte von verschiedenen Zahlen von Herren eine Reihe von Herzogen gewählt werden, die einander verdrängen, und das Herzogtum wäre kein Herzogtum, sondern ein Wettspiel. Wenn du aber keine Beschwerde gebracht hast, so hast du nur gesagt, daß du im Aufruhr gewesen bist. Wratislaw, wenn es dir genehm ist, rede.«

Wratislaw sprach: »Es ist mir genehm. Du bist einst nur der Neffe des Herzoges Soběslaw gewesen, ein Zweig des Stammes Přemysl wie wir. Du warst unser Genosse und warst der Genosse der jungen Söhne der mächtigen Lechen der Länder. Du bist mit uns nach den Vergnügungen gezogen, nach denen wir und sie gezogen sind. Du hast unsern Rat in allem befolgt, und hast gesagt: Wenn ich Herzog wäre, würden wir diese Sache anders machen, jene würden wir wieder anders machen, dieses würden wir tun, dieses würden wir lassen. Du hast uns Mitwirkung eingeräumt. Und hast du sie uns, den Jungen, eingeräumt, so hast du sie um so mehr den Räten des Herzogstuhles und den alten weisen Lechen eingeräumt. In diesem Sinne bist du zum Herzoge gewählt worden. Du aber hast dann als Herzog gehandelt, wie du allein wolltest. Du hast unsere Anliegen, die Anliegen der Söhne Přemysls, nicht gehört, du hast die Anliegen der alten Räte und Lechen und der mächtigsten Herren nicht gehört, du hast uns unterdrückt, und du hast die Rede und[785] die Mitwirkung der Herren bei der Verwaltung der Länder, welche alle Herzoge seit den ältesten Zeiten geehrt haben, in die Luft gestreut. Darum wärest du kein Herzog mehr, sondern ein Eroberer, und wir haben uns unseren Herzog gewählt, und haben die Waffen erhoben, um unsere Rechte zu wahren. Du hast im Kriege deine Gewalt behalten und vermehrt. Willst du, wie du sagst, den Beschwerden abhelfen, und Genugtuung leisten, so kannst du wieder ein Herzog werden, und wir werden dir dienen, so sie dich wählen. Diese Worte habe ich geredet.«

Darauf sagte Wladislaw: »Ich werde dir später antworten, Wratislaw. Otto, sprich.«

Otto sagte: »Ich rede wie Wratislaw geredet hat.«

Dann sagte Wladislaw: »Leopold, sprich.«

Leopold antwortete: »Ich rede wie Wratislaw.«

Dann sagte Wladislaw: »Spitihněw, sprich.«

Spitihněw entgegnete: »Ich rede genau so wie Wratislaw.«

Dann sagte Wladislaw: »Wladislaw, Sohn Soběslaws, sprich.«

Wladislaw antwortete: »Du sagst mit Recht: Sohn Soběslaws; darin liegt meine Klage. Ich rede zuerst, wie Wratislaw geredet hat, und dann rede ich, wie ich rede. In der Rede Wratislaws sage ich: Du hast uns unterdrückt und hintangesetzt. In meiner Rede sage ich: Du hast mir den Herzogstuhl geraubt. Die hohen und niederen Herren der Länder Böhmen und Mähren haben auf dem Tage in Sadska meinem erhabenen Vater Soběslaw angelobt, daß ich nach seinem Tode Herzog sein soll, und sie haben mich als den Nachfolger Soběslaws mit ihrem Eide anerkannt. Dann haben sie, als mein Vater erkrankt war, ihren Eid gebrochen, und haben dich auf dem Wyšehrad zum Herzoge erkoren. Die Wahl ist nichtig gewesen. Und als mein Vater gestorben war, haben sie dich auf den[786] Herzogstuhl gesetzt, und die heilige Feier ist nichtig gewesen. Ich bin der Herzog gewesen, du aber hast die Macht gehabt, und hast sie noch. Das ist meine Rede.«

»Habt ihr gesprochen?« fragte der Herzog Wladislaw.

Es antwortete keiner.

»Ist einer unter euch, der zu dem, was geredet wor den ist, noch etwas hinzu fügen will?« fragte der Herzog Wladislaw wieder.

Es antwortete keiner von den Männern.

»So rede ich, wie folgt«, sprach der Herzog. »Es ist wahr, was du gesagt hast, Wratislaw, daß ich in der Jugend euer Genosse gewesen bin, und ich bin der Genosse der jungen Söhne der hohen und mächtigen Herren gewesen, und es hat sich auch mancher zu uns gefunden, der von keinem hohen oder mächtigen Herren der Länder stammte. Ich wollte ein guter Genosse sein, und weil ich es wollte, ließ ich euch schalten. Es ist wahr, daß ich euern Rat befolgt habe. Ihr rietet Dinge des Vergnügens an, und weil in den Dingen ein Vergnügen lag, so gingen wir nach ihnen. Es ist wahr, daß ich gesagt habe: Wenn ich Herzog wäre, so würden wir dieses oder jenes tun. Aber es ist nicht wahr, daß ich euch die Mitwirkung versagt habe, als ich Herzog geworden war, es ist nicht wahr, daß ich die Anliegen nicht gehört habe, es ist nicht wahr, daß ich euch unterdrückt habe, es ist nicht wahr, daß ich die Rede und die Mitwirkung der Herren bei der Verwaltung der Länder in die Luft gestreut habe. Es sind zu allen wichtigen Dingen der Länder die Versammlungen des Rates berufen worden, und es ist in dem Rate beschlossen worden, und es ist nach dem Beschlusse gehandelt worden. Viele der Männer unserer Länder, die in diesem Saale sitzen, sind in dem Rate gesessen. Viele sind in dem Rate gesessen, die jetzt in der Verbannung irren, mithin zu euch gestanden sind, und manche sind in dem Rate gesessen, die auf dem blutigen Felde der[787] Waffen den Tod gefunden haben. Und wenn ich an dem heutigen Tage einen Rat halte, und euch zu sprechen erlaube, und euch antworte, da alle eure Macht und die Macht eurer Anhänger meine Macht ist, um wie viel mehr werde ich früher des Rates der Meinigen gepflogen haben. Und das habe ich in größerem Maße getan als ehemalige Herzoge, von denen du gesprochen hast, Wratislaw, und unter welchen Swatopluk mit dem Hauche seines Mundes ein ganzes Geschlecht vertilgt hat. Ihr seid aber zu dem Rate nicht gekommen. Ihr habet nicht Vorschläge an mich geschickt, die das Wohl des Landes betrafen. Ihr habet Forderungen gestellt, die eure Macht und euren Reichtum vermehren sollten, und wenn die Forderungen nicht bewilliget werden konnten, so ist auch der Grund dazu gesagt worden. Auch solche, die in dem Rate saßen, haben Forderungen außer dem Rate gemacht, denen keine Statt gegeben werden konnte. Sie wollten nicht Mitwirker des Herzoges sein, sie wollten selber der Herzog sein. Der Herzog aber ist der Vater des Landes, und darf nicht einem Manne, wie hoch er sei, Macht und Gut zu seiner Lust verleihen, und darf nicht seine Herzogsmacht in fremde Hände legen.«

»Du hast mir meinen Hof zu Chynow genommen«, rief Wratislaw.

Der Herzog antwortete: »Wratislaw, bringe nicht einzelne Dinge in deine Worte; über die einzelnen Dinge richten die Höfe, zu denen sie gehören. Du hast deinen Hof zu Chynow in dem Streite um ihn durch den Spruch des Gerichtshofes verloren.«

»Du bist der Gerichtshof gewesen«, rief Wratislaw.

»Das beantworte ich nicht«, sagte der Herzog, »oder ich müßte über dich ein Gericht halten lassen, was dem sicheren Geleite zuwider wäre, das ich euch versprochen habe.«

»Und wenn du nicht Macht und Gut in die Hände der[788] Fürsten der Länder und in die Hände der hohen Diener der Länder legen wolltest«, rief Wratislaw, »so hast du sie in die Hände geringerer Leute gelegt. Den niederen Mann Odolen, dessen Vater nichts ist, und den Knaben Witiko, dessen Herkunft man nicht kennt, welche beide aber bei Pilsen die hohen Sprossen des Stammes Přemysl gedemütigt haben, hast du zu Macht und Gut und Ehren erhöht, daß sie den alten treuen Lechen des Landes ein Widerstreit sind. Odolen wird übermütig werden, und den edeln Söhnen des Landes Ärgernis geben, und Witiko wird ein Leche werden, das Waldland, das unter der sanften Hand der Herzoge war, als seinen Hof betrachten, der ihm Nahrung gibt, und wird es drücken und berauben.«

»Odolen, rede«, sagte der Herzog.

»Ich rede nicht«, antwortete Odolen.

»Witiko, rede«, sagte der Herzog.

Witiko sprach: »Ich rede, weil ich allein bei Pilsen eigenmächtig gehandelt habe, und ich rede aus Achtung vor der Abstammung von dem hochehrwürdigen Přemysl. Wratislaw, ich habe euch bei Pilsen durch einen Fehler gegen die Oberhoheit des erlauchten Herzoges die Freiheit, die ihr vor der Überzahl unserer Männer schon verloren hattet, gegeben, um Blutvergießen im Kriege und anderes Unheil zu vermeiden. Der hohe Herzog hat mir den Fehler in Gnade verziehen. Welchen Sinn die Fürsten, die ich befreit habe, fortan gegen mich tragen werden, das habe ich damals nicht bedacht. Ob ich das Waldland bedrücken werde oder nicht, wird in der Zeit bekannt werden. Die Männer des Waldes sind durch keine andere Macht mit mir in den Krieg gegangen als durch mein Wort und ihren guten Willen gegen mich. So wird es bleiben, und sie werden eine Sache nicht verlassen, wenn ein Unglück kömmt, wie sie von dem Berge Wysoka, auf dem wir euch nicht besiegen konnten, nach Prag zur Verteidigung[789] des Herzogstuhles gegangen sind. Wer durch Zwang folgt, verläßt im Unglücke den Zwinger, wie Tausende von Männern nach der Schlacht bei Znaim von den Mährern abgefallen sind.«

»Wladislaw, du hast dem Manne zu reden erlaubt, nicht ich«, sagte Wratislaw, »ich spreche daher nur weiter zu dir. Du hast den Jüngling Welislaw als Župan auf den heiligen Wyšehrad gesetzt, wohin ein edler gereifter Sohn des Landes gehörte.«

»Welislaw, rede«, sagte der Herzog.

Welislaw antwortete: »Wie Odolen nicht geredet hat, so rede ich auch nicht.«

»Ich aber spreche zu dir, Wratislaw«, sagte der Herzog. »Wie in allen früheren Zeiten die Herzoge die, welche im Kriege, im Rate und in anderen Angelegenheiten und Fährlichkeiten des Landes Dienste getan haben, belohnt haben, so habe ich die, welche in den schweren Jahren, die jetzt vergangen sind, ihre Taten in Blut und Gut dargebracht haben, belohnt. Es sind die Hohen und die Niederen belohnt worden. Es ist gesetzt worden, daß Beschwerden in der Sache der Belohnungen in die Kammer des Herzoges kommen dürfen, und daß den Beschwerden abgeholfen werden würde, so es möglich ist. Es sind nur wenige Einwendungen gekommen, und diese sind gehoben worden, weil auch die Belohnungen früher in dem Rate beschlossen worden sind. Du hast wieder von einzelnen Dingen gesprochen, Wratislaw. Alle einzelnen Dinge sind den Männern, die in diesem Saale sitzen, bekannt. Die Forderungen, welche die Fürsten gestellt haben, sind den Männern bekannt, und es ist vor die ser Versammlung alles, was in euern Sachen aufgeschrieben worden ist, kund gemacht worden. Du hast Beschwerden gegen den Herzog, weil er der Herzog ist, nicht gemacht. So frage darum ich: Habe ich unschuldiges Blut vergossen? Habe ich einen Pfennig aus dem Lande gepreßt?[790] Habe ich meinem Gerichtshofe die Urteile befohlen? Habe ich das Landesgut verschleudert? Habe ich der Trägheit gepflogen? Habe ich die Diener der Kirche und des Landes geschmälert, und gekränkt?«

Alle schwiegen auf diese Worte des Herzoges.

Dann sprach der Herzog Wladislaw wieder: »Weil wir die Söhne des Stammes Přemysl, welche in den Waffen gegen uns gestanden sind, eingeladen haben, zu kommen, und ihre Klage zu sprechen, und weil sie gekommen sind, und gesprochen haben: so sagen nun die hohen und die niederen Herren der Länder Böhmen und Mähren, welche in diesem Saale versammelt sind, ihre Meinung über das, was gesprochen worden ist. Otto, hochehrwürdiger Bischof von Prag, rede.«

Otto, der Bischof von Prag, erhob sich von seinem Sitze, und sprach: »Wladislaw, erlauchter Herzog der Länder Böhmen und Mähren, du hast einen andern Weg nach den Herzogskämpfen der Landeskinder gegen die Landeskinder zu wandeln beschlossen, als manche Herzoge vor dir getan haben. Die Herzoge haben ihre Sippen, welche gegen sie die Waffen erhoben hatten, um die Nachfolge zu stören, nach der Besiegung gestraft. Sie mußten oft an der Freiheit und oft an ihrem Leibe büßen. Du wolltest deinen Sippen, wenn sie eine hinreichende Beschwerde haben, Recht widerfahren lassen, und hast deine Herren der Kirche und des Landes berufen, sie zu hören. Du hast deine Sippen berufen, und hast ihnen zugesichert, daß sie unbeschädigt kommen und wieder gehen dürfen. Sie sind gekommen, und haben gesprochen. Und weil ihre Beschwerden nicht hinreichend sind, so erkenne ich, daß sie gefehlt haben, und daß sie dich in der gebührenden Art um Verzeihung bitten sollen. Du, hoher Herr, wirst ihnen gnädig sein.«

Nach diesen Worten setzte sich der Bischof wieder nieder.[791]

Der Herzog Wladislaw sprach: »Diepold, rede.«

Diepold stand auf, und sprach: »Du bist der Herzog der beiden Länder und der Wladyk unseres Stammes. Einige deiner Sippen haben die Waffen gegen dich gekehrt, weil sie ihren Willen gegen den deinigen setzen wollten. Und hätten sie sonst was immer für Beschwerden, denen man gerecht werden müßte, so ist es doch an dem, daß sie ihres Aufruhres willen dich um Verzeihung bitten müssen. Du wirst mild sein und nicht Rache üben.«

Er setzte sich wieder nieder.

Der Herzog sprach: »Heinrich, rede.«

Heinrich sprach: »Sie haben gegen dich, den Herzog und Wladyk, Krieg geführt, und müssen dieser Tat wegen um Verzeihung bitten. Du wirst sie ihnen aber auch gewiß gewähren.«

Dann sprach der Herzog: »Silvester, ich habe dich bitten lassen, zu kommen, sage uns jetzt deine Meinung.«

Silvester stand auf. Sein weißer Bart floß auf das Kleid seines Klosters hernieder, und seine blauen Augen blickten auf die mährischen Fürsten, die auf ihren Stühlen saßen. Einen Augenblick sagte er nichts. Dann aber sprach er: »Hocherlauchter Herr, als dich die Versammlung der hohen und niederen Herren der Länder Böhmen und Mähren auf dem Wyšehrad zum Herzoge gewählt hatten, bin ich der Meinung gewesen, daß die Wahl nicht giltig ist, und daß du der Herzog nicht bist, weil in unseren Ländern überall kein Recht vorhanden ist, den Herzog zu wählen, und weil die hohen und niederen Herren der Länder Böhmen und Mähren für den Tod des Herzoges Soběslaw schon seinen Sohn Wladislaw als seinen Nachfolger mit ihrem Eide anerkannt hatten. Als aber Wladislaw, der Sohn Soběslaws, sein Recht aufgegeben und sich unter Konrad von Znaim gestellt hatte, bist du in der Art der Herzog geworden, wie es alle vor dir seit der Aufhebung des Altererblichkeitsgesetzes geworden[792] sind, durch die Tatsache und die Macht. Und es mußte so sein, weil sonst so lange kein Herzog möglich wäre, als bis ein Nachfolgegesetz gemacht wird. Alle Guten sind zu dir gegangen, und mein Sinn ist auch bei dir gewesen. Darum meine ich, daß der Krieg deiner Sippen gegen dich, als ihren Herzog, Aufruhr gewesen ist, und daß er Auflehnung gegen dich, als ihren Wladyk, gewesen ist. Sie müssen daher in der Demut, die in dem Lande gebräuchlich ist, um Verzeihung bitten. Wer deine Handlungen beobachtet hat, weiß, was du tun wirst. Ich danke dir, hocherlauchter Herr, daß du mich gerufen hast, meine Meinung in dieser großen Sache vor dieser hohen Versammlung zu sagen.«

Nach diesen Worten setzte sich Silvester wieder auf seinen Sitz nieder.

Hierauf sagte der Herzog: »Daniel, Propst von Prag, rede.«

Daniel sprach: »Meine Rede ist kurz. Der Aufruhr deiner Sippen gegen dich, den Herzog und Wladyk, ist da gewesen, und die Sippen sollen in gebräuchlicher Art die Verzeihung erflehen.«

Dann sagte der Herzog: »Gezo, Abt von Strahow, rede.«

Gezo, der Abt von Strahow, aber sprach: »Ich rede, wie Daniel, der Propst von Prag, geredet hat.«

Und wie Gezo sprachen auch die andern Äbte und Priester.

»Und was sprichst du, Bolemil?« fragte der Herzog.

»Ich spreche«, antwortete Bolemil, »machet ein Herzogs-Nachfolgegesetz, und macht Einrichtungen, daß es gehalten werden muß. Jetzt aber ist es das Recht und der Gang der Dinge wie immer, daß deine Sippen deine Verzeihung erflehen.«

»Und was spricht Diwiš?« fragte der Herzog.

Diwiš antwortete: »Ich spreche wie Bolemil.«

»Und was spricht Lubomir?« fragte der Herzog.[793]

Lubomir antwortete: »Ich spreche, daß deine Sippen, welche hier vor uns sitzen, freventlich gegen dich im Aufruhre gewesen sind, weil in den Schriften und in ihren Worten kein Anlaß enthalten ist, der sie dazu gezwungen hat. Sie müssen dich daher um Verzeihung anflehen. Du aber, hoher Herr, sei mild, und gewähre sie ihnen.«

Und so wie die Männer, welche von dem Herzoge gerufen worden waren, gesprochen hatten, so sprachen alle hohen und niederen Herren der Länder Böhmen und Mähren, welche in dem Saale versammelt waren. Sie sagten, die Fürsten müssen um Verzeihung bitten. So sagte jeder, und kein einziger sagte das Gegenteil.

Als alle Männer ihr Urteil deutlich ausgesprochen hatten, sagte der Herzog: »Ihr habt gehört, Abkömmlinge des Stammes Přemysl, die ihr im Kriege gegen mich gewesen seid, was die Herren hier gesagt haben. Ich füge nichts bei. Mit dir aber, Wladislaw, spreche ich noch. Du hast den schwersten Vorwurf gegen mich erhoben, des Raubes des Herzogstuhles. Dein Vater hat den Vorgang, durch den ich Herzog wurde, begonnen. Er hat auf dem Tage in Sadska die Herren der Länder Böhmen und Mähren veranlasset, daß sie schwuren, dich als Herzog zu erkennen, wenn er gestorben sein würde. Er hat so fast das Recht, den Herzog zu ernennen, in die Hände der Herren gelegt. Und die Herren haben dieses Recht gebraucht, und haben mich zum Herzoge gewählt. Sie haben vor der Wahl gesagt, sie hätten dich mit ihrem Eide als Nachfolger anerkannt im offenbaren Sinne, daß dein Vater noch so lange lebe, bis du gereift, und zur Herrschaft unterrichtet bist. Als aber dein Vater todkrank wurde, ehe sich der Sinn des Eides erfüllen konnte, war der Eid erloschen. Die Herren wählten statt eines Jünglinges, der noch nicht herrschen konnte, einen Mann, von dem sie vermuteten, er werde es können. Ich zauderte vor der Wahl; aber sie sagten, es sei die Pflicht meines Herzens,[794] daß ich die Herrschaft nehme, und ich nahm sie. Die mich wählten, um in dem Lande schalten zu können, sind im Irrtume gewesen. Und wenn ich damals selbst unrechtmäßig Herzog gewesen wäre, so ist dein Recht erloschen, Wladislaw, als du dich Konrad unterworfen hattest, den die, welche an meiner Stelle nicht herrschen konnten, zum Herzoge gewählt haben. Und ist dein Recht erloschen, so ist das meinige auferstanden. So sind die Dinge, Wladislaw, und so hat dein Vater ahnend vor dem Sterben gesagt: ›Unterwirf dich Wladislaw, Načerat wird gegen ihn nicht siegen.‹«

»Du hast die Macht, und deine Anhänger sagen, du hast das Recht«, antwortete Wladislaw.

»Ich habe zu dir gesprochen«, sagte der Herzog.

Dann rief Wratislaw: »Du hast von Schriften geredet, in denen von Beschwerden zu lesen ist, und welche du den Herren, die hier versammelt sind, vorgelegt hast. Wer weiß es, welche Papiere du gezeigt hast.«

Der Herzog Wladislaw antwortete: »Wenn ich hätte ungebührlich handeln wollen, Wratislaw, hätte ich euch nicht hieher berufen, sondern euch bloß verfolgt.«

»Und wenn ich zu Grunde gehen und in die Erde versinken sollte«, rief jetzt Wratislaw mit lauter Stimme, »so werde ich nicht um Verzeihung bitten.«

»Du hast gesprochen«, sagte der Herzog, »was reden die andern?«

»Ich werde nicht um Verzeihung bitten«, sagte Konrad.

»Ich werde auch nie deine Verzeihung anflehen«, sagte Otto.

»Mir kömmt eine Bitte um Verzeihung nicht zu«, sagte Leopold.

»Mir auch nicht«, sprach Spitihněw.

»Und da ich zu meinem Vater nicht gesagt habe: Ich unterwerfe mich Wladislaw, so unterwerfe ich mich auch jetzt nicht«, sagte Wladislaw, der Sohn des vorigen Herzoges Soběslaw.[795]

»Ihr habt gesprochen«, sagte der Herzog Wladislaw, »und was ihr tun werdet, ist eure Sache. Die nicht um Verzeihung bitten, haben noch einen Monat Frist, und dann können sie ungeschädigt dorthin gehen, woher sie gekommen sind.«

Nach diesen Worten schwieg der Herzog eine kleine Zeit, dann wendete er sich gegen Guido, den Abgesandten des Heiligen Vaters, und sprach: »Guido, hocherhabener Kardinal, hochehrwürdiger Abgesandter des Heiligen Vaters Innozenz, die Söhne dieses Landes haben jetzt eine Sache dieses Landes abgehandelt. Weil Ihr in das Land gekommen seid, zu schlichten, und zu richten, ist es Euch genehm, einige Worte zu reden?«

Guido antwortete: »Hocherlauchter Herzog, ich werde im Berufe meiner Sendung meine schwachen Worte verkündigen. Konrad, Wratislaw, Otto, die ihr Macht in dem Lande Mähren gehabt habet, ihr habt diese Macht gegen die hocherhabene Kirche und gegen den rechtmäßigen Herzog gewendet. Es sind Ärgernisse in die Seelen und Blutvergießen in die Leiber gekommen. Zur Milderung dient es euch, daß ihr vielleicht nicht wußtet, wie groß die Sünde ist, die ihr begangen habt; aber so groß ist sie, daß der hochehrwürdige Bischof von Mähren, Zdik, den Bann über das ganze Land Mähren in Kraft seiner Apostelswürde aussprechen mußte. Ihr habt aber die Größe eurer Sünde nicht erkannt, oder seid halsstarrig geblieben. So groß ist die Sünde, daß der Heilige Vater den Bann nicht nur bestätigte, sondern ihn verschärfte. Und ihr seid dennoch in der Sünde geblieben. In das dritte Jahr liegt die Traurigkeit des Bannes auf dem unglücklichen Lande. Alle Seelen, die nach den Labnissen des Glaubens schmachteten, alle Seelen, die in Wirrsale gestürzt wurden, alle Seelen, die irrten, und alle Seelen, die durch den Bann verloren gingen, schreien zu Gott dem Allmächtigen um Sühnung gegen die, welche den[796] Bann verschuldet haben. So groß ist die Sünde, daß der Heilige Vater in seiner Erbarmnis eine Sendung in das Land zur Ermahnung, zur Ordnung, zur Schlichtung, zur Sühnung beschlossen, und daß er mich geringes Werkzeug dazu auserkoren hat, der ich aus geistlichem Gehorsame gekommen bin. Ehe ich kam, hat Gottes Langmut euch schon einen Teil eurer Schuld büßen lassen. Ihr seid in dem Kriege gegen euern rechtmäßigen Herzog besiegt worden, habt eure Macht und eure Bezüge verloren, und seid in dem fremden Lande in der Verbannung, oder wie Flüchtlinge auf der heimatlichen Erde. Und doch habt ihr nicht erkannt, was durch euch geschehen ist. Viele Mühsal und viele Worte sind dann um eurer Erbitterung willen, um eurer Rachsucht willen, um eurer Herrschgierde willen angewendet worden, und sind vergeblich gewesen. Jahre sind darüber hingegangen. Endlich hat sich Gottes Güte eurer erbarmt, und hat euer Herz erweicht. Ihr und das Volk habt geschworen, daß ihr der Kirche und euerm Bischofe die völlige Genugtuung geben wollet. Ich bin darauf mit meinem Geleite zu Regimbert, dem hochehrwürdigen Bischofe von Passau, gegangen, bei welchem euer Bischof Zdik gewesen ist. Euer Bischof ist mit mir und mit meinem Geleite nach Prag gezogen. Ihr wisset, er ist hier. Er wollte nicht unter euern Richtern sein, darum ist er nicht in diesem Saale. Aber vor dieser hohen und ehrwürdigen Versammlung der mächtigsten und besten Söhne der Länder Böhmen und Mähren, der höchsten Priester und der höchsten Herren müsset ihr euern Schwur verkündigen, und vor dem Angesichte des hochehrwürdigen Bischofes Zdik müßt ihr ihn verkündigen, wenn er der tiefe, der ernste, der heilige Schwur ist.«

»Ich habe nie einen Schwur gebrochen«, rief Wratislaw.

»Ich auch nicht«, rief Konrad.

Und so riefen auch die andern.[797]

»Weil es so ist«, sagte der Kardinal Guido, »so werdet ihr es der Versammlung und dem Bischofe sagen, daß ihr auf das Kreuz des Heilandes geschworen habt, der Kirche und dem Bischofe von Mähren die völlige Genugtuung zu leisten. Und ich bitte dich, Konrad, rede.«

Konrad stand auf, und sprach: »Weil Ihr bittet, hocherhabener Kardinal, so sage ich: Ich habe auf das Kreuz des Heilandes geschworen, der Kirche und dem Bischofe von Mähren die völlige Genugtuung zu leisten.«

Dann sprach Guido: »Ich bitte dich, Wratislaw, rede.«

Wratislaw stand auf, und sprach: »Wenn Ihr nicht eine Bitte getan hättet, hocherhabener Kardinal, hätte ich nicht geredet, so aber sage ich: Ich habe auf das Kreuz des Heilandes geschworen, der Kirche und dem Bischofe von Mähren die völlige Genugtuung zu leisten.«

Dann sprach Guido: »Ich bitte dich, Otto, rede nun auch du.«

Otto stand auf, und sprach: »Aus dem Grunde Eurer Bitte, hocherhabener Kardinal, sage ich: Ich habe auf das Kreuz des Heilandes geschworen, der Kirche und dem Bischofe von Mähren die völlige Genugtuung zu leisten.«

»Ihr habt nun vor dieser hohen Versammlung gesprochen«, sagte der Kardinal Guido, »es ist nun übrig, daß ihr auch in der Versammlung vor dem hochehrwürdigen Bischofe sprecht, und ich bitte euch darum.«

»Weil ich schon geschworen habe, so bin ich der Mann, daß ich es sage«, sprach Wratislaw.

»Ich rede auch so«, sprach Konrad.

»Und meine Worte sind die nämlichen«, sprach Otto.

Nachdem die Fürsten von Mähren diese Worte gesprochen hatten, wurden die Flügel einer Tür geöffnet, und im Geleite mehrerer Priester ging Zdik, der Bischof von Olmütz, in seinem bischöflichen Gewande und mit dem goldenen Kreuze in den Saal. Er setzte sich auf einen Stuhl, der neben Otto, dem Bischofe von Prag, für ihn in Bereitschaft stand.[798]

Als dieses geschehen war, sprach Guido, der Kardinal: »Zdik, hochehrwürdiger Bischof von Olmütz, Bischof des Landes Mähren, die Sprossen des hohen Stammes Přemysl, welche gegen die Kirche in Mähren und gegen dich gefehlt haben, sind des Fehls geständig und reuig, und haben auf das Kreuz des Heilandes geschworen, der Kirche und dir die völlige Genugtuung zu leisten. Ist es nicht so? Ich bitte dich, Konrad, rede.«

»Es ist so«, sagte Konrad.

»Ich bitte dich, Wratislaw, sprich«, sagte Guido.

»Es ist so«, sprach Wratislaw.

»Ich bitte dich, Otto, rede«, sagte Guido.

»Es ist so«, sagte Otto.

Dann sprach Guido, der Kardinal: »Leopold, Spitihněw, Wladislaw, ihr seid nicht mit einem großen Länderbesitze in Mähren seßhaft gewesen, und habt der Kirche und dem hochehrwürdigen Bischofe nicht Einkünfte, Pfründen und Güter entzogen; aber ihr habt sonst gegen die Kirche und gegen den hochehrwürdigen Bischof gefehlt, und habt auf das Kreuz des Heilandes den Schwur abgelegt, jede christliche Genugtuung, die nötig ist, der Kirche und dem Bischofe zu leisten. Ich bitte euch, saget dem hochehrwürdigen Bischofe vor dieser hohen Versammlung, daß ihr so geschworen habt.«

»Ich habe so geschworen«, sagte Leopold.

»Ich habe so geschworen«, sagte Spitihněw.

»Ich habe so geschworen«, sagte Wladislaw.

Darauf sprach Guido: »Und was ihr alle geschworen habt, wird geschehen. Der hochehrwürdige Bischof wird in das Land Mähren zurückkehren, ich werde in seinem Geleite sein, und die Genugtuung wird vollzogen werden.«

Nach diesen Worten stand Zdik, der Bischof von Olmütz, auf, und sprach: »Ich werde in Ehrerbietung, hocherhabener Kardinal, wenn Ihr wieder mein Kirchenland besuchen[799] wollet, ein Diener in Euerm Gefolge sein. Und wenn die Genugtuung geschehen ist, Söhne des Stammes Přemysls, so soll das Vergangene vergessen sein, ich werde mit denen, die im Lande sind, in christlicher Demut leben, und die nicht in dem Lande sind, werde ich segnen, und werde für sie beten.«

Er setzte sich dann wieder auf seinen Stuhl nieder.

Darauf sprach Guido, der Kardinal: »Und nun höret mich weiter, Sprossen des Geschlechtes Přemysl. Ich rede jetzt als Christ, ich rede als Priester, ich rede als Abgesandter des Stuhles der Menschheit, und ich rede mit der Zunge der Barmherzigkeit des Heiligen Vaters. Und was ich sage, gilt, welchem Lande ich immer angehöre, und welchem Lande ihr angehöret. Wenn ihr durch Reue, Buße und Genugtuung euch mit der Kirche und dem Bischofe von Mähren ausgesöhnt habt, so ist eure Sünde noch nicht getilgt. Ihr habt auch gegen euren rechtmäßigen Herrn, den Herzog von Böhmen und Mähren, gefehlt, da ihr mit den Waffen gegen ihn gestanden seid, da ihr das Blut der Seinen vergossen habt, und da ihr ihn gezwungen habt, das Blut der Eurigen zu vergießen. Ihr habt eine schwere Sünde gegen den heiligen Glauben begangen, der sagt, daß ihr der Obrigkeit gehorchen sollet, und der sagt, daß ihr nicht töten sollet. Ihr habet die Sünde der hoffärtigen Engel begangen, ihr habet die Sünde Kains begangen. Und wie heilig und wie groß der Glaube ist, gegen den ihr gesündiget habt, soll ich euch das sagen? Haben es nicht die weisesten Männer aller Länder, haben es nicht die Männer, die wie eine Sonne unter den Völkern leuchteten, haben es nicht die Männer, welche von der ganzen Menschheit verehrt wurden, gezeigt? Haben sie nicht mit ihrem Leben nach dem Glauben gerungen, durch den der Mensch zu Gott gelangt, und ohne den er nichts ist? Ich rede nicht von den Apostelmännern Cyrillus und Methodius und ihren unsäglichen[800] und unablässigen Bemühungen, mit denen sie bestrebt waren, dem Lande Mähren den Glauben zu geben, ich rede nicht von den tausend Martyrern, die in allen Teilen der Welt zu allen Zeiten für den Glauben gestorben sind, ich rede von den Heiligen des Landes Böhmen und von Männern des Landes Böhmen. Der heilige Wenzel, Herzog von Böhmen, baute die Kirche des heiligen Veit, und legte in sie einen Arm des heiligen Veit nieder, er gründete andere Kirchen, er tat demütig Dienste bei den gottesdienstlichen Handlungen, er betete in härenem Gewande, er fastete, und gab Almosen, und starb den Tod des Martyrers für den Glauben. Der heilige Adalbert ging in geringen Gewändern, und aß und trank nur zur Notdurft, und verwendete seinen Reichtum für den Glauben, er lebte nach den Vorschriften des Glaubens, und gab den Armen einen Teil seiner Einkünfte. An jedem Feiertage gab er den Bettlern große Almosen, an jedem Tage hatte er zwölf Arme bei sich, denen er in Erinnerung an die zwölf Apostel Speise und Trank reichte. Er ging in Mühsal in fremde Länder, den Glauben zu predigen, und litt dort den Tod für den Glauben. Und wie hoch haben die Menschen den heiligen Adalbert geehrt. Da der Fürst Břetislaw vor mehr als hundert Jahren von dem Kriege gegen Polen mit seinem Heere zurückkehrte, und die Nachricht sich erhob, daß er den Leichnam des heiligen Adalbert aus der Stadt Gnesen, dem Sitze der polnischen Fürsten, bringe, zog die ganze Priesterschaft von Prag und alles Volk dem Heere entgegen, daß das breite Feld am Bache Rokytnice die Menge der Menschen nicht faßte. Dann trugen der Herzog Břetislaw und der Bischof von Prag auf ihren Schultern den Schrein, in welchem der Leichnam des heiligen Adalbert war. Nach ihnen kamen die Äbte, und trugen die irdischen Überreste der fünf heiligen Einsiedler, die zur Zeit des polnischen Boleslaw den Martyrertod erlitten hatten. Dann[801] trugen Erzpriester der Kirche von Prag den Leichnam Radims, des Bruders des heiligen Adalbert, welcher der erste Erzbischof von Gnesen gewesen war. Dann kamen die Kleinode, die zu Adalberts Grab gehört hatten, das hinter dem Altare der Kirche zu Gnesen gewesen war. Zwölf Priester trugen das goldene Kreuz, das der polnische Boleslaw hatte machen lassen, dreimal so schwer als er selber. Dann wurden drei goldene Tafeln getragen, die den Altar in Gnesen umgeben hatten, davon die größte dreihundert Pfund wog, und mit edlen Steinen besetzt war. Dann kam das Heer, und es kamen alle Menschen. Zuletzt gingen hundert Wägen, welche die Beute führten, und es gingen die Gefangenen. Sie gingen zuletzt, weil sie nicht zu der Verherrlichung Adalberts gehörten. Prag hat nie einen solchen Tag gesehen. Ich spreche weiter von andern Männern. Der Bischof Izzo besuchte eifrig die Gefangenen und Kranken, und speisete täglich vierzig Arme, denen er den Tisch segnete, und denen er die Speisen und Getränke austeilte. Der Herzog Spitihněw wohnte in der Fastenzeit in dem Priesterhause zu Prag, in ein Priestergewand gekleidet. Er schwieg von der ersten Abendstunde bis zu der ersten Morgenstunde, er brachte den Vormittag in geistlichen Dingen, beim Gottesdienste, in Almosengeben, in Wachen und Beten zu, und erst nach dem Mittagmahle übte er die weltlichen Geschäfte. Der Bischof Jaromir ging in der Fastenzeit in jeder Nacht in grobe Leinwand gekleidet in die Kirche, und betete dort auf dem Pflaster. Und in jeder Nacht teilte er vor den Psalmen und nach den Psalmen, und nach der Frühmesse, die noch in der Nacht war, vierzig Laibe Brod und vierzig Heringe aus, und bei der Morgendämmerung wusch er zwölf Pilgern die Füße, und gab jedem einen Denar, und am Mittage aß er mit vierzig Armen. Und zu jeder andern Zeit des ganzen Jahres wurden täglich vierzig Arme in dem bischöflichen[802] Hause gespeiset, und zweimal im Jahre gekleidet. Der Herzog Soběslaw und seine Gattin Adelheid stifteten und hielten noch bei der Zeit ihres Lebens ihr Totenjahresgedächtnis. Es wurde eine Woche von Allerheiligen an mit Gottesdienst, Beten, Fasten, Almosen von dem Herzoge und der Herzogin und den Priestern und Nonnen Prags gefeiert, und am letzten Tage hielt der Herzog mit den Priestern ein festliches Mahl in dem Priesterhause des Wyšehrad. Soll ich euch noch sagen, was die erlauchten Herzoge von Böhmen und Mähren für den Glauben und die Kirche gestiftet und getan haben? Ihr wisset dieses alles ohnehin. So hoch haben solche Männer den Glauben geachtet. Du, Wratislaw, wirst in dieser Welt nicht zu Grunde gehen, und wirst nicht in die Erde versinken, wenn du für die Sünde gegen den Herzog nicht Buße tust; aber du wirst in jener Welt ewig verdammt sein. Und wie die Freude kein Auge gesehen, und kein Ohr gehöret, und wie sie in keines Menschen Herz gekommen ist, die Gott denen bereitet hat, die ihn lieben: so hat die Strafe kein Auge gesehen, kein Ohr gehöret, und sie ist in keines Menschen Herz gekommen, welche die trifft, die seine Gebote verachten. Und von allem Fehler muß man sich reinigen, zur Zerknirschung, zur Reue, zur Buße, zur Genugtuung muß man kommen, wenn man zu dem Vater in dem Himmel eingehen will. Der Heiland hat gesagt: Ich bin sanftmütig und von Herzen demütig. Der Heiland hat gesagt: Wer in das Himmelreich eingehen will, nehme sein Kreuz auf sich, und folge mir nach. Der Heiland hat gesagt: Wenn ihr nicht unschuldig werdet wie diese Kleinen, werdet ihr nicht in das Himmelreich eingehen. Nicht nur um Verzeihung mußt du wegen der Sünde gegen den Herzog bitten, Wratislaw, du mußt Reue fühlen, du mußt Buße üben, du mußt Genugtuung leisten, und mußt alles das Gott opfern in der Liebe zu[803] Gott. So habe ich zu dir gesprochen, so habe ich zu denen gesprochen, die gegen den Herzog gesündiget haben. Bedenket es, und denkt an den Glauben.«

Nach diesen Worten schwiegen alle in der Versammlung, und es schwiegen die Abkömmlinge Přemysls, an welche die Worte gerichtet gewesen waren.

Nach einer Zeit sprach der Herzog: »Hocherhabener Kardinal, Ihr habt geredet in den Sachen des heilgen Glaubens, und für den heiligen Glauben. Wir haben gehöret. Und wie wir Euch danken für alles, was Ihr schon in unseren Ländern geredet und getan habt, und wie wir auch danken werden für das, was Ihr noch reden und tun werdet: so danken wir Euch für diese Worte.«

Otto, der Bischof von Prag, stand auf, und sprach: »Wir danken demütig und ehrerbietig dem hocherhabenen Kardinale, dem Abgesandten des Heiligen Vaters.«

Und alle Männer in der Versammlung erhoben sich, und sagten: »Wir danken demütig und ehrerbietig dem hocherhabenen Kardinale, dem Abgesandten des Heiligen Vaters.«

Der Herzog sprach hierauf: »Und nun rede ich zu euch, ihr hohen Herren der Kirche, Priester der Kirche, Sprossen Přemysls, hohe und niedere Herren der Länder Böhmen und Mähren. Weil wir zu Ende geführt haben, weshalb wir in diesem Saale versammelt waren, so danke ich euch, und verabschiede euch. Und wenn kleinere Rattage sind, so werden wir in dieser Zahl, und noch um Tausende vermehrt zusammen kommen, wenn die Kirche des heiligen Veit eingeweiht wird, die hergestellt ist, und in der der Gottesdienst beginnt. Und so gehabt euch wohl.«

Die Versammelten blieben noch sitzen.

Dann stand Guido, der Kardinal, auf, und sagte zu dem Herzoge Wladislaw: »Sei gesegnet, Sohn der Kirche.«

Wladislaw stand auf, und entblößte sein Haupt.[804]

Dann sprach Guido, der Kardinal, zu den Versammelten: »Seid gesegnet, Söhne unseres Glaubens.«

Die Versammelten standen alle auf, und entblößten ihre Häupter.

Dann sagten der Herzog und der Kardinal einander die Abschiedsgrüße, und jeder von ihnen ging mit seinem Gefolge bei einer andern Tür hinaus.

Die Männer, welche versammelt gewesen waren, zerstreuten sich jetzt auch von ihren Sitzen, und verließen den Saal.

Die mährischen Fürsten gingen auch bei einer Tür hinaus.

Von dem Tage an waren nun viele Versammlungen der hohen Herren der Kirche, zu denen auch Räte und Hofherren des Herzoges und Lechen und Herren des Landes geladen wurden. Es war an dem, daß kein Priester fortan mehr in der Ehe leben sollte, und der eine Gattin hatte, sollte sich von ihr trennen, oder seine Würde verlassen. Dann sollten die beiden Bischoftümer Böhmen und Mähren in einzelne ständige Pfarreien eingeteilt werden, und jeder Priester sollte die Weihe nur für eine voraus besagte Pfarre erhalten. Die heidnischen heiligen Haine und Bäume, Feste auf den Gräbern, Wahrsagerei und Zauberei sollten aufhören, und es sollten die christlichen Sonntäge und Feiertäge und Festtäge gehalten werden. Guido beriet mit den Kirchenherren die Mittel dazu. Es kamen nun aus vielen Gegenden Pfarrer und Priester, und selbst solche, die nur unvollkommene Weihen erhalten hatten, und der Kardinal Guido sprach mit einem jeden von ihnen. Er ließ auch manche berufen.

Zu dem Rate über das mittägliche Waldland wurde auch Witiko, und es wurden die anderen Herren und Männer des Waldes geladen. Als Witiko gefragt wurde, wie es in dem Walde sei, sprach er: »Hocherhabner Herr Kardinal, erlauchter Herzog, hohe Herren der Kirche, und Herren[805] des Landes. Was ich sage, habe ich selber erfahren, und es hat mir ein frommer Priester, Benno von Přic, der mein gütiger Lehrer und Erzieher war, davon erzählt. In dem Walde an der jungen Moldau ist das Christentum viel früher gewesen als in den andern Teilen des Landes. Gotterfüllte Einsiedler haben hin und hin in dem Walde gelebt, und haben die Andacht des Glaubens geübt. Ihr Glöcklein und die Sage von ihnen rief Menschen herbei, und diese beteten mit, und wurden in dem Glauben belehrt, und breiteten ihn aus. Und aus mancher Siedelei ist eine Kirche geworden. Bei jeder Kirche und bei jedem Kirchlein, wenn es auch nur von Holz ist, besteht ein ständiger Pfarrer. Und da die ersten Priester die Siedler gewesen sind, so hat nach ihrem Brauche keiner, der auf sie gefolgt ist, ein Weib genommen. In der sehr alten Zeit aber, da noch das Heidentum in all den Ländern um uns gewaltet hat, da ist der Wald an der jungen Moldau so groß und so unwirtlich gewesen, daß keine Menschen in ihm gewohnt haben. Es sind also dort wenige Heiden gewesen, und wenige Gewohnheiten aus dem Heidentume übrig geblieben. Die Pfarrer streben, sie auszurotten, da sie dieselben verbieten, und mit kirchlichen Strafen belegen, und da sie die Kinder belehren, daß mit den alten Leuten die Gewohnheiten aussterben. Und wir alle sollten, wie wir es verstehen, mit den Pfarrern dazu wirken. Und die Herren im Walde tun es auch, und ich werde es tun. Die Kirchen sind noch sehr weit von einander entfernt; es werden aber neue, wo Menschen an einer Stelle sich mehren, und ich werde im Walde bei meinem Hause eine Kirche errichten, sobald ich es tun kann.«

Was Witiko gesagt hatte, sagten auch Rowno und Diet und Hermann und die andern. Und der Župan Lubomir sprach auch so, der einen Teil des Waldes beherrschte.

Und nach den Sachen des Glaubens sollten auch noch[806] Dinge über die Besitztümer der Kirche oder Streitigkeiten darüber geschlichtet werden, insonderheit der alte Streit zwischen den Bischöfen von Prag und Olmütz über Podiwin.

Guido hatte manche Zusammenkünfte mit den mährischen Fürsten.

Öfter war auch Rat bei dem Herzoge.

Als vierzehn Tage seit der großen Versammlung vergangen waren, geschah die Einweihung der Kirche des heiligen Veit.

Der Herzog Wladislaw kam an dem Festtage mit dem Gefolge aller seiner Hofherren und der Lechen und Führer und Herren der Länder Böhmen und Mähren vor die Kirche. Die Herzogin kam mit ihren Frauen. Guido kam mit seinem Geleite. Es kamen Otto, der Bischof von Prag, Zdik, der Bischof von Olmütz, und Daniel, der Propst, und die Erzpriester und Priester von Prag und die Äbte der Klöster, und die Nonnen, und die Pröpste und Priester und Pfarrer aus vielen Teilen der Länder, und selbst aus der Fremde. Es kam ein Teil der Krieger Wladislaws, und es kam unzähliges Volk. Mehr als tausend Scharen von Menschen sind von allen Seiten der Länder Böhmen und Mähren zu dem Feste der heiligen Kirche Böhmens gekommen. Die Herbergen hatten sie nicht gefaßt, und sie lagerten unter dem freien Himmel.

Auf einem Platze abseits der Kirche, der mit unbehauenen Schranken umgeben war, knieeten mit entblößtem Haupte, mit bloßen Armen, mit nackten Füßen und in Gewänder von grober Leinwand gekleidet, Konrad, Wratislaw, Otto, Leopold, Spitihněw und Wladislaw, die Sprossen aus dem Stamme Přemysls.

Die Weihe der äußeren Teile der Kirche wurde begonnen.

Alle, die vor ihr waren, knieeten in Andacht auf die Erde nieder. Es knieete der Herzog mit den Seinigen, die Herzogin[807] mit den Frauen, alle Priester, die nicht bei der heiligen Handlung mitwirkten, und alle anderen. Es war der ganze Berg mit knienden Menschen voll.

Unter den Frauen der Herzogin knieete Dimut, und betete. Sie war in ein schwarzes Gewand gekleidet, und ihre Augen waren gegen die Erde gewendet.

Da die Heiligung vor der Kirche vollendet war, wurden ihre Tore geöffnet, und die Priester und der Herzog und die Herzogin und die Hofherren und die Herren der Länder und Krieger und Volk gingen in dieselbe.

Die mährischen Fürsten blieben auf ihrem Platze knien, da sie nicht in die Kirche gehen durften, weil sie in dem Banne waren.

In der Kirche wurde die Weihe ihrer inneren Teile begonnen, und dann war ein feierlicher Gottesdienst. Nie waren so viele und so hohe Kirchenherren bei einem Feste zugegen. Die Kirche war mit Menschen erfüllt. Und die Menschen vor der Kirche knieeten dicht an einander, und weit über den Berg knieten sie, und manche warfen sich auf die Erde, und beteten und weinten.

Als die Feier in der Kirche vollendet war, ging der Zug des Herzogs, der Herzogin, des Hofes, der kirchlichen Herren und der Herren der Länder wieder aus der Kirche.

Da der Zug an den mährischen Fürsten vorüber ging, lagen diese mit ihren Angesichtern auf der Erde. Manche Menschen, die vorüber gingen, weinten.

Die Herzogin Gertrud sagte zu ihren Frauen: »Das sind Sprossen des ersten Geschlechtes des Landes.«

Dimut antwortete darauf: »Gott ist allmächtig und herrlich. Er hat mir die Worte eingegeben, die ich im Kampfe gesagt habe: Unsere Heiligtümer sind nicht verloren, wir werden sie wieder aufbauen, und sie werden schöner sein als früher, und hilfreich und gnadenreich. Und die an ihnen gefrevelt haben, werden mit zerrauften Haaren[808] und mit entblößtem Armen auf der Erde liegen, und den Himmel um Barmherzigkeit anflehen. Und so ist es in Erfüllung gegangen.«

Der Herzog, die Männer der Kirche und des Landes, die Krieger und andere gingen an den Fürsten vorüber.

Dann verfloß eine Stunde.

Nach derselben saß der Herzog Wladislaw in dem Schmucke des herzoglichen Gewandes mit Kleinodien und Gold und Edelsteinen geziert auf dem Herzogstuhle vor der Hofburg. Der Kardinal Guido saß auf einem Throne, der für ihn errichtet worden war. Die Bischöfe, Äbte, Erzpriester, Pröpste und Priester und die Hofherren und die Lechen der Länder und die Führer des Heeres und Wladyken und Herren der Župen standen um den Herzogstuhl und um den Thron, und hinter ihnen rings um sie war Volk, daß ein Mensch an den andern festgedrückt war. Die Herzogin saß in ihrem Schmucke mit ihren Frauen auf dem Söller, und auf anderen Söllern waren andere hohe Frauen mit ihren Gefolgen.

Es wurde nun mit Mühe in der Menge der Menschen eine Gasse gemacht, und durch diese Gasse gingen die mährischen Fürsten vor den Herzogstuhl. An den Seiten jedes Fürsten gingen zwei Männer, und hielten zwei Schwerter über dem bloßen Haupte des Fürsten gekreuzt. Als die Fürsten auf den freien Raum vor dem Herzogstuhle gekommen waren, knieeten sie in den Sand nieder, und hoben die Hände der nackten Arme aus der groben Leinwand empor. Die gekreuzten Schwerter wurden über ihren Häuptern gehalten.

Die Menschen waren alle still.

Da rief Konrad die Worte: »Ich, Konrad, der Sohn Liutolds, aus dem Stamme Přemysl, bereue die Sünde, welche ich durch den Kampf gegen den rechtmäßigen Herzog von Böhmen und Mähren, Wladislaw, begangen habe, ich tue Buße, will Genugtuung leisten, und bitte[809] den hocherlauchten Herzog und Herren des Stammes, daß er mir verzeihe, wie mir Gott verzeihen möge.«

Dann rief Wratislaw: »Ich, Wratislaw, der Sohn Ulrichs, aus dem Stamme Přemysl, bereue die Sünde, welche ich durch den Kampf gegen den rechtmäßigen Herzog von Böhmen und Mähren, Wladislaw, begangen habe, ich tue Buße, will Genugtuung leisten, und bitte den hocherlauchten Herzog und Herren des Stammes, daß er mir verzeihe, wie mir Gott verzeihen möge.«

Und Otto, und Leopold, und Spitihněw und Wladislaw riefen nach einander die nämlichen Worte.

Als sie geendigt hatten, schwieg der Herzog eine kleine Zeit, und das Volk sah auf ihn.

Da öffnete er den Mund, und rief: »Entfernet die Schwerter.«

Die Schwerter wurden entfernt.

Dann rief der Herzog: »Stehet auf.«

Die Fürsten erhoben sich, und standen aus dem Sande auf.

Dann rief der Herzog: »Empfindet die Reue, tut Buße, und leistet Genugtuung vor Gott dem Richter, und er wird euch durch den Mund der Kirche verzeihen. Ich verzeihe euch, und verlange keine andere Genugtuung als künftig Treue gegen mich. Konrad, ich setze dich in dein Besitztum Znaim mit allen Gebühren und Bezügen wieder ein, wie es vor dem Kriege gewesen ist. Wratislaw, ich setze dich in dein Besitztum Brünn mit allen Gebühren und Bezügen wieder ein, wie es vor dem Kriege gewesen ist. Otto, ich setze dich in dein Besitztum Olmütz mit allen Gebühren und Bezügen wieder ein, wie es vor dem Kriege gewesen ist. Leopold, Spitihněw und Wladislaw, ich setze euch in alle eure Bezüge und Gebühren wieder ein, wie sie vor dem Kriege gewesen sind, und will sie vermehren. Jetzt gehet in eure Herbergen, kommt dann wieder, und teilet heute mein Brod mit mir an meinem Tische.«[810]

Und wie es stille gewesen war, daß man die Worte aus dem Munde des Herzoges wie eine Glocke in klarer Luft vernommen hatte, so wurde jetzt ein Schrei, der durch die Wolken des Himmels drang. Nach dem Schrei kamen die Worte: »Heil, Segen, Glück, Freude Wladislaw, dem guten Herzoge.«

»Wladislaw, dem guten Herzoge«, tönte es immer fort, und »Glück«, »Segen«, »Heil« tönte es fort.

Frauen und Mädchen aus dem Volke lösten Schleifen oder Blumen aus ihren Gewändern, ließen sie durch Männer vorwärts geben, und vor den Herzogstuhl zu den Füßen des Herzoges werfen. Männer nahmen nun Federn oder Bänder oder anderen Schmuck von ihren Hauben und ließen sie auch vor die Füße des Herzoges legen.

Der Herzog winkte mit der Hand, und dankte mit der Hand.

Dann erst konnten die Fürsten reden.

Konrad sprach: »Ich hoffe, daß mir Gott verzeihen wird, ich danke dir, hocherlauchter Herzog, für deine Verzeihung, und ich werde dir treu sein, so lange ich lebe.«

Wratislaw rief: »Gott wird mir vergeben, wie mir der hohe Herzog vergeben hat, dem ich treu sein werde durch mein ganzes Leben.«

Und solche Worte riefen die übrigen Fürsten einer nach dem andern.

Dann tönte wieder ein Rufen des Volkes.

Dann sagte Wladislaw: »Seid treu, und wir gedenken alle in der Zukunft des heutigen Tages.«

Die Fürsten wendeten sich zum Gehen. Das Volk machte ihnen eine Gasse. Sie gingen in dieselbe, die Gasse schloß sich hinter ihnen wieder, und sie waren nicht mehr zu sehen.

Der Herzog stieg von dem Herzogstuhle, so stieg auch Guido von dem Throne, und beide und alle hohen und[811] niederen Herren der Kirche und der Länder gingen der Hofburg zu. Da der Zug sich gegen die Burg bewegte, stimmte das Volk das Landeslied an, und der Gesang dauerte noch fort, da der Zug schon in die Burg eingegangen war.

Die Menschen zerstreuten sich. Viele gingen in die Kirche des heiligen Veit, die Kirche leerte sich nicht; wenn einige gingen, kamen wieder andere. Aus der Hofburg kam ein Mann, die Schleifen, die Bänder, die Sträuße, die Zierden, die man vor den Herzogstuhl geworfen hatte, zu sammeln, und in die Burg zu tragen.

Als der Mittag gekommen war, wurde ein Mahl in dem Herzoghofe gehalten. Die Zahl der Gäste war so groß, daß in dem Saale und in vielen Gemächern die Tische standen. Die Herren der Kirche waren in ihrer höchsten Zierde bei dem Mahle. Der Herzog und die hohen und niederen Herren der Länder hatten ihren größten Schmuck, und die Frauen und Jungfrauen prangten in den auserlesensten Gewändern und Kleinodien. Die Fürsten von Mähren saßen in Sammet und Seide, in Gold und Edelsteinen in der Nähe des Herzoges auf Ehrenplätzen. Posaunen und Flöten und Pfeifen erschallten zuweilen von den inneren Söllern, und zuweilen tönten von außen herein Gesänge.

Als das Mahl geendiget war, versammelten sich die Gäste in verschiedenen Abteilungen und sprachen mit einander, oder sie wandelten redend in verschiedenen Richtungen in den Gemächern.

Wratislaw kam mit dem Herzoge gegen Witiko, reichte ihm die Hand, und sagte: »Witiko, daß du uns verächtlich entrinnen ließest, hat mich mehr gekränkt als die tollen Worte des wilden Odolen. Rede nicht, du hast klug und rechtlich gehandelt. Wir haben Konrad geraten, die Belagerung aufzugeben. Wenn du ein Leche wirst, wie ich sagte, so wünsche ich dir alles Glück, du wirst ein hochgesinnter.«[812]

»Witiko«, sprach der Herzog, »der Bund ist größer geworden, wie du in dem Lager in meinem Zelte damals zu mir geredet hast. Und dir, Wratislaw, sage ich, daß er mir an jenem Abende gestanden hat, daß er auch die Söhne Přemysls vor Rache und Unbill habe sichern wollen.«

»Ich wußte es«, sagte Wratislaw, »und wenn uns Demütigung wurde, so haben wir die Demütigung gesucht. Wir konnten auf Feinde treffen, die anders gewesen wären. Wenn du nach Brünn kommst, so stehen dir die Tore der Burg offen, und es wird sie ehren, wenn du eingehst.«

»Und wenn wir alle, die jetzt vereint sind, in deine Nadelwälder jagen kommen, wie wir bei Chynow versprochen haben«, sagte der Herzog, »so wirst du uns Herberge und Bewirtung geben.«

»Ich kann auch ein Stücklein Brod und ein Plätzchen in dem Hause geben, das ich durch deine Gnade habe, hocherlauchter Herzog Wladislaw«, antwortete Witiko. »Und was ich getan habe, erlauchter Herzog Wratislaw, das habe ich getan, weil es so in meinen Sinn geflogen ist. Wenn ich nach Brünn komme, werde ich nicht versäumen, dir meinen Ehrfurchtsgruß zu bringen.«

»Alle Menschen handeln, wie es in ihren Sinn fliegt«, sagte der Herzog, »aber die Sinne sind verschieden. Wir werden einmal mit Absicht nach Brünn gehen, und dann gehst du mit, Witiko; aber nimm ein anderes Tier, als das nur im Schritt geht.«

»Einmal ist es schneller gewesen«, sagte Witiko.

»Von dem reden wir jetzt nicht mehr«, sagte der Herzog.

Da sie noch sprachen, kamen auch Otto und Wladislaw herzu, und sprachen mit. Sie wendeten sich dann gegen Witiko, und dankten ihm, wie er bei Pilsen gegen sie gewesen ist, und Wladislaw dankte ihm, daß er ihn gegen Odolen geschützt habe.[813]

Der Herzog und die Fürsten trennten sich nach diesem Gespräche von Witiko.

Nach einer Zeit kam Zdik, der Bischof von Olmütz, zu Witiko und sagte: »Edler Waldherr, du suchest ja deine Freunde nicht, sie suchen dich. Erinnerst du dich noch, wie Regimbert, der Bischof von Passau, gesagt hat: Die Wilden werden Lämmer werden? Seine Worte sind in Erfüllung gegangen. Aber es ist ein starker Hirte gewesen, vor dem sie Lämmer geworden sind. Guido hat mehrere Jahre mit Mühsal gearbeitet. Die Söhne Přemysls haben heute einen Sieg errungen, der der größte ist, den sie erringen können, und den ein Mensch erringen kann. Das Volk und alles Land hat gesehen, daß ein Herr in dem Himmel ist, und die Erde Staub, in den er den Sünder wirft. Und das Volk und alles Land hat gesehen, daß ein Herr in dem Himmel ist, der den Sünder, wenn er Buße getan hat, erhebt; er hat ihm durch die Kirche verkündigt, daß ihm verziehen ist, und er hat das Herz des Herzogs Wladislaw erweicht, daß er das Unrecht vergessen mußte.«

»Die Fürsten werden jetzt wohl treu sein«, sagte Witiko.

»Sie werden treu sein«, antwortete Zdik. »Sie haben bereut, und haben den Brauch der Kirche und des Landes auf sich genommen. Und wenn sie ihre Reue vergessen sollten, so ist die Macht des Herzoges Wladislaw jetzt schon zu groß, und sie wird noch größer werden, als daß sie etwas gegen sie ersinnen könnten.«

»Der Herzog Wladislaw hat jetzt den freien Weg vor sich«, sagte Witiko.

»Das Unglück, welches der hochehrwürdige Bischof Silvester geahnt hat«, erwiderte Zdik, »und von welchem der edle Leche Bolemil gesprochen hat, ist eingetroffen, und ist überwunden worden. Jetzt wird das Gute kommen, welches die voraus gesehen haben, die deshalb die Wahl Wladislaws gefördert haben.«[814]

»Er übt Gerechtigkeit, und ist gut«, sagte Witiko.

»Wir wissen alle noch nicht, was werden wird«, sagte Zdik; »aber es wird etwas werden. Er wird den Glauben schützen, er wird die Bösen niederhalten, wird sorgen, daß alle ihren Bedarf stillen können, und wird unser Ansehen mit dem Ansehen anderer Länder verknüpfen.«

»Er wird unser Ansehen in ferne Reiche tragen«, sprach Witiko.

»Auch das kann geschehen«, antwortete Zdik, »und möge ihm dann Treue und Freudigkeit der Seinen zur Seite stehen.«

»Er ruft die Treue und Freudigkeit hervor«, sagte Witiko, »und sie werden ihm in der Zeit nicht fehlen.«

»So ist es«, entgegnete Zdik. »Witiko, der hocherhabene und milde Kardinal Guido ist in Passau gewesen, und der hochehrwürdige Bischof Regimbert und ich haben ihm von dir erzählt. Er hat gesagt, daß ich dich heute zu ihm führen soll. Folge mir.«

»Ich folge Euch«, sagte Witiko.

Zdik führte Witiko an vielen Menschen vorüber in ein Gemach. In demselben saß der Kardinal auf einem Stuhle, und viele Menschen waren um ihn: die Herren der Kirche, Priester und andere. Witiko mußte warten, weil mehrere da waren, mit denen der Kardinal reden sollte. Als diese Reden geendiget waren, führte Zdik Witiko an der Hand dem Kardinale näher. Der Kardinal sah es, und winkte sie mit der Hand hinzu. Da sie vor ihm standen, sagte Zdik: »Hocherhabener Kardinal, dieser Mann ist Witiko, erlaubet, daß er Euch die Ehrfurcht bezeugt.«

Der Kardinal reichte Witiko das Kreuz.

Witiko küßte es.

Dann sagte der Kardinal: »Mein junger Sohn, du hast der Kirche in der Bedrängnis gedienet, und du hast im Streite die Friedfertigkeit angestrebt.«[815]

»Hocherhabener kirchlicher Fürst«, sagte Witiko, »ich suchte zu tun, wie es die Dinge fordern, und wie die Gewohnheit will, die mir in der Kindheit eingepflanzt worden ist.«

»Und der Glaube, mein Sohn, den der gute Priester Benno in dein Herz gesenkt hat«, sagte der Kardinal. »Du hast an dem Sonntage im Walde, da nirgends eine Kirche war, den Tag gefeiert, dein Tier hat geruht, und du hast in der Einsamkeit der Bäume gebetet. Und wenn du zu tun strebst, was die Dinge fordern, so wäre gut, wenn alle wüßten, was die Dinge fordern, und wenn alle täten, was die Dinge fordern; denn dann täten sie den Willen Gottes.«

»Oft weiß ich nicht, was die Dinge fordern«, sprach Witiko.

»Dann folge dem Gewissen, und du folgst den Dingen«, sagte der Kardinal. »Der Herzog hat dich für deine Dienste belohnt, Witiko, und ich hege den Wunsch, daß dir der Segen immer gewärtig sei, der zu dem Guten kömmt. Ich habe zu den Namen der jungen Leute dieser Länder, die ich mir merken will, auch deinen Namen geschrieben. Ich werde die jungen Namen dem Heiligen Vater als das Gute bringen, das nachwächst. Und wenn du das Heil hast, nach Rom zu kommen, so will ich dich vor das Angesicht des Heiligen Vaters führen.«

»Wenn mir zu Teil wird, daß ich die Stadt der ewigen Dauer sehen soll«, sagte Witiko, »und wenn ich es erlebe, vor den Heiligen Vater gestellt zu werden, möge ich dann dessen auch würdig sein.«

»Du wirst es, wenn du dich nicht änderst«, sagte der Kardinal, und reichte Witiko das Kreuz zum Kusse.

Witiko küßte das Kreuz, und entfernte sich mit Zdik. Mehrere Menschen gingen zu dem Kardinale.

Zdik sagte zu Witiko: »Der hocherhabene Kardinal geht jetzt nach Mähren, den Bann aufzuheben. Dann geht er[816] wieder nach Böhmen, weil vieles werden muß. Er will dann den Priester Benno zu sich rufen lassen.«

»Das wird Benno sehr freuen«, sagte Witiko, »er ist aus Demut nicht zu dem Kardinale gegangen.«

»Der hocherhabene Kardinal weiß es«, sprach Zdik.

»Benno ist jetzt in unserem Hofe Přic«, sagte Witiko.

»Es ist uns bekannt«, antwortete Zdik. »Wenn du dein Haus gebaut hast, und wenn eine Zeit ist, nach Mähren zu kommen, so komme nach Olmütz, daß ich dir die Gastfreundschaft vergelte, die du an mir geübt hast, und in die du mich bei andern eingeführt hast.«

»Ich werde Euch meine Ehrerbietung und meinen Dank für Eure Freundlichkeit darbringen, sobald ich es werde tun können«, sagte Witiko.

»Und so gehabe dich wohl, mein edler Waldherr«, sprach Zdik, »und gedenke meiner.«

»Ich danke Euch für das Gute, das Ihr mir heute getan habt, ich denke stets Eurer, und gehabt Euch wohl«, antwortete Witiko.

Sie trennten sich.

Witiko wollte nun Silvester aufsuchen.

Er ging durch die Menschen dahin.

Er sah Rowno in dem Festgewande eines Waldwladyken, mit dem Waldschmucke und dem goldenen Gürtel.

Er sah auch Wolf von Tusch und Wernhard von Ottau in sehr schönen Gewändern.

Der alte Bolemil saß auf einem kostbaren Gesiedel. Er hatte ein wallendes Kleid von braunem Sammet an seinem Leibe, und das Kleid wurde von einem goldenen Gürtel mit grünen Steinen umspannt, und der weiße Bart floß auf den braunen Sammet nieder. Um ihn saßen mehrere alte Männer, und es standen mehrere junge neben ihm, und hörten auf seine Worte, und sprachen zu ihm.

Witiko kam zu Welislaw und Dimut, welche mit einander aus einem Gemache gegen andere Gemächer gingen.[817] Welislaw hatte ein blaues Sammetgewand mit einem silbernen Gürtel, auf dem rote Steine zu Rosen gefaßt waren. Auf dem blonden Haupte hatte er eine weiße Sammethaube mit einer kurzen geraden weißen Feder, die auch aus einer roten Steinrose emporstand. Dimut hatte ein dunkelblaues Sammetgewand mit einem Gürtel, gewebt aus Gold und Silber, hellblauen Steinen, und ihr Haarnetz hatte das Gewebe und die Steine des Gürtels.

Welislaw sagte zu Dimut: »Und wie du heute, sehr schöner Krieger, keine Waffen an dir hast, sondern in dem prächtigen Frauenkleide mit den großen Edelsteinen einhergehst, die nur nicht so glänzen wie die zwei Edelsteine deiner Augen, so bedarfst du auch jenes Pfeiles nicht mehr, den du von unsern Feinden gefangen hast, die jetzt unsere Freunde sind.«

»Sehr schöner Župan vom Wyšehrad«, entgegnete Dimut, »der du nur dieses Spielzeug an deiner Seite trägst, und in dem prächtigen Männerkleide mit den roten Rosen einhergehst, die du von unserm Freunde Witiko genommen hast, und der du auch zwei blaue Edelsteine als Augen in deinem Angesichte trägst, du bedarfst der Pfeile nicht.«

»Ich bedarf ihrer, um dort zu verwunden, wodurch nichts anderes verwundet werden kann«, sagte Welislaw.

»Du bist der zweite Župan des Landes, und kannst dir Pfeile genug schneiden lassen«, antwortete Dimut.

»Diese gehen nur in die Herzen der bärtigen Krieger«, entgegnete Welislaw, »wenn ich deinen Pfeil hätte, wäre die Wunde schon da.«

»Er ist in dem Turme zu Rowna bei dem roten Banner, welches der Herzog meinem Bruder gegeben hat«, sagte Dimut.

»Und wenn du von deinem Bruder fort ziehst, wird der Pfeil bei dem roten Banner zu Rowna bleiben?« fragte Welislaw.[818]

»Und wenn ich von meinem Bruder fortziehen so weiß ich nicht, was mit dem Pfeile geschieht«, antwortete Dimut.

Witiko grüßte die beiden, sprach einige Worte mit ihnen, und ging dann seines Weges weiter.

Er sah an einem Fenster Odolen und Sezima stehen. Odolen hatte ein grünes Sammetgewand mit einem silbernen Gürtel, und auf seinen schwarzen Haaren hatte er eine weiße Haube mit einer schwarzen Feder. Sezima war in Blau und Gold gekleidet. Witiko ging zu ihnen, und fragte, ob sie nicht wüßten, wo er den Bischof Silvester finden könne.

Odolen antwortete: »Der ist bei denen, die jetzt in unserem Lande die römische Sprache reden.«

Witiko verabschiedete sich, und ging gegen das Gemach, in welchem der Kardinal Guido war. Er sah den Kardinal auf einem Stuhle sitzen, und an seiner rechten Seite saß der ehemalige Bischof Silvester und an der linken der Propst Daniel. Er sprach mit beiden. Weiter entfernt saßen die Bischöfe Otto und Zdik, und dann saßen oder standen noch andere Herren der Kirche und Priester und verschiedene Menschen.

Witiko entfernte sich wieder von der Tür des Gemaches, und ging eines anderen Weges zurück, als den er gekommen war. Er sah jetzt auch die Herzogin unter Frauen und Jungfrauen sitzen, und sah manche Herren und Frauen neben einander wandeln, und mit einander sprechen.

Er kam auch zu Lubomir. Derselbe saß auf einem Stuhle. Er hatte ein schwarzsammetenes Gewand, und auf dem Gürtel waren viele edle Steine in schimmernden Farben. Die schwarze Haube mit der weißen Feder hielt er in der Hand, und seine weißen Haare und sein weißer Bart leuchteten aus dem schwarzen Gewande. Es saßen mehrere alte Männer bei ihm, und junge standen daneben.[819]

»Witiko«, sagte er, »du gehest allein in diesen Gemächern, und sinnest nach andern Dingen.«

»Ich habe mit einigen Herren gesprochen«, sagte Witiko, »und suchte nun den hochehrwürdigen Bischof Silvester.«

»Mit dem hat der hocherlauchte Kardinal zu reden«, antwortete Lubomir, »er hat ihn und den Propst Daniel zu sich rufen lassen.«

»Ich habe gesehen, wie er mit ihnen sprach«, sagte Witiko.

»Meine Hauswirtin freuet sich schon«, sprach Lubomir, »wenn du einmal in deinem festen Stande bist, und auf eine längere Zeit zu uns kommen kannst, wie du es versprochen hast. Jetzt werden friedliche Zeiten kommen, und wir können von dem reden, was wir in unserem Lande, in unserer Gegend und unter unseren Leuten, und was wir in unserem Hause tun wollen. Boleslawa kann dir auch noch manches sagen, was dir zu gute kommen könnte.«

»Wenn der Frühling in das Land zieht, und unser Wald neu grünt«, antwortete Witiko, »werde ich in dem festen Stande sein, wie Ihr sagt. Und dann werde ich zu einer Zeit um freundliche Gastlichkeit in Daudleb bitten, und ich werde Euch auch bitten, daß Ihr mit den Eurigen nicht verschmähet, eine ehrerbietig gebotene Gastlichkeit in meinem Hause anzunehmen.«

»Ich bin bei dem Beginne deines Hauses gewesen«, sagte Lubomir, »und es geziemt sich, daß ich es auch betrachte, wenn es fertig ist.«

»Ihr dürft nicht allein kommen«, sprach Witiko.

»Wir werden in dein Haus kommen«, sagte Lubomir, »und werden öfter kommen, und werden kommen, wenn die junge Burgfrau in demselben schaltet.«

Witiko antwortete nicht.

Lubomir sprach: »Wenn wir gemach in die andere Welt[820] gehen, die wir weiße Haare haben, so müssen die, deren Scheitel noch dunkel ist, in dem Lande sein, und nach ihnen wieder dunkle Scheitel. Du bist ein guter Mann, Witiko, und die nach dir kommen, werden wieder gute Männer sein.«

»Das sind Dinge der Zukunft«, sprach Witiko.

»Und die Zukunft wird sich erfüllen«, antwortete Lubomir. »Eines ist nicht mehr weit zukünftig, ich wünsche dir recht viel Glück und Heil.«

»Das liegt in Gottes Hand«, sagte Witiko, »und mögen die Friedensjahre, die wir erwarten, voll Segen sein.«

»Und mögen wir den Segen bringen helfen«, sprach Lubomir. »Witiko, komme doch, so lange wir in Prag sind, noch zu mir.«

»Ich werde Euch noch in dem Hause Eures Stammes aufsuchen, wie ich Euch aufgesucht habe«, antwortete Witiko.

»Tue das«, sagte Lubomir.

Nach diesen Worten verabschiedete sich Witiko, und wandelte wieder weiter.

Er traf noch mehrere seiner Freunde, und sprach mit ihnen.

Endlich wurde das Zeichen gegeben, daß das Fest zu Ende sei, und Witiko ritt mit einigen seiner Männer, die ihn draußen erwartet hatten, in seine Herberge.

Die Feier der Kirche des heiligen Veit dauerte noch acht Tage. Der Herzog und die Herzogin, der Kardinal Guido und alle Herren der Kirche und die Herren des Landes waren täglich bei dem Gottesdienste. Die mährischen Fürsten beteten vor der Kirche. Viele Menschen kamen noch von allen Gegenden, und die zuerst keinen Platz in der Kirche gefunden hatten, suchten ihn später zu gewinnen. Nach dem Gottesdienste segnete der Kardinal die Gläubigen, und er segnete sie auf seinem Heimwege. Von dem mittäglichen Walde kamen auch Züge nach[821] Prag, um des Heiles dieser Tage teilhaftig zu werden, und jeder Zug hatte ein kirchliches Banner. Sie lagerten sich zwischen dem Wyšehrad und dem rechten Burgflecken. Manche gingen zu Witiko, und Witiko ging zu ihnen, und er erteilte ihnen Rat und, wo es nötig war, Gaben. Und als sie ihre Gebete verrichtet hatten, und als sie alles, was ihnen zu sehen würdig schien, in Prag betrachtet hatten, traten sie wieder den Heimweg an.

Der Kardinal Guido besuchte alle Kirchen und heiligen Orte, und er hielt in dieser Zeit auch Versammlungen, wie er sie vor ihr gehalten hatte.

Als die Feier der Kirche des heiligen Veit zu Ende gegangen war, verabschiedeten sich Konrad, Wratislaw und Otto in einer Versammlung von dem Herzoge, und gingen mit ihren Geleiten in ihre Länder nach Mähren. Viele Herren der Länder Böhmen und Mähren begleiteten sie. Leopold, Spitihněw und Wladislaw blieben in Prag.

Fünf Tage darnach traten Guido und Zdik ihren Zug nach Mähren an. Ein großes Geleite von Priestern und Herren war bei ihnen.

Witiko blieb in Prag.

Es waren noch Versammlungen bei dem Herzoge, und Witiko war bei den Versammlungen. Und er besuchte Bolemil und Lubomir und Diwiš und Preda und Chotimir und Wšebor, und er besuchte seine jungen Freunde, und seine jungen Freunde besuchten ihn.

In dieser Zeit strebte er auch, zu Männern zu kommen, welche nach Dingen des Waldes begehrten, damit er ein Einkommen in den Wald leite. Er nannte ihnen das Holz zu Kunstwerken, zu Geräten, zum Bauen und zum Brennen, er nannte ihnen die Kohlen, er nannte ihnen, was die Höfe liefern, deren Tiere die Waldkräuter genießen, er nannte die Felle der wilden Tiere, er nannte die Jagdtiere, die Früchte und Pflanzen des Waldes, die in entfernte[822] Gegenden gesendet werden können, den Honig der Waldbienen, das Pech, den Teer, die Rinden, die Steine und anderes, er nannte ihnen, was die Menschen aus den Dingen des Waldes verfertigen, und machte Verabredungen.

Er brachte auch vieles in Ordnung, was er für sein neues Haus bedurfte.

Und als es schon gegen den Winter ging, verabschiedete er sich bei dem Herzoge, und ritt mit den Seinigen nach Friedberg zurück.

Nach einer Zeit sagte ihm der Bauherr Eppo, daß das Witikohaus fertig sei. Die Gerüste waren weggenommen, und die Burg stand sichtbar gegen den grünen Wald. Auf der Spitze des höchsten Daches war der Wipfel eines Tannenbäumchens mit Bändern. Witiko ging in den Hof. Der Brunnen war mit schönen Steinen umfaßt, hatte ein schönes Dach, und um die zierliche Spindel war die Kette geschlungen, an der die Eimer hingen. Witiko ging in das Innere. Alle Räume waren bereit, ihre Ausrüstung zu empfangen.

Nun wurden Wägen und Säumer tätig, alles, was nötig war, in die Burg zu bringen, und Eppo arbeitete mit Männern und Werkleuten eifrig, sie wohnlich zu machen.

Witiko besuchte im Winter verschiedene Stellen des Waldes. Er war öfter in dem oberen Plane, er war in dem Häuschen im Wangetschlage, er war bei den Köhlern, in den Meierhöfen und an anderen Orten. Eines Tages ritt er nach Přic, und von dort zu Silvester, und von Silvester wieder nach Friedberg.

Als der Frühling in das Land zog, und der Wald grünte, wie Witiko zu Lubomir gesagt hatte, war das Witikohaus in festem Stande.

Witiko sammelte ein Geleite, und zog mit demselben nach Přic. Von Přic kam er mit diesem Geleite und mit[823] einem neuen und mit seiner Mutter und mit seiner Base und mit Benno nach Friedberg zurück.

In Friedberg ordnete er sich und die Seinigen, um eines Tages in die neue Burg zu ziehen.

Als der Tag gekommen war, legte er das Gewand an, welches er in der Schlacht auf dem Berge Wysoka getragen hatte, und nahm den weißen Schild mit der roten Waldrose. Dann sammelte er seine Dienstmannen aus Plan, Friedberg und Přic und alle seine anderen Männer. Seine Mutter und seine Base und ihre Frauen saßen in Sänften. Benno bestieg ein Pferd. Witiko setzte sich auf das alte eisengraue Pferd, auf dem er von Passau nach Böhmen geritten war, und so begann er mit den Seinigen den Zug. Es waren viele Menschen gekommen, daß in Friedberg ein Gedränge war, daß der Zug nur langsam gegen den Steg der Moldau kommen konnte. Und auch im Freien waren Menschen. Der Zug gelangte nach einer und einer halben Stunde durch den breiten Wald hinan vor die Burg. Auf dem grünen Anger vor derselben war ein Altar, und an dem Altare stand der greise Pfarrer von Plan und der Pfarrer von Friedberg, und neben ihnen stand Huldrik in einem Festgewande, wie ein Burgdiener, es standen alle Männer von Plan da, welche mit Witiko in dem Kriege gewesen waren, und auch andere Männer von Plan standen abgesondert da, es standen aus verschiedenen Teilen des Waldes, die im Kriege gewesen waren, und andere da, es standen in schönen Kleidern Jungfrauen von Plan und von Friedberg und vom Wangetschlag und von der untern Moldau und vom schwarzen Bache und von anderen Gegenden da, und hielten Festgewinde in den Händen, und weiter zurück standen Männer und Weiber und Kinder aus dem Walde, aus Fluren, die an den Wald grenzten, aus dem Lande der Mihel, das schon in Baiern ist, und aus entfernteren Strichen von Baiern.

Die Menschen blickten auf Witiko, als er heran ritt.[824]

Er ritt mit den Seinigen vor den Altar. Der Pfarrer von Plan machte ihnen das Zeichen des Segens entgegen. Darauf stiegen sie von den Pferden, und die Frauen wurden aus den Sänften gehoben. Sie knieten nun alle vor dem Altare nieder, und das ganze Volk kniete in das grüne Gras. Der Pfarrer von Plan hielt nun mit Hilfe des Pfarrers von Friedberg den Gottesdienst vor dem Altare. Als der Gottesdienst geendigt war, segnete der Pfarrer Witiko und die Seinigen wieder, und segnete das ganze Volk. Dann stieg Witiko auf sein Pferd, die Frauen wurden in die Sänften gehoben, und die Männer Witikos bestiegen ihre Pferde. Der Pfarrer von Plan aber schritt von dem Altare gegen die Burg. Ihm folgte Witiko, dann folgten die Sänften, dann folgten Witikos Männer. Die Jungfrauen säumten jetzt mit ihren Festgewinden den Weg.

Vor dem Tore der Burg stand der Pfarrer stille, und der Zug stand stille. Der Pfarrer segnete nun mit dem heiligen Wasser gegen das hohe Dach empor, er segnete gegen die Mauern, und er segnete gegen das Tor. Dann trat er seitwärts. Das Tor wurde geöffnet. Witiko hielt noch einen Augenblick stille. Dann machte er mit seiner rechten Hand das Zeichen des Kreuzes auf seine Stirne, auf seinen Mund, und auf seine Brust. Dann ritt er langsam unter das Tor. In dieser Zeit trat Huldrik zu ihm, und hielt ihm den Steg des Sattels. Als er unter dem Tore war, tat das Volk einen Glücksruf, der wie ein Gebrause gegen den Himmel ging.

Von dem Torbogen ritt Witiko in den Hof. Seine Mutter, die Base, und alle Frauen folgten ihm, und Benno und die Pfarrer von Plan und Friedberg folgten ihm, es folgten seine Männer, und es folgten die Jungfrauen und die Krieger, und es folgten so viele Menschen, als Platz finden konnten. Im Hofe stiegen die Frauen aus den Sänften und die Männer von den Pferden. Witiko führte seine[825] Mutter die Treppe hinan in die kleine Burgkirche. Die andern gingen hinter ihnen. In der Burgkirche wurde Benno mit dem kirchlichen Gewande bekleidet, und gab den Segen. Dann sprachen alle ein stilles Gebet. Dann ging Witiko mit seiner Mutter und seinem Gefolge in den Saal. Dort blieb er stehen, neigte sich auf die Hand der Mutter, und küßte dieselbe, die Mutter aber schlang beide Arme um seinen Nacken, und küßte ihn auf die Stirne. Dann geleitete er sie zu einem kostbaren Sitze. Sie ließ sich auf denselben nieder. Er setzte sich auch auf einen Sitz, und die Pfarrer, und Benno und andere setzten sich auf Sitze. Nun brachte Huldrik Brod und Salz, und reichte es jedem, der in dem Saale war, und jeder kostete davon.

Als dieses geschehen war, stand Witiko auf, und sprach: »Männer, die ihr zu mir gehört, und Freunde, die ihr gekommen seid, ich danke euch. Eppo und Mathias und Urban, und die ihnen dienen, werden euch weisen, wie alles eingerichtet werden soll.«

Dann führte er seine Mutter mit ihren Frauen in ihre Wohnung. Sie hatte Tränen in ihren Augen.

Hierauf führte er die Base Hiltrut in ihre Wohnung. Sie konnte vor Weinen nicht sprechen.

Dann geleitete er Benno in seine Wohnung.

Dann ging er in sein Gemach. In demselben befestigte er den Schild mit der roten Rose unter dem Bilde des Heilandes.

Dann ging er in den Saal, und von demselben auf den Söller hinaus. Unten waren zwanzig Männer beschäftigt, den Leuten Brod und Salz zu reichen. Sie nahmen alle davon. Und als sie Witiko sahen, riefen sie ihm zu. Er dankte ihnen mit Winken seiner Hand.

Viele Werkleute waren beschäftigt, aus rohen Brettern Tische und Bänke zu errichten. Aus den Schatten des Waldes wurden Fässer herbei gerollt, in denen Getränke[826] waren, und es wurden viele Feuer angezündet, und an ihnen Speisen bereitet.

Und als die Zeit des Mahles gekommen war, hielt Witiko mit allen, die auf den Bänken an den Tischen saßen, die auf den Steinen oder im Grase saßen, oder die standen, das Mahl, und was da war, wurde unter alle verteilt.

Als das Mahl beendiget war, und die Menschen durcheinander gingen, war Huldrik unter ihnen, und sagte: »Die Weissagungen gehen in Erfüllung. Jetzt hat Witiko den Anfang gemacht, und dann wird er die goldene Burg bauen, die einmal auf der Erde gestanden ist, und die jetzt nirgends auf der Erde steht, und meine Nachkommen werden es sehen.«

»Du hast ja kein Weib«, rief Tom Johannes, der Fiedler.

»Wenn es die Weissagungen sprechen, so werde ich ein Weib und Nachkommen haben«, sagte Huldrik.

»Und wenn es die Weissagungen sprechen, so werde ich noch mit dem Winkelhaken meiner Hand auf der Geige des Herzoges die lieblichsten Töne spielen«, rief Tom Johannes, der Fiedler.

»Wenn es die Weissagungen sprechen, so wirst du sie spielen«, sagte Huldrik.

»Witiko hat es geweissagt«, entgegnete Tom Johannes.

»Wenn Witiko weissagen kann, so wirst du spielen«, sagte Huldrik.

»So werden wir erleben, wie das wird«, sprach Tom Johannes.

»Wir werden es erleben«, antwortete Huldrik.

Zu Witiko aber kamen, da er noch an dem Tische saß, mehrere Jungfrauen. Sie gaben ihm einen Kranz aus Blumen und Blättern des Waldes, und gaben ihm einen Strauß aus solchen Blumen. Eine reichte ihm die fünfblättrige dunkelrote Waldrose.

»Die Rosen blühen ja noch nicht«, sagte Witiko.[827]

»Sie blühen noch nicht«, antwortete die Jungfrau, »wir haben sie aus Sammet und Seide gemacht.«

»Sie ist sehr schön gemacht«, sagte Witiko.

»Wenn das Einzugsfest zur Rosenzeit gewesen wäre, so hätten wir dir eine wirkliche Rose als dein Zeichen gegeben«, sprach das Mädchen, »wir haben nun diese gemacht, weil die Rose sehr lange blühen, und Glück bringen soll.«

»Diese Rose wird lange dauern«, sagte Witiko, »wenn auch ihre Farben schwinden. Ich werde mir sie aufbewahren, und werde deiner gedenk sein, Margareth, wenn du auch einmal ein Fest feierst.«

Das Mädchen antwortete nichts.

Witiko betrachtete die Waldrose, und er betrachtete die Blumen der Kränze und Sträuße. Dann gab er alles seiner Mutter zum Beschauen. Diese sah den Kranz, die Sträuße und die Waldrose an, lobte die zierliche Arbeit, und lobte, daß die Waldblumen gewählt und so an einander gereiht worden waren. Dann gab sie die Geschenke wieder an Witiko zurück. Witiko dankte den Jungfrauen, und reichte die Gaben an Jakob, daß er sie in die Burg trage. Die Jungfrauen brachten ihren Abschiedsgruß, und entfernten sich von dem Tische Witikos.

Der Schmied von Plan, und David, der Zimmerer, und Paul Joachim, der Maurer, und Elias, der Steinhauer, traten nun herzu, und brachten die Sprüche aus, welche bei dem Einzuge in ein neues Haus im Brauche waren, und Witiko und die anderen Männer gaben die Antworten, welche auf die Sprüche gehörten.

Dann standen alle von den Tischen auf.

Witiko ging unter die Leute, und sprach mit vielen Männern, mit Frauen, mit Jünglingen, mit Jungfrauen und selbst mit Kindern.

Die Mutter Witikos ging auch unter die Menge der Menschen, und sprach mit ihnen. Viele, besonders Frauen und Jungfrauen, drängten sich zu der Frau.[828]

Die Base Hiltrut sprach mit jedem, zu dem sie kam, und erzählte von Witikos Kindheit.

Die drei Priester, der Pfarrer von Plan, der Pfarrer von Friedberg und Benno, wandelten auf dem grünen Anger in Gesprächen herum, und redeten mit den Leuten, die auf sie zugingen, und gingen selber auf Leute zu.

Als der Nachmittag vorrückte, begannen die Menschen, sich zu zerstreuen.

Am Abende verabschiedete sich Witiko, und ging mit seiner Mutter und mit der Base und mit Benno und mit den Frauen und mit denjenigen, die zu seinem Dienste gehörten, in die Burg.

Als die Sonne untergegangen war, ertönte ein schöner Gesang aus dem Walde. Er war ein Gesang von Jungfrauen, dann kam ein Gesang von Jünglingen, dann kam ein Wechselgesang von beiden, und dann ein Zusammengesang von ihnen. Und so verschränkten sich und löseten sich die Gesänge immer anders. Witiko und die Frauen und Benno gingen auf den Söller hinaus, der gegen den Wald gekehrt war. Unten standen die Menschen dicht gedrängt gegen den Wald, um den Gesängen zu lauschen. Die Sänger und die Sängerinnen konnte man nicht sehen.

Als es finster geworden war, erglühete an dem fernen Gipfel des Hochfichtes ein Feuer wie ein Waldbrand.

Witiko wendete seine Augen dahin, und Wentila auch.

Aber dann glühte auf dem Gipfel des Bufferberges im Morgen von Friedberg ein gleiches Feuer empor. Es glühte eines auf dem Markwalde, eines auf dem Kienberge, eines auf dem Schwarzwalde, drei glühten auf den Wäldern, die hinter dem Kreuzberge bei Plan emporstanden, und man konnte eines auf dem Kreuzberge erkennen. In den Auen und auf den Weiden und Angern und Feldern und in den tiefen Waldstrichen, die an der Moldau dahin gingen, brannten viele kleinere Feuer.

Witiko ging nun mit den Seinigen von dem Söller in die[829] Burg, und sah aus derselben gegen die Morgenseite. Da brannten in dem Walde rechts von der Moldau Feuer bis gegen die Wasserfälle der Kienberge hinab. Im Mittage brannten auf den kleineren Büheln, die sich absenkten, Feuer, und im Abende waren Feuer in dem Walde bis zum Hochfichte, und eines war weit zurück auf der Senkung des Seewaldes zu erblicken.

Die Feuer brannten fort, und die Gesänge dauerten fort.

Witiko ließ nun in allen Gemächern der Burg Lichter anzünden, daß sie in diesem Scheine weithin gesehen werden konnte.

Nach einer Zeit schwieg der Gesang, und als ein Weile Stille gewesen war, ertönten plötzlich die Pfeifen und die Hörner, die Witiko in dem Kriege gehabt hatte, und es erschollen die Weisen, die auf den Zügen und in der Schlacht auf dem Wysoka und in der Schlacht vor Znaim erschollen waren.

Witiko hieß zwei Knechte Fackeln anzünden, und ging mit ihnen auf den Waldsöller. Dort nahm er seine Haube von dem Haupte, und schwenkte sie in dem Fackellichte dreimal zum Gruße.

Es ertönte von den Pfeifen und Hörnern ein freudiger Gegengruß.

Dann rief das Volk einen lange dauernden Ruf des Grußes empor.

Dann tönten die Pfeifen und Hörner wieder Kriegsweisen.

Dann erschollen die Gesänge der Jungfrauen.

Witiko ging wieder in die Burg.

Und die Gesänge der Jungfrauen und der Jünglinge und ihr Zusammengesang und das Tönen der Pfeifen und Hörner wechselte mit einander ab, und machte endlich eine Verschlingung.

Die Feuer brannten ringsumher fort.

Und als mit Zwischenräumen der Gesang der Jungfrauen[830] und der Jünglinge und der Klang der Pfeifen und Hörner eine Zeit gedauert hatte, erhob plötzlich eine Männerstimme unter den Menschen die Töne eines Waldgesanges, den alle Menschen in dem Walde kannten, und der das Lob des Waldes enthielt, und eine zweite Stimme gesellte sich hinzu, und ein dritte, und alsbald sangen alle Menschen, die versammelt waren, den Waldgesang. Und als er geendiget war, erhob eine Pfeife seine Töne wieder. Und die Menschen begannen den Gesang wieder, und stärker, als das erste Mal, und die Pfeifen und Hörner mischten sich darunter, und gingen in der Verbindung der Töne mit. Und als der Gesang zum zweiten Male aus war, tönte von den Pfeifen und Hörnern die Weise der Schlacht vor Znaim. Und dann tönten jene Rufe, die getönt hatten, als man den Feinden auf dem Berge vor Znaim in den Rücken gebrochen war. Und auf diese Rufe folgte ein großer Ruf der Freude von den versammelten Menschen. Dann war eine Weile eine Stille. Dann sangen die Jungfrauen einen sehr sanften Nachtgesang.

Hierauf war kein Gesang mehr und kein Tönen von Pfeifen und Hörnern. Von den Feuern umher waren einige erloschen, andere brannten schwächer.

Wentila erhob sich von ihrem Sitze in der Stube, in welcher alle versammelt waren, reichte Witiko die Hand, und sagte: »Ich suche meine Schlummerstätte. Ruhe in der ersten Nacht hier so sanft, mein Sohn, wie der Schlummergesang der Jungfrauen angedeutet hat.«

Witiko antwortete: »Geliebte Mutter, das Dach unseres Hauses sei zum ersten Male lieb und hold über deinem Haupte.«

Dann verabschiedeten sie sich, und Wentila ließ sich von Marhild und zwei anderen Frauen in ihr Gemach geleiten.

Die Base sagte: »Witiko, wie mußt du gut sein, weil sie[831] dich so lieben, und wie muß es damals in dein Herz gegangen sein, als die schrecklichen Töne der wilden Hörner, die heute hier erschallten, dort er schollen sind, wo die Menschen einander gemordet haben.«

»Das ist dort anders als hier«, sagte Witiko. »Lasse es dir hier wohl sein in der ersten Nacht, und möge es dir sehr lange, und wenn du willst, für immer hier wohl sein.«

»Fast so wohl wie in dem kleinen Häuschen in Landshut, weil wir alle beisammen sind«, sagte die Base.

Dann ließ sie sich in ihr Gemach geleiten.

»Witiko, mein Kind«, sagte Benno, »das ist ein wichtiger Tag gewesen; es beginnt nun eine neue Wirksamkeit. Du hast den Tag ohne Prunk begehen wollen, und die Menschen haben den Prunk ihres Herzens gebracht. Das ist gut. Es wird noch ein zweiter schöner Tag zur Freude deines Gemütes kommen. Beschließe den heutigen Tag mit einem Gebete, und beginne den Schlummer mit der Hoffnung auf jenen zweiten Tag.«

»Gott hat mir so viel Gutes für meine Mutter und für meine Freunde gegeben«, sagte Witiko, »daß ich es nur durch einen dankbaren Wandel gegen Gott werde abtragen können.«

»Du wirst es«, sagte Benno, »gehabe dich wohl.«

»Gehabe dich wohl«, sagte Witiko.

Die Männer reichten sich die Hände.

Dann ging Benno mit Jakob, der ihm eine Lampe trug, in sein Gemach.

Witiko befahl nun, daß die Knechte die Lichter in der Burg auslöschen.

Da dieses geschehen, und ihm die Nachricht davon gebracht worden war, sagte er: »Dienstmannen, Kuto und Beda, weil es der Gebrauch so will, so geleitet mich in meine Stube. Es ist nur dieses Mal, ich werde es dann nie fordern.«

»Wir tun unsers Dienstes jedes Mal«, sagte Beda.[832]

»Wie es die Gepflogenheit fordert«, sprach Kuto.

Die zwei Männer geleiteten Witiko in sein Gemach. Raimund trug eine silberne Lampe. Vier Männer des Gefolges gingen hinter ihnen.

In dem Gemache wurden die Abschiedssprüche gesprochen. Die Männer entfernten sich, und Witiko und Raimund blieben allein. Witiko ließ sich durch die Hilfe Raimunds zum Teile entkleiden, dann sendete er ihn in seine Kammer, die vor dem Schlafgemache war.

Als Witiko nun allein in dem Zimmer weilte, kniete er vor dem Bilde des Heilandes nieder, und verrichtete ein Gebet.

Dann entkleidete er sich vollends, und legte sich zum ersten Male auf das Schlummerbette seiner Burg.

Als der Morgen des anderen Tages angebrochen war, sah Witiko, daß auf dem Anger vor der Burg Menschen über die Nacht geblieben waren. Teils hatten sie Feuer angezündet, um sich zu erwärmen, teils hatten sie, in ihre Gewänder gehüllt, den Frühlingsrasen als Schlummerstätte benützt. In manchen Teilen der näheren und entfernteren Wälder sah er noch Rauch von den Feuern aufsteigen, welche in der Nacht gebrannt hatten. Er befahl Raimund, daß er Huldrik, wenn er noch schlafe, wecke, und ihm sage, er möge Sorge tragen, daß die Leute vor der Burg etwas zu essen und zu trinken bekämen.

Raimund ging fort, und kam wieder, und sagte, Huldrik sei schon unter den Leuten, und habe für sie gesorgt.

Als die Sonne aus dem Walde emporgestiegen war, ging Witiko in die Burgstube, und die Seinigen und Leute des Gefolges kamen auch dahin.

Dann wohnten alle, welche in der Nacht in der Burg gewesen waren, dem Morgengottesdienste bei, welchen Benno zum ersten Male feierte.

Hierauf wurde das Frühmahl gemeinschaftlich in dem Saale verzehrt.[833]

Witiko ordnete nun an, daß jene Dienstmannen und Leute des Gefolges, welche nicht in die Burg gehörten, sondern irgend wo anders ihre Wohnung und ihre Beschäftigung hatten, acht Tage als Gäste in der Burg bleiben sollten. Dann ließ er alle vor sich kommen, denen er einen zeitlichen Dienst in der Burg aufgetragen hatte, und erklärte ihnen den Dienst, und sagte, diese Dinge werden alle später mit Giltigkeit geordnet werden.

Und ehe die Sonne noch hoch gestiegen war, kamen Menschen, und brachten nach dem Brauche, wenn einer in ein neues Haus zieht, Gaben.

Die Gaben sollten zum Bedarfe und zur Zierde des Hauses sein, oder in Werkzeugen zu allerlei Dingen, zur Fischerei, zum Vogelfange, zur Jagd, und selbst zum Kriege bestehen. Der alte Florian brachte ein Salzfaß, welches er aus einem Stücke weißen Ahorns geschnitten hatte, Wenhart aus der Friedau brachte zwei zierliche Fässer für Wein, der Richter aus der Stift brachte Holzteller, von dem kleinsten bis zu dem größten, wie sie in dem Walde gemacht wurden, und seine Gattin brachte eine Sammlung Holzdeckel, um sie auf Milchtöpfe oder andere Gefäße zu legen, Johannes aus dem Wangetschlage brachte Eimer und Zuber, der Richter von Friedberg brachte einen Betschemel, aus dicken Stämmen des Wacholders geschnitzt, und ein himmelblaues Tuch, auf welches die Jungfrauen von Friedberg rote Waldrosen gestickt hatten, Liebhart aus der Steinleithe brachte alle Gattungen Kien aus allen Harzhölzern des Waldes, die Männer aus dem Kirchenschlage brachten sechs kunstreich aus Eschen geschnittene Speere, Gregor vom Rathschlage brachte vier Fischnetze, Thomas von der Waldmoldau brachte zwölf Besen, deren Stiele die zwölf feinsten Hölzer des Waldes waren, deren Bund er mit schimmernden Farbreisern geflochten hatte, und deren Zweige alle Farben zeigten, welche die Ruten im Walde haben, die alte Susanna[834] aus der unteren Moldau brachte zwanzig Eier, und sagte, sie habe nicht mehr.

Die, welche weiter entfernt wohnten, kamen später.

Gegen Abend kamen die von dem oberen Plane, und brachten ein kreisrundes Gitter, das fein aus Eisen geschmiedet war, und einen Boden aus Buchenholz hatte, daß man Töpfe mit Blumen hinein stellen konnte. Und dann brachten sie noch vier junge ganz weiße Milchkühe. Tom Johannes brachte sechs Bogensehnen, die er selber aus Darmsaiten von Geigen gedreht hatte, Stephan, der Wagenbauer, brachte die sechs Bogen aus rotem Eibenholze dazu, und Peter Laurenz, der Schmied, sechs Bündel Pfeile, deren Spitzen er selber geschmiedet hatte. Sebastian brachte Marderverbrämungen und Marderfelle und anderes Pelzwerk des Waldes. Christ Severin brachte ein Stück feinen Tuches.

Den ganzen Tag kamen Leute, und in mehreren folgenden Tagen auch. Sie brachten noch Linnen und Wollstoffe und Felle und Leder und Nahrungsmittel und Tiere. Witiko sprach mit allen, und dankte ihnen. Wentila sprach auch mit den Leuten, und besonders mit den Frauen. Die Männer Witikos waren beschäftiget, die Gaben an ihre Orte zu bringen, besonders die lebenden Tiere.

In der folgenden Zeit kamen die Gaben von Lubomir, von Diet, von Rowno, von Osel und anderen Nachbarn des Waldes, sie bestanden in Schmuck, in Waffen, in Gewändern, in Tieren.

Darauf begann Witiko seine Gegengaben zu versenden.

Dann ritt er zu den Nachbarn, um sie zu besuchen, und nahm sie in seiner Burg auf, wenn sie zu dem Gegenbesuche kamen, und bewirtete sie.

Da dieses geschehen war, ordnete er den Dienst der Burg. Huldrik wurde der Schaffner, um für Fremde und alles, dessen sie bedurften, zu sorgen. Martin hatte die Aufsicht[835] über die Nutztiere. Und so wurde über die Gemächer, über die Gewänder, über die Waffen, über die Küche, über den Keller, und über alles andere jemand gesetzt.

Der Bauherr Eppo blieb eine Zeit als Gast, weil man seines Rates noch vielfach bedurfte. Dann trat er seinen Weg nach Prag an.

Die Base blieb bei Wentila in dem Walde, weil sie Witiko bat, und Benno blieb bei Witiko, und feierte den Gottesdienst in der Burgkirche.

Da die Dinge in der Burg geordnet waren, ritt Witiko auf seinem alten grauen Pferde, welches den Wald zu überwinden verstand, an alle Stellen, an denen er Arbeiten hatte, und untersuchte den Fortgang der Dinge.

In dem Walde an der untern Moldau legte er eine Köhlerei an, und Mathias, der Köhler vom breiten Berge, war der Schaffner derselben, und von den Meilern gingen wie sonst an dem breiten Berge im Lichte die goldigen oder im Schatten die blauen Säulen des Rauches in die Lüfte. Für Mathias war ein hölzernes Wohnhaus, und ein steinernes für ihn und die Arbeiter ward begonnen.

Am Abende kamen zuweilen, wie einst in dem steinernen Häuschen in Plan oder in dem Häuschen im Wangetschlage, Männer zu Witiko in die Burg, und er gab ihnen Brod und Salz, und sie nahmen es, sprachen mit ihm über verschiedene Dinge, und er reichte ihnen dann Speise und Trank, und sie gingen in der Nachtdämmerung durch den Wald nach Friedberg., oder in die Friedau, oder in die Steinleithe, oder in die Heurafelhäuser, oder an der Mittagseite gegen die Häuser der reichen Au. Wenn die Männer von einer größeren Entfernung gekommen waren, so beherbergte er sie in der Burg.

Es kamen nun auch Leute um Rat, es kamen Leute um Hilfe, und Witiko gewährte beides, wenn er es konnte.

Indessen waren Wentila und die Base und die Frauen beschäftigt,[836] Stoffe, Gewänder, Kleinodien und der gleichen Dinge zu dem Brautwerbungszuge Witikos zu rüsten.

Als zwei Monden vergangen waren, seit Witiko in seine Burg eingezogen war, sandte er Beda, seinen Dienstmann, mit einem Geleite in die Burg Schauenberg zu Heinrich von Schauenberg, um Anfrage zu halten, ob es Heinrich von Schauenberg und Wiulfhilt von Dornberg, seiner Gemahlin, genehm sei, Witikos Werbungszug zu empfangen, und welchen Tag sie dafür bestimmten.

Beda kam zurück und sagte, es sei Heinrich von Schauenberg, und Wiulfhilt von Dornberg, seiner Gemahlin, genehm, Witikos Werbungszug zu empfangen, und sie bestimmen den zwanzigsten Tag nach dem Tage der Anfrage dazu.

Witiko bildete nun sein Geleite zu dem Werbungszuge, und gab ihm Gewänder, Schmuck und Waffen.

Am Morgen des dritten Tages vor dem Werbungstage feierte Benno in der kleinen Burgkirche des Witikohauses einen Gottesdienst, dann sprach Wentila einen Segen über Witiko, die Base kniete in der Kirche vor dem Heilande, und betete für Witiko, und Witiko und Benno setzten sich auf Pferde, und dreißig Männer setzten sich auf Pferde, und sieben andere Männer setzten sich auch auf Pferde, die mit Saumpferden verbunden waren, welche Belastungen trugen. Und der Zug dieser Männer ging durch das Tor des Witikohauses hinaus. Sie waren alle in Waffenröcken.

Der Zug ging durch den Wald in das Aigen und von dem Aigen an diesem Tage noch in das Gericht Velden. Des andern Tages ging er über die Höhen an die Donau hinab, wurde mit Fähren über das Wasser gebracht, und ging noch in die Stadt Eferdingen. In Eferdingen ging er in Herbergen, und blieb über die Nacht.

Als am nächsten Morgen das Geleite Witikos sich vor seiner Herberge aufstellte, versammelten sich sehr viele[837] Menschen bei demselben, standen da, und betrachteten die fremden Männer. Die fremden Männer waren in sehr kostbaren Gewändern, an denen Silber und Gold und edle Steine glänzten. Sie hatten runde Hauben, an jeder Haube war ein Stein, und von dem Steine ragte eine gerade weiße Feder empor. Die Pferde hatten rote mit Silber gezierte Zäume und rote Decken. Zwei Edelknechte hielten zwei Pferde, die noch keine Reiter hatten. Das eine war ein feines Pferd von goldbrauner Farbe, es hatte blaßgrüne Zäume von Sammet und Gold und roten Steinen, und eine gleiche blaßgrüne Decke. Die Stege des Sattels waren von Silber. Das andere Pferd war dunkelgrau, hatte weiße Zäume mit Gold und eine gleiche Decke, und silberne Sattelstege. Hinter allen den Männern und Pferden standen noch Saumpferde, die mit allerlei Gepäcke beladen waren, und neben ihnen standen Reiter, die sie zu leiten hatten.

Als die Menschen eine Zeit gewartet hatten, kamen die zwei Reiter, die zu den zwei schön geschmückten Pferden gehörten. Witiko hatte ein blaßgrünes Ritterkleid von Sammet, Gold und edlen Steinen. Auf dem Haupte hatte er eine gleiche Haube, und an ihr war aus roten Steinen eine dunkle Waldrose, und aus der Rose ragte eine kurze weiße Feder empor. Er hatte blonde Locken, blaue Augen, sanfte Wangen und einen goldschimmernden Bart. Benno trug ein dunkles Priestergewand, und darauf ein kleines goldenes Kreuz. Er hatte weiße Haare, blaue Augen und einen weißen Bart. Die zwei Reiter bestiegen ihre Pferde, die Edelknechte auch die ihrigen, und es begann der Zug.

Er ging durch eine Straße der Stadt, durch das Tor der Stadtmauer und in das freie Land hinaus in der Richtung gegen die Burg Schauenberg. Viele Leute standen an dem Wege, und die auf den Feldern arbeiteten, kamen herzu, und betrachteten den Zug. Die schimmernden Männer[838] ritten durch schöne Wiesen und Felder und unter vielen Obstbäumen dahin. Als sie an die Stelle gekommen waren, an welcher der Seitenweg gegen die Burg Schauenberg ging, ritten sie den Seitenweg hinan.

Der Türmer gab ein Zeichen mit seinem Horne, und einer von Witikos Leuten erwiderte das Zeichen. Als sie an die erste Zugbrücke gekommen waren, legte sich die Zugbrücke nieder, und die Männer ritten über sie. Sie ritten auf einem Wege zwischen Bäumen und Bauwerken dahin. Dann tönte das zweite Zeichen, und wurde erwidert, und die zweite Zugbrücke legte sich nieder, und die Männer ritten über sie. Und es tönte das dritte Zeichen, wurde erwidert, und die dritte Zugbrücke senkte sich, und die Männer ritten in den Burghof. An der rechten Seite des Hofes stand ein sehr hoher, starker, viereckiger Turm empor. Der Turm hatte ein großes Tor mit einem eisernen Fallgitter. Hinter dem Gitter ging eine Treppe hinan. Vor dem Gitter standen drei Männer in ritterlichen Kleidern. Einer näherte sich dem Zuge, und sprach: »Ich bin Liutolt, ein edler Dienstmann und Truchseß des Herren von Schauenberg, der Mann neben mir ist Berthold von Stal, ein edler Dienstmann des Herren von Schauenberg, und der Mann neben uns ist Hartnit, ein edler Dienstmann des Herren von Schauenberg. Wir Männer fragen euch, wer ihr seid, daß wir euch begrüßen.«

Auf diese Worte ritt Beda vor, und rief: »Ich bin Beda, der Dienstmann des Herren Witiko vom Witikohause, und der neben mir ist Kuto, der Dienstmann des Herren Witiko vom Witikohause, und der neben uns ist Peter, der Dienstmann des Herren Witiko vom Witikohause, und wir Männer sagen euch: Witiko vom Witikohause ist gekommen, mit dem Herren Heinrich von Schauenberg in wichtigen Dingen zu sprechen.«

»Wir grüßen für den Herren Heinrich von Schauenberg[839] den Herrn Witiko vom Witikohause, und bitten euch, steiget von den Pferden«, rief Liutolt.

Witiko und seine Männer stiegen von den Pferden, und Knechte der Burg kamen herbei, die Pferde weg zu führen.

»Gehet ein zu dem Herren Heinrich von Schauenberg«, sagte Liutolt.

Das Fallgitter hinter den drei Männern Heinrichs von Schauenberg stieg empor, die Männer wichen seitwärts, und wiesen auf die Treppe als auf den Eingang.

Witiko ging mit Benno die Treppe hinan, und Liutolt ging als Führer hinter ihnen. Dann kamen die Männer des Gefolges Witikos mit den zwei Männern Heinrichs von Schauenberg. Liutolt geleitete Witiko und die Seinen am oberen Ende der Treppe aus dem Turme auf einen offenen Säulengang hinaus, und auf dem Gange fort um eine Ecke des Hofes zu zwei großen Türen mit steinernen Spitzbögen. An der Tür rechts standen Reisige und ein Pförtner. Der Pförtner öffnete die Flügel der Tür, und Witiko und seine Leute traten durch dieselbe in einen sehr großen Saal.

In dem Saale saß auf einem schönen Stuhle Heinrich von Schauenberg in rotsammetenem Rittergewande ohne Verzierungen. Neben ihm saß Wiulfhilt von Dornberg, seine Gemahlin, in einem dunkelbraunsammetenen Gewande ohne Schmuck. Dann saßen noch Männer und Frauen, und zur linken Hand standen an der Wand dahin Dienstmannen und Leute aus dem Gefolge Heinrichs von Schauenberg.

»Wer ist gekommen?« rief ein Mann in schönen Gewändern.

»Witiko vom Witikohause«, antwortete Beda.

»So empfange er den Sitz«, rief der Mann.

Witiko und Benno setzten sich auf Stühle, welche zur rechten Hand Heinrichs von Schauenberg an der Wand[840] standen. Die Männer Witikos stellten sich längs der Wand auf, den Männern Heinrichs von Schauenberg gegenüber.

»Was bringt Witiko vom Witikohause?« rief der Mann in dem schönen Gewande.

»Er bringt eine heilige Werbung«, sagte Beda.

Nach diesen Worten stand der Burgpfarrer Heinrichs von Schauenberg auf, und sagte: »Welche heilige Werbung bringt Witiko vom Witikohause?«

Benno stand auf, und sagte: »Witiko vom Witikohause bringt die heilige Werbung der Ehe.«

»So sage er die Werbung der Ehe«, rief der Mann.

Hierauf stand Witiko von seinem Sitze auf, trat einen Schritt vor, wendete sich gegen Heinrich und Wiulfhilt, und sprach: »Hoher Herr, Heinrich von Schauenberg, erhabene Frau, Wiulfhilt von Dornberg, ich, Witiko vom Witikohause, ein Herr im mittäglichen Böhmen unter dem erlauchten Herzoge von Böhmen und Mähren, Wladislaw, werbe in Gutem und Treuem um eure Tochter, das tugendreiche Fräulein Bertha, daß sie mir in freiem Willen als Ehegemahlin folge, und daß ich sie ehre und liebe und ihr treu bin, so lange ich lebe. Ich bitte euch um eine Antwort auf meine Werbung.«

Heinrich von Schauenberg stand auf, und sprach: »Witiko vom Witikohause, Herr im mittäglichen Böhmen unter dem Herzoge Wladislaw, ich, Heinrich von Schauenberg, gebe dir in Gutem und Treuem meine Tochter Bertha, daß sie dir in freiem Willen als Ehegemahlin folge, daß du sie ehrest und liebest, und ihr treu bist, so lange du lebst, und daß sie dich ehret und liebt und dir treu ist, so lange sie lebt. Hier ist Wiulfhilt von Dornberg, meine Gemahlin, hier ist Werinhart von Jugelbach, mein Vater, hier ist Benedicta von Aschach, meine Mutter, hier ist Gebhart von Stauf, mein Bruder. Sie sagen, daß die Ehre der Werbung gepflogen ist, und[841] daß Bertha in deinem Stamme ist, wie in unserem Stamme.«

Wiulfhilt stand auf, und sprach: »Die Ehre ist gepflogen, und Bertha ist in Witikos Stamme wie in unserem Stamme.«

Werinhart stand auf, und sprach: »Die Ehre ist gepflogen, und Bertha ist in Witikos Stamme wie in unserem Stamme.«

Und Benedicta stand auf, und sprach: »Die Ehre ist gepflogen, und Bertha ist in Witikos Stamme wie in unserem Stamme.«

Und Gebhart von Stauf stand auf, und sprach: »Die Ehre ist gepflogen, und Bertha ist in Witikos Stamme wie in unserem Stamme.«

Nun sprach Heinrich von Schauenberg. »So sage Bertha, daß sie in freiem Willen der Werbung folge, oder daß sie in freiem Willen die Werbung nicht annehme.«

Drei Frauen erhoben sich von ihren Sitzen, und gingen aus dem Saale.

Alle, die aufgestanden waren, blieben stehen.

Die Frauen kamen wieder zurück, und mit ihnen kam Bertha. Sie hatte ein Gewand von braunem Sammet ohne Schmuck. Hinter ihr gingen vier Jungfrauen.

Sie ging mit den Frauen und Jungfrauen bis zu ihrem Vater, und stellte sich an seine linke Seite.

Heinrich von Schauenberg sprach: »Bertha von Schauenberg, Tochter Heinrichs und Wiulfhilts, hier steht Witiko vom Witikohause, ein Herr im mittäglichen Böhmen unter dem Herzoge Wladislaw, und wirbt in Gutem und Treuem, daß du ihm in freiem Willen als Ehegemahlin folgest, und ihn ehrest und liebst und ihm treu bist, so lange du lebst, und daß er dich ehret und liebt und dir treu ist, so lange er lebt. Gib ihm eine Antwort.«

Bertha sprach: »Ich, Bertha von Schauenberg, die Tochter Heinrichs und Wiulfhilts, werde in freiem Willen[842] Witiko vom Witikohause, dem Herrn im mittäglichen Böhmen unter dem Herzoge Wladislaw als Ehegemahlin folgen, daß ich ihn ehre und liebe und ihm treu bin, so lange ich lebe.«

»So ist die Werbung geschlossen«, sagte Heinrich von Schauenberg. »Wir reichen uns zur Urkunde zuerst die Hand, und werden das Pergament ausfertigen, und unsere Siegel daran befestigen, und werden die Herren Freunde und Unsrigen bitten, daß sie ihre Siegel zu den unsrigen hängen.«

Nach diesen Worten gingen Heinrich und Witiko einander entgegen, und reichten sich die Hände.

Dann trat Witiko vor Wiulfhilt, und Wiulfhilt und Witiko reichten sich die Hände.

Und es reichten sich Werinhart und Witiko, und Benedicta und Witiko, und Gebhart und Witiko die Hände.

Und zuletzt reichten sich Witiko und Bertha die Hände.

Dann gingen alle zu ihren Sitzen, und setzten sich auf dieselben. Bertha saß mit ihren Jungfrauen an der linken Seite ihrer Mutter.

Als dieses geschehen war, gingen alle Männer Witikos und alle Männer Heinrichs von Schauenberg einander entgegen, sie kamen in der Mitte des Saales zusammen, und reichten sich die Hände. Dann trennten sie sich wieder, und gingen an die Wände zurück.

Hierauf rief Heinrich von Schauenberg: »Und so lade ich dich, Witiko vom Witikohause, in diese Burg zu Gaste, und so lade ich alle deine Männer in die Gastlichkeit der Burg.«

Witiko antwortete: »Ich nehme auf die Frist von vier Tagen die Gastlichkeit an, und dann ziehe ich mit den Meinigen heim, zu ordnen, was sich geziemet.«

»So folget mir, und erquicket euch«, sagte Heinrich von Schauenberg.

Es bildete sich nun ein Zug. An der Spitze gingen Heinrich[843] und Witiko. Dann folgten Werinhart und Benedicta, dann Wiulfhilt und Gebhart, dann Bertha und die Frauen, dann gingen die Priester und dann die andern.

Sie gingen in einen Saal, in welchem Speisen und Getränke waren. Die Speisen und Getränke wurden zur Erquickung gereicht.

Dann wurde Witiko in sein Gemach geleitet, und die Seinigen erhielten Wohnungen.

Und am dritten Tage nach diesem Tage kamen Herren mit Gefolge in die Burg. Es kamen Erchambert von Marbach, Odescalch von Meisaha, die Brüder Otto und Walchun von Machland, Eppo von Windberg, Hartwik von Hagenau, Uthalrik von Willeringe, Otto von Rote, Marquard von Wesen, Chunrat von Heichenbach, Heinrich von Tannenbach, und Calhochus von Valchenstein. Es kamen noch die Dienstmänner Herwig von Uberacha, Adelhart von Hutte und Dietmar vom Randshofe. Allen diesen, und Dienstmannen von ihnen und Dienstmannen Heinrichs und Werinharts und Gebharts wurde das Pergament vorgelegt, und sie hingen ihre Siegel zu den Siegeln Heinrichs, Werinharts und Gebharts.

Nun wurden an dem Tage Geschenke ausgetauscht. Witiko gab Bertha einen Kranz aus Gold und edlen Steinen mit dunkelroten Waldrosen. Bertha gab Witiko fünf dunkelrote Waldrosen aus edlen Steinen so zusammen gefügt, daß man einen Gürtel damit schließen konnte. Heinrich gab Witiko ein Waffengewand aus kunstvollen Ringen und edlen Steinen, und Witiko gab ihm ein erlesenes Schwert mit kostbaren Steinen. Von Wiulfhilt bekam Witiko einen Goldgürtel mit Kleinodien, und er gab ihr ein Sammetgewand mit Gold. Den Angehörigen Heinrichs und seinen Männern gab Witiko weiße Stoffe aus sehr feiner Schafwolle, wie sie in Prag gemacht wurden, dann die schönsten Pelzwerke, die in dem Walde gefunden werden konnten, dann Waffen, Jagdgeräte und[844] Pferdeverzierungen. Er empfing von ihnen auch Stoffe, Waffen, Kleinodien, Gewänder, und Geräte. Die Geleite Heinrichs und Witikos tauschten Geschenke, und die fremden Gäste empfingen und erteilten Gaben.

Dann war ein großes Festmahl in dem Saale, und nach dem Festmahle waren Spiele und ritterliche Übungen. Abends wurden bunte Zelte an dem Berghange hin errichtet, darin Männer aus den Gefolgen übernachten konnten.

Am nächsten Tage wurde vereinbart, daß nach dreißig Tagen die Vermählung sein solle, und die Gäste begannen sich zu zerstreuen.

Witiko ordnete in seinem Reisegewande seinen Zug. Heinrich und Werinhart und Gebhart geleiteten ihn mit Gefolgen bis an die Donau, und ein erlesener Zug von Männern Heinrichs und Werinharts und Gebharts ging mit ihm bis in das Witikohaus.

Von dem Tage an rüstete Witiko nun alles, was er für die Feste in dem Walde als notwendig erachtete. Er sandte auch Boten in vielen Richtungen aus, die Gäste zu laden.

Vier Tage vor dem Vermählungstage wurden Witiko, seine Mutter, seine Base, Benno, die Frauen der Mutter und der Base und die Dienstmannen und die Geleite Witikos durch einen feierlichen Zug von Männern Heinrichs, den Liutolt führte, in das Schloß Schauenberg abgeholt. Der Zug ging am ersten Tage nach Velden, am zweiten in die Burg Schauenberg.

In die Burg kamen nun auch die Männer, welche bei der Verlobung Zeugenschaft geleistet hatten, und es kam noch eine große Zahl anderer Männer und Frauen und Jungfrauen.

Am festgesetzten Tage wurde die Vermählung in der Schloßkirche gefeiert. Es vollzog sie der Burgpfarrer des Schlosses Schauenberg, und der Pfarrer der Stadt Eferdingen. Der Pfarrer von Aschach und Benno waren an seiner[845] Seite. Witiko hatte ein weißes Sammetgewand mit Gold, und er trug den goldenen Gürtel Wiulfhilts, und daran als Schloß die Waldrosen Berthas. Bertha hatte ein weißes Gewand aus Seide und Gold, und sie trug den Kranz der Waldrosen Witikos. Von ihrem Haupte ging ein Schleier bis zu der Erde nieder.

Nach der Vermählung gingen alle in den großen Saal, und von dem Saale gingen Heinrich, Wiulfhilt, Wentila, Witiko und Bertha in ein Gemach.

Heinrich reichte Witiko die Hand.

Wiulfhilt sprach: »Ich habe einmal gesagt: Gott kann alles fügen, und kann uns Freuden bereiten, die wir gar nicht vermutet haben, und mein Gatte hat geantwortet: So füge er es. Ich glaube, daß er es gefügt hat. Witiko wird in Festigkeit und Treuem an unserem Kinde halten.«

»Mutter, wie Ihr saget, wird es sein mein ganzes Leben lang«, sprach Witiko.

Bertha ging zu ihrer Mutter, und schlang beide Arme um ihren Nacken. Und die Mutter küßte ihre Tochter.

Dann schloß Wentila die neue Tochter an ihr Herz.

In dieser Zeit kam ein Bote, und sagte, es sei ein Ritter in einem weiten Gewande mit goldenem Gürtel, und es seien mit ihm Männer in weiten Gewändern und silbernen Gürteln gekommen, und verlangen sogleich Gehör.

»Lasset sie in den Saal führen«, sprach Heinrich.

Und da die Männer im Saale Heinrichs standen, sagte der Ritter: »Ich bin Kriwosud, der Marschalk des hochehrwürdigen Bischofes von Olmütz, Zdik. Der hochehrwürdige Bischof sendet mich an Euch, Herr Heinrich von Schauenberg, und an Eure hohe Frau Gemahlin und an den Bräutigam und an die Braut mit Briefen und mit Kästchen.«

»Ehe Ihr Eure Botschaft vollendet«, sprach Heinrich, »sagt, ob Euch eine Frist zur Heimkehr gesetzt ist.«[846]

»Uns ist eine solche Frist nicht gesetzt«, antwortete der Marschalk.

»So bleibt mit den Eurigen bei uns als Gast des Festes, und dann, so lange es Euch beliebt«, sagte Heinrich.

»Ich bleibe mit den Meinigen als Gast des Festes«, sagte der Marschalk.

»Und lasset mich nun meine Gemahlin und Witiko und Bertha rufen«, sprach Heinrich, »weil Ihr auch an sie Botschaft bringt.«

Und Heinrich sendete um Wiulfhilt, Witiko und Bertha, und diese kamen.

Dann übergab Kriwosud die Briefe. Sie waren von dem Bischofe selber geschrieben.

In dem Briefe an Heinrich standen Worte des Dankes, daß er ihn einmal nicht erkannt hatte, da er ihn doch erkannt hatte, und die Bitte, daß er eine Erinnerungsgabe des Beschützten nicht verschmähe.

An Wiulfhilt und Bertha war die Bitte gerichtet, daß sie eine freundliche Gabe freundlich annehmen mögen.

In dem Briefe an Witiko waren die Worte: ›Ich habe zu dir in Passau gesagt, Witiko: Du hast treue Christenpflicht an mir geübt; möge sie dir im Walde gelohnt werden, von dem Hause Heinrichs von Jugelbach bis an die Waldstelle, in der du wohnen wirst. Möge Wladislaw die Stelle zieren, und möge ich etwas hinzu tun können. Gott hat dich belohnt von dem Hause Heinrichs von Jugelbach aus, wie ich es geahnet habe, bis an die Waldstelle, in der du nun wohnest. Wladislaw hat deine Waldstelle geziert, ich habe nichts dazu zu tun vermocht, weil Wladislaw alles getan hat. Vielleicht kann ich einmal eine Zierde bringen, die dich freut. Nimm von meinem Boten an, was er dir überreicht, und halte es für ein Denkmal deiner Vermählungszeit.‹

Nachdem die Briefe gelesen waren, brachten vier Männer die vier Kästchen herbei, und die Kästchen wurden geöffnet.[847] In dem Kästchen Heinrichs lag ein Schwert. Die Scheide war aus weißem Sammet mit roten Steinen. Der Griff war aus Gold, und die Klinge hatte goldne Zieraten.

In dem Kästchen Wiulfhilts war roter Sammet und weißes Hermelin.

In dem Kästchen Berthas war ein Halskleinod von Gold und kostbaren Steinen.

In dem Kästchen Witikos war ein Waffenkleid mit kunstreichen Ringen, und die Säume waren Gold und edle Steine.

Die Gaben wurden empfangen, der Dank wurde gesprochen, und Kriwosud wurde gebeten, die Briefe, die man fertigen würde, zurück zu bringen.

Die Feste nach der Vermählung dauerten sieben Tage. Und wer kam, wurde bewirtet, und wenn er es bedurfte, beschenkt.

Dann begannen die Gäste Abschied zu nehmen, und es wurde in der Burg der Zug in das Witikohaus gerüstet.

Da kam einmal ein Mann zu Witiko, und sagte: »Erlaubet mir, hochedler Herr, daß ich die Burg betrachte, die Ihr auf dem hohen Walde erbaut habt, wie Ihr die Burg Schauenberg, da sie gebaut wurde, betrachtet habt. Ich habe Euch Euer Glück geweissagt.«

»Du bist der Schaffner, der mir den Bau der Burg Schauenberg gezeigt hat«, sagte Witiko.

»Ja«, entgegnete der Mann, »und ich habe gesagt: Reiset glücklich, und möget Ihr Eure Ziele erreichen, junger Herr. Und Ihr habt das Ziel erreicht. Wer hätte damals gedacht, daß Ihr der Ehegemahl unserer Bertha sein werdet. Ihr werdet jetzt oft zu uns kommen, und einige von uns werden zu Euch kommen, vielleicht sehe ich da die Burg.«

»So komme einmal mit der Genehmigung deines Herrn als Gast zu mir, und ich werde dir die Umsicht aus der Burg meines Waldes zeigen, wie du mir die Umsicht der Burg dieses Berges gezeigt hast.«[848]

»Ich werde kommen, hochedler Herr«, sagte der Mann, »und gehabt Euch wohl.«

»Gehabe dich wohl«, sagte Witiko.

Am neunten Tage nach der Vermählung wurde eine Reihe Saumtiere mit Gut und Habe gegen das Witikohaus gesendet.

Am eilften Tage ging der Zug von der Burg Schauenberg fort. Es waren Heinrich, Werinhart und Gebhart mit ihren Geleiten, es waren Wiulfhilt und Bertha mit ihren Frauen und Jungfrauen, es war der Burgpfarrer von Schauenberg, es war Witiko mit seinen Männern, es waren Wentila und Hiltrut mit ihren Frauen, und es war Benno. Dann war Kriwosud, weil ihn Witiko geladen hatte, und es waren Herren und Ritter mit ihren Gefolgen, die Gäste des Witikohauses waren, und sich zu dem Zuge gesellt hatten. Unter den Jungfrauen, die bei Bertha bleiben sollten, war Trude, und unter den Dienern Wolf.

Es kamen wieder Menschen herzu, den Zug zu betrachten.

In Aschach waren die Schiffe Heinrichs. Sie waren bemalt, waren mit schönen Stoffen belegt, und trugen farbige Wimpel. In den Schiffen fuhr der Zug über die Donau.

Dann ging er die Höhen hinan, und ging auf den Höhen und in den Wäldern dem Witikohause zu.

Am Nachmittage des nächsten Tages näherte er sich demselben.

In ihm waren schon Herren und Ritter als Gäste. Diese ritten in dem schönsten Schmucke durch den Wald herunter, um den Zug hinan zu geleiten.

Als er gegen die Burg kam, sahen die Männer und Frauen desselben sehr viele Gezelte unter den hohen Tannen und Buchen des Waldes und auf dem grünen Rasen vor der Burg stehen. Die Menschen aus dem Walde und aus den[849] Gegenden neben dem Walde waren herzu gekommen, und brachten Jubelrufe und Glückrufe und Segenrufe aus. Und Pfeifen und Hörner und Zimbeln und Geigen erschallten, und Gesänge mischten sich hinein. Vor dem Tore der Burg war ein Bogen aus Blumen, und Jungfrauen brachten der Burgherrin Blumen, und streuten Blumen auf ihren Weg. Dann standen alle Richter Witikos, und einige sagten die Hochzeitsprüche, die in den Wäldern galten. Dann standen Huldrik und Martin und alle Leute Witikos. Von den Fenstern hingen schöne Tücher herab, und zwischen den Fenstern waren Blumengewinde. Der Zug und die geschmückten Gäste, die ihm entgegen geritten waren, gingen durch das Tor ein.

Und bis zu dem Abende kamen noch immer Gäste. Es waren dann in der Burg der alte Lubomir, Ctibor und Nemoy, es waren Rowno, Diet, Osel, Wyhon, Hermann, Witislaw und alle Herren des Waldes, die mit Witiko in dem Kriege gewesen waren, es waren Welislaw, Odolen, Wecel, Casta, Zwest, Jurik, Sezima, Zdeslaw, dann Moyslaw und Radosta, die Söhne Lubomirs, und dann die Sippen Rownos, es waren der alte Ritter vom Kürenberge, der alte Heinrich von Oftering, Uthalrik von Willeringe, Otto von Rore, Marquard von Wesen, es waren Thiemo von der Aue, der junge Heinrich von Oftering, der junge Ritter vom Kürenberge, Marchard von Hintberg, Gebhart von Abbadesdorf, Ebergus von Aland, Werinhard von Brun, Juborth von Tribanswinchel, Viricus von Gaden, und der junge Hartung von Ruhenegk, und es waren Wolfgang von Ortau, Rudolph von Bergheim, Hans vom Wörthe, Werinhart von Hochheim und Heinrich von Rineck bei dem Zuge. Mit den Männern waren Frauen und Jungfrauen, und es waren Dienstmannen und Gefolge gekommen. Aus dem Walde waren die Pfarrer von Friedberg und Plan da, es waren die Richter da, und es waren die da, welche in dem Kriege[850] Obmänner gewesen waren, und wer sonst hatte kommen wollen, war als Gast aufgenommen worden. Viele wurden in der Burg beherbergt, viele waren in den Gezelten, und von dem Volke war ein Teil in der warmen Nacht unter den Bäumen des Waldes, ein Teil war auf dem freien Rasen zwischen den grauen Gesteinen.

Am Morgen des nächsten Tages wurde ein feierlicher Gottesdienst unter dem offenen Himmel des Waldes abgehalten. Dann saßen Witiko und Bertha unter Tannen auf schönen Gesiedeln, und die Gäste, Herren und Frauen, und die Richter und die Obmänner und andere Untertanen Witikos und noch andere Leute aus dem Walde, Männer und Frauen, kamen hinzu, und brachten Glückwünsche dar, oder sagten Sprüche, oder reichten Blumen und Kränze. Dann wurden die Gäste zu einander geführt, wurden einander genannt, und sie schlossen Genossenschaft und Bekanntschaft. Dann war ein Mahl, und nach dem Mahle war ein großer Zug in prunkenden Gewändern durch allerlei Richtungen des Waldes, und durch an dere Richtungen wieder zurück.

Am folgenden Tage waren Spiele. Es war in dem Tale, in welchem die Moldau floß, ein Anger mit Schranken eingefaßt, und es war Sand auf den Anger geschüttet, daß er ein Turnierplatz wurde. Witiko und seine Gäste, und die zu Witiko und den Gästen gehörten, zogen von der Burg durch den Wald zu der Moldau hinab. Und es waren die ritterlichen Festkämpfe, die in Deutschland und die in Österreich und die in Böhmen im Gebrauche waren. Frauen verteilten von den Söllern die Preise.

Auf den vielen freien Plätzen, die sich in dem Walde an der Moldau befanden, waren die Spiele und Erheiterungen der Bewohner des Waldes. Sie hatten ihre Wettkämpfe im Bogenschießen, im Schießen mit der Armbrust, im Werfen von Lanzen oder Steinen, im Laufen, im Springen, im Klettern und im Ringen. Dann waren[851] Spiele mit Reifen, mit Bällen, mit Stangen und mit Seilen. Dann waren Tänze und Gesänge, es waren Neckübungen in Rede und Antwort, und mancher kam als Pilger oder Jäger oder Kohlenbrenner oder Pechsammler, und suchte sich in seinen Reden und Schaustellungen darzutun.

Witiko und viele Herren und Frauen gingen auf die Plätze, und sahen, was da geschah.

Witiko und Bertha und Wentila und Wiulfhilt und Lubomir und Boleslaw und Welislaw und Dimut und Odolen und Rowno kamen nach und nach gegen den dichteren Wald, und wo man von den Menschen nichts mehr vernehmen konnte. Da hörten sie eine Geige tönen, und die Töne der Geige waren sehr lieblich. Sie gingen der Stelle zu, und kamen auf einen lichteren Platz, auf welchem Föhren in Zwischenräumen standen. Unter den Föhren waren Menschen, und unter einer Föhre saß auf einem Baumstrunke Tom Johannes, und spielte auf der Geige. Die Menschen hörten ihm zu. Sie machten Raum, da Witiko kam, und er ging mit denen, die bei ihm waren, bis zu Tom Johannes. Der Fiedler fuhr in seinem Spiele fort, und alle hörten zu. Als er geendet hatte, sprach Witiko: »Ich habe dir gesagt, Tom Johannes, daß deine Geige noch in dem grünen Walde singen wird, und sie singt schöner als sonst.«

»Sie singt schlecht«, sagte der Fiedler, »diese Geige des hohen Herzoges kann singen, wie keine Geige auf der Welt; aber ich kann sie nur so gut singen machen, wie ich kann. Siehe, Witiko, ich habe mir ein Knie an den Bogen gemacht, wie meine Hand ein Knie hat, und nun vermag ich wieder zu streichen.«

»Und du streichst, wie es andere nicht können«, sagte Witiko.

»Sonst habe ich es besser vermocht als andere«, sprach der Fiedler, »wie es jetzt ist, weiß ich nicht.«[852]

»Und hast du schon öfter auf der Geige des Herzogs gespielt?« fragte Witiko.

»Ich habe es auf ihr gelernt«, antwortete der Fiedler, »und spiele heute zum ersten Male vor Menschen, weil ein Tag der Ehren für dich ist, Witiko.«

»So muß ich dir Dank bringen«, sagte Witiko, »und ich danke dir, und wenn du in meine Burg kommen willst, werde ich dir noch mehr danken, und wenn ich nach Plan komme, werde ich zu dir gehen, und dir wieder danken.«

»Ich werde einmal in deine Burg kommen«, sagte der Fiedler.

»So tue es«, antwortete Witiko.

Und Tom Johannes geigte noch manches auf der Geige des Herzogs, und Witiko und seine Gefährten hörten zu.

Dann lobten sie ihn, verabschiedeten sich, und gingen ihres Weges weiter.

Ehe der Abend kam, ging der Zug wieder zu dem Witikohause hinauf.

Am nächsten Tage wurde das Pergament Witikos ausgefertigt, und seine Freunde und andere Männer hingen ihre Siegel daran.

In den folgenden Tagen war öfters Jagen nach den wilden Tieren des Waldes, und da lernte der Ritter vom Kürenberge, wie er einmal gesprochen hatte, die Buchen und Tannen des Waldes und die Bären kennen, und Odolen und Welislaw und die andern böhmischen Freunde Witikos lernten kennen, wie der Wald Witikos ist, und Wolfgang von Ortau und seine Freunde erfuhren die Gastlichkeit der Waldleute, wie sie von denselben in Prag angeboten worden ist.

Es geschahen dann auch Züge zu manchen Herren in dem Walde.

Und an einem Tage sprach Welislaw zu Dimut: »So hast du mich, schöner Krieger, besiegt, den ich besiegen wollte, und so kann ich nicht ohne dich sein, kein Gedanke[853] ist in mir ohne dich, ich kann ohne dich nicht leben und nicht sterben, und so nimm mich, daß ich dein Gatte sei in Liebe und Treue und Sorgfalt und Unzertrennlichkeit, immer fort und fort, so wahr mir Gott in jener Welt helfe.«

Und Dimut antwortete: »Und weil du getreu und stark bist, Welislaw, so will ich deine Gattin sein in Liebe und Treue und Dauer, so wahr mir Gott helfe.«

»Dann gibst du mir doch den Pfeil«, sprach Welislaw.

»Er wird das Eigentum von uns beiden sein«, antwortete Dimut.

Und als die Feste zwölf Tage gedauert hatten, schieden die Freunde Witikos mit Segenswünschen für sein Glück, und mit Lobpreisungen Berthas und mit Lobpreisungen des Waldes. Und andere Gäste schieden auch mit dem Ruhme und Preise der Burgherrin und dem Ruhme und Preise der Wälder.

Und als alle fort waren, stand Witiko mit Bertha auf dem Mittagsöller des Schlosses, und zeigte ihr die Fluren und Berge, von denen er ihr auf den Steinen der einsamen Wiese bei dem Waldhause ihres Vaters erzählt hatte.

Quelle:
Adelbert Stifter: Gesammelte Werke in sechs Bänden, Band 5, Wiesbaden 1959, S. 782-854.
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Prévost d'Exiles, Antoine-François

Manon Lescaut

Manon Lescaut

Der junge Chevalier des Grieux schlägt die vom Vater eingefädelte Karriere als Malteserritter aus und flüchtet mit Manon Lescaut, deren Eltern sie in ein Kloster verbannt hatten, kurzerhand nach Paris. Das junge Paar lebt von Luft und Liebe bis Manon Gefallen an einem anderen findet. Grieux kehrt reumütig in die Obhut seiner Eltern zurück und nimmt das Studium der Theologie auf. Bis er Manon wiedertrifft, ihr verzeiht, und erneut mit ihr durchbrennt. Geldsorgen und Manons Lebenswandel lassen Grieux zum Falschspieler werden, er wird verhaftet, Manon wieder untreu. Schließlich landen beide in Amerika und bauen sich ein neues Leben auf. Bis Manon... »Liebe! Liebe! wirst du es denn nie lernen, mit der Vernunft zusammenzugehen?« schüttelt der Polizist den Kopf, als er Grieux festnimmt und beschreibt damit das zentrale Motiv des berühmten Romans von Antoine François Prévost d'Exiles.

142 Seiten, 8.80 Euro

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Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

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