Schluß-Gedicht des dritten Buchs.

[435] Wir sind zum dritten Buch der Tugend-Lehre kommen

Und haben nun den Weg bedachtsam wargenommen /

Der zu dem hohen Thron der Ehr und Würde führt.

Polyphilus uns lehrt / wie Kunst und Weißheit ziert /

Und daß der schöne Ruhm / womit ein Schäfer pranget /

Werd durch die Wissenschaft / auf nidrer Bahn / erlanget:

Hingegen weist der Fall / der seine Liebste kränkt /

Daß oft ein schwerer Stein an unsrem Glücke hängt /

Und daß nit leicht ein Mensch / wie selig er auch scheinet /

Werd anzutreffen seyn / der nicht zu Zeiten weinet.

Ob gleich von außen nichts an unserm Glücke fehlt /

So findet sich doch was / das uns von innen quält.

Doch ist dergleichen Noht so hoch nicht zu beklagen /

Als wann man Schmerzen muß / üm Laster willen / tragen:

Wie hier die Königin zu einem Spiegel steht /

Die / bey so hohem Stand / in strengen Fesseln geht.

Der Steine Köstlichkeit / und was sie schönes träget /

Vergnüget leider! nicht / die Liebe / so sie heget

In der entzündten Brust. O! große Leidenschaft!

Wann den verborgnen Geist sein eigen Laster strafft /

Und auf die Folter wirft: An Melopharmis Leben

Erscheinet / daß man stets in Sorgen müße schweben /

Bey hoher Leute Gnad / und daß an einem Haar

Häng über ihrem Haubt / die äusserste Gefahr.

Dann weil sie ihres Sohns / aus großer Liebe / hütet:

Wird / durch Phormena List / ein böser Raht geschmiedet

Zu ihrem Untergang. Auch zeiget Agapist /

Daß oft im Ende süß / was Anfangs bitter ist.

Es wolt der Hirtenstand ihm erstlich nicht behagen:

Jezt aber siht er ihn viel reiffe Früchte tragen.[435]

Was vor gering und schwarz in seinen Augen war /

Daß rühmt sein eigner Mund anjetzo offenbar.

Die Lehre weiset uns / im Guten auszudauren /

Wie sehr das Unglück auch bestürmet unsre Mauren.

Die Tugend träget doch zu lezt den Sieg davon;

Und / der ihr hat gefolgt / erlangt die Ehren-Kron.

Und ob auch unser Herz geheime Plagen kränken /

So lasset uns dabey an Gottes Vorsorg denken:

Der schon beschlossen hat des Leidens Maß und Ziel /

Und weiß / durch wen / und wie / und wann er helfen wil.

Nur dieses lasst uns fliehn / was das Gewissen schrecket /

Und schaffen / daß es nicht mit Lastern werd beflecket.

O seelig / welcher ihm nichts böses ist bewust!

Kein Henker martert so / wie der in unsrer Brust.

Auch trachte keiner / sich in hohe Gunst zu schwingen;

Die / wann sie herrlich scheint / am ersten kan mißlingen.

Wer auf der Erden geht / hat einen sichern Pfad:

Das Meer ist wandelbar / und so der Fürsten Gnad.

Zwar will uns / was gering / auch oft verächtlich scheinen

So / daß wir keine Lust darinn zu seyn vermeinen:

Weil wed Ehr / noch Glük / in schlechten Hütten wohnt:

Doch findt / der es versucht / sich überreich belohnt.

Er kan den stillen Geist mit wenigem vergnügen /

Und lässet der da will / hin in die Lüffte fliegen.

Die Tugend steigt empor / wann sie am Boden klebt;

Und welcher mit ihr sinkt / wird auch mit ihr erhebt.
[436]

Quelle:
Maria Katharina Stockfleth: Die Kunst- und Tugend-gezierte Macarie, 2 Bände, Band 2, Nürnberg 1673, S. 435-437.
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