Funffzehender Absatz

[656] Beschreibet die fernere Bestreitung / des Lieb-werbenden Evsephilisti / wie die getreue Macarie solches Polyphilo offenbaret / oder / zu offenbahren / zu sich bittet / auch was sie sich berathen: Ist eine Probe wahrer Tugend / die mit glücket / mit unglücket. An Polyphilo aber finden wir den siebenden Anstoß der Tugend-Verliebten / die Versuchung.


Mit was Bestürtzung / die betrübte Macarie / diß Brieflein durchlesen / ist daher unschwer zu ermessen / daß diese Verwirrung / wider ihren Wunsch und Hoffen / je mehr und mehr ihre Schrancken überschritten / daß es das Ansehen hatte / als wolle Evsephilistus / mit Gewalt rauben / was er / mit Willen /nicht erlangen konte.

Da war Noth zu rathen / und Zeit zu helffen. Wie sich Evsephilistus in seiner fernern Werbung verhalten / auch wie offt er zugesprochen / und was er in solcher Besuchung mit Macarien geredt / oder wie er geschertzet / wollen wir daher nicht setzen / weil es eine lautere Einfalt und frommer Unverstand war /den er sattsam erwiese / in dem er ihre Unterredungen / gemeiniglich / mit dem Grund / verwahrete: Wir wollen einander nichts vor Ubel haben / sondern fein verträulich miteinander umgehen. Ja Bauer! so solt du mit den Dirnen / die deines gleichen sind: nicht aber mit einer solchen Tugend / Damen / und[656] Bild der Höflichkeit schertzen / wie Macarie ist. Ach! freundlichste Macarie! wie war ihr doch zu Sinn: wann sie sich /von einem solchen / gewonnen zu seyn / beförchten muste? Allerhöflichste Macarie! wie soll der schöne Schmuck ihrer bescheidenen Zucht / an solche Bäurische Verträulichkeit gehänget werden. In Warheit! hat euch Evsephilistus nichts vor übel / so hab ich euch /in diesem Fall / desto mehr vor Ubel; daß ihr einem solchen möget Gehör geben. O unerschöpfflicher Schatz aller Vollkommenheiten! wie will sie sich selber / mit der Unvollkommenheit / aller Kunst und Tugenden / beflecken? Oder / wie wird sie / einiger Zwang / wider sie selbsten rüsten können? Nein /schönste Macarie! sie erhalte den Ruhm ihrer Tugenden / in solchem herrlichen Pracht / wie sie ihn / bey Göttern und Menschen / erworben / und beherrsche das / was schuldiger zu dienen ist. Man legt doch keinen Esel in ein Bett / keinen Mist in güldene Schalen / keinen Staub ins Auge: Was soll dann Evsephilistus / in dem Schoß der Macarien / ruhen? Das müste der Himmel selber bedauren / und die gantze Welt beklagen: aber Polyphilus bitterlich beweinen. Allein wir wollen den Unflath wegwerffen / aus unsrem Munde / und dafür den verzuckerten Namen Macarien wieder anfassen / zu sehen / was diese / in der höchsten Noht / da alle Versäumnus hochschädlich / angefangen. Ach! was solt sie / die liebe Macarie? Wie kont sie anderst / das schöne Hertz / ja! das getreue Hertz / als dem jenigen ihre Verwirrung klagen / den sie wuste / daß er dieselbe am mächtigsten auflösen könne / und am willigsten auflösen werde. Der Schluß gieng auf ihren ersten Brief / und die Antwort Polyphili / der ihre[657] Gegenwart begehrte / welche sie ihm /mit dieser Gegen-Antwort / vergönstigte:


Mein Herr!

Sein erwünschtes Brieflein / auf welches ich / mit so sehnlichen Verlangen / gewartet / hab ich gestern wohl erhalten / und aus demselben verstanden / in was unruhige Gedancken / ihn mein letztes Schreiben gesetzet: welches ich um so viel leichter glaube / je mehr ich solche Verdrüßlichkeit selbsten empfinde; hätte ihn auch solches Kummers gern überheben wollen / wann nicht die unumgängliche Noht / (welche alle Fehler zu entschuldigen pfleget) mich / dieses zu eröffnen / gezwungen hätte. Bitte demnach nochmaln / er wolle sich diese kurtze Reise nicht dauren lassen / und mich morgendes Tages besuchen: durch was vor Gelegenheit / stell ich ihm frey; halte doch /daß es am sichersten und geheimsten allein / und als im vorbey reiten / geschehe. Ich könt ihn zwar dieser Mühwaltung / durch schrifftliche Erklärung / befreyen: weiln ich aber kaum meinen Mund / viel weniger der Feder traue / und gleichwol die Sache / keinen fernern Verzug / leiden will: als erwarte ich eurer Gegenwart / mit so grosser Ungedult / daß ich die Sonne der Faulheit /[658] und alle Uhren der Unrichtigkeit beschuldige. Der gütige Himmel / auf dessen blossen Willen / ich jederzeit alle meine Freude gegründet /ersehe doch unsrer Freundschafft ein günstiges Ende /und lasse euch voller Glückseligkeit leben: Ihr aber /mein Herr! lasset euch allezeit lieb und angenehm seyn das Gedächtnus /

Eurer beständigen Freundin:

Macarien.


Was wird nun Polyphilus sagen / wann er diesen Brief überkommt? O der unglückseligen Stunde / die ihm / von Macarien / eine solche Botschafft / bringen soll. Wie? wünschet Macarie / ihrer Freundschafft /schon ein fröliges Ende / die kaum einen Anfang gewonnen? Ach! Polyphile! wie wirst du dich so elendiglich gehegen? Wie unsäglichen Schmertzen wird deine geängstigte Seele außstehen müssen? Ach! daß du an den Winden fahren / und in der Lufft fliehen köntest / daß du / den Augenblick / bey deiner Macarien wärest / um zu vernehmen / was dich von ihr scheiden werde. Ist dann dein Unglück / zugleich mit deiner Liebe / gepflantzet / daß es gleich mit ihr aufgehet? Oder wollen dir die Unsterbliche nie einen glück-reinen Blick gönnen? Wie bist du denn allein unter den Sterblichen / der keine Freud ohne Leid /und mitten in seiner höchsten Glückseligkeit / die allerunglückseligste Verbitterung / schmecken müsse? Wie lang wird sich deine erschrockene Seele / in den ertödteten Gliedern / noch regen? Wie lang wirst du /dich selbsten zu quälen / noch[659] übrig bleiben? Ach ihr Himmel! nehmet doch auf / zu euch / den jenigen /welcher in dieser Welt / keine Ruhe zu hoffen. Erbarmet euch / ihr Barmhertzige! über den / der wegen der Tugend leidet! Sehet an seine zerschlagene Glieder /seine krafftlose Sinne / sein ermüdetes Hertz: ihr habt ja Polyphilum geschaffen / zu eurem Wohlgefallen /wie soll er dann Himmel und Erden zu einem Trauer-Spiel werden? Ihr habt ja Polyphilum geschaffen / daß er auf Erden wohne / wie soll er dann / durch die erdruckende Last seiner Bekümmerung / in die Gruben verfincken / und unter der Erden wohnen? Ihr habt ja Polyphilum erschaffen / daß er ein Mensch sey; wie soll er dann unmenschliche Lasten ertragen / und höllbeschwerte Bürden erleiden können? Drum ach! ihr Barmhertzige! seyd barmhertzig eurem Polyphilo. Welchem Polyphilo: der anjetzt den Brief erbricht /und mit Versinckung seiner Kräffte / durchlieset.

Es war schon finstere Nacht / und die Thor verschlossen / da er die schmertzhaffte Post überkam: Gleichwol fieng er an / ohne Zweifel / aus hochbetrübtem Hertzen / das gemeiniglich / seinen Irrthum /denen Unerschrockenen / zu belachen gibt: Servete! sattle das Pferd / ich muß reiten. Servetus / auch Agapistus und der Sohn Melopharmis / sahen ihn / fast mit einem Gelächter / an / und erinnerten ihn der Nacht / auch der verschlossenen Thore. Doch / wie Servetus willig war / auch aus der Veränderung seines Herrn vernahm / daß es was wichtiges seyn müsse /folgte dem Befehl. Inzwischen entzog die zufallende Ohnmacht die Kräßte Polyphili / daß er zur Seiten wiche / und[660] auf die nechste Banck sich lehnete / zugleich aber das Brieflein der Macarien / aus den Händen / fallen ließ / so / daß ers nicht merckte. Agapistus / der dessen am ersten gewahr wurde / hebt dasselbe auf / lässet den Sohn Melopharmis bey Polyphilo stehen / und verfüget sich in das Neben-Gemach /den Brief durchzugehen: und nachdem er den Schrecken verstanden / welcher Polyphilum in diese Ohnmacht gestürtzet / gieng er heraus / griff Polyphilum an / und sprach: Mein Freund Polyphile! gebet eurer Forcht nicht so weit Raum / daß ihr euer selber dabey vergessen sollet. Die Sach ist nicht so gefährlich / als ihr meynet. So viel ich allen Umständen nach schliessen kan / will euch Macarie gern zugegen sehen / und hat keine andere Ursach ersinnen können: oder sie will eure Beständigkeit prüfen / und erfahren / ob ihr auch ihrer Bitte gehorsamet? Glaubet mir dißmal /und gebet euch zu frieden / ihr werdet frölicher wieder kommen / als ihr von hinnen reiset.

Etwas wurde wohl Polyphilus / durch diese Wort /getröstet: aber so nichtig sie waren / so wenig konte auch sein Hertz einige gewisse Freude darauf bauen. Doch was solt er machen / er muste dißmal die Gedult annehmen / ob sie gleich noch so bitter in ungewisser Hoffnung und zweiffelhaffter Forcht zu ertragen war. Die Mannigfaltigkeit der Gedancken / die sein Hertz und Glieder fast sehr ermüdet hatten / zwungen ihn endlich zur Ruhe. Aber wie solte der ruhen / der in der höchsten Unruh gefangen ligt? Die Augen nahmen zwar den Schlaf an / aber das Hertz erschreckte ein solch Bild / das den Augen nicht verdrüßlicher hätte vorkommen können. Dann er befand sich zu Pferd in einem Walde / allwo seine[661] Liebste Macarie neben ihm stund / auf einem Weg / voller Sträuch und Dornen /daraus sie nicht steigen konte / deßwegen Polyphilus dieselbe auf sein Roß heben / und heraus führen wolte: In dem kommt ein Greiff / mit aufgerissenem Schnabel / dieser fasset Macarien an / und begehrt sie fort zu führen. Polyphilus ergreifft sie / mit der lincken Hand / dann zu dieser Seite wolte sie zu Pferd sitzen: mit der Rechten greiffet er zu seinem Schwert /das er aber nicht blössen konte. Und weil er / in so grossem Schrecken / sein vergessend / die lincke Hand / von Macarien / an die Scheiden leget / damit es des Gewehrs mächtig werde / führet der Vogel Macarien davon. Polyphilus / mit entblöstem Degen / folget nach / fällt aber / durch die Gesträuch / in solche Verhindernus / daß er offtermals / mit dem Pferd /über sich stürtzte. Weil sich nun der Greiff / mit seinem Raub / zu mächtig von Polyphilo wegriß; verliert er / in dem geschwinden Flug / seine Krafft / und setzet sich / mit Macarien / nieder. Er erwählte einen solchen Sitz / da er meynte / vor dem Verfolger / sicher zu seyn / nemlich auf einen Felsen / da hinan der Fuß Polyphili nicht steigen kunte. Aber was solte wohl Polyphilum verhindern und aufhalten? Er ritte so lang um den Felsen herum / biß er endlich / von hinten zu /mehr einen Fall / da er sich herunter stürtzen / und sterben / als einen Weg / den Felsen zu ersteigen /und Macarien hinwieder zu gewinnen / ersahe. Ungeacht aber dessen / steiget er von seinem Pferd herab /den Felsen hinan / und erlanget seine verlangte Macarien mit grossem Glück / in dem er den Greiffen mit seinem Schwerdt erleget. Hierüber erwachte er.[662]

Jetzt einen Traum-Deuter her / der uns das Gesicht erkläre. Der Greiff bedeutet / in Warheit! nichts gutes / sonderlich weil / der gewohnten Art nach /seine Verrichtung im Raub bestunde. Polyphilus konte nicht ruhen / sondern ließ ihm alsobald sein Traum-Buch / ins Bett bringen / zu sehen / was ihm das Gesicht vortrüge? Dieses berichtete: Der Greiff bedeutet den Raub und gewaltthätige Abnahm / nach seiner Eigenschafft. So nun einem träumet von diesem Vogel / bedeutet es Verlust an dem / was man liebet.

Aber mir nicht / sagte Polyphilus darauf / dann ehe wolt ich mich selber dem Greiffen vorwerffen / und fressen lassen / ehe dann er meine Liebste verzehren solte. Es gedachte Polyphilus dem allen immer schärffer nach / hielt es doch vor Phantasey / weil er sich nichts solches zu beförchten glaubte; biß die Morgen-Röthe anbrach / da er fort reisen wolte / und zuvor den Brief seiner Macarien / nachmaln durchsahe. Da stosste ihn / die Erinnerung des Nacht-Bildes / ans Hertz / daß er in den Schrecken gerieth / es werbe ein anderer um Macarien: welche Angst / weil sie mit der Warheit je mehr und mehr verstärcket wurde / das Hertz Polyphili in solche Bestürtzung führete / daß er der Zeit kaum erwarten konte / die ihm seine Macarie zu sehen / und zu sprechen geben würde.

Viel Verhinderungen kamen / so hier / so dort /darzu / die sein Verlangen aufhielten / deren wir aber / damit wir nicht / gleiche Strafe / mit Polyphilo /leiden / jetzo verschweigen wollen / und bloß melden / was die erste Wort gewesen / damit Polyphilus sein Verlangen begrüsset. Die lauteten also: Was für[663] ein zweiffelhaffter Zustand hat euch troffen / mein Kind! und welche Verwirrung bestricket die Zufriedenheit unserer Liebe? Saget mir / mein Kind! welcher Schmertzen drucket euch / und was für ein Ubel hält eure Freuden / mit Verdrüßlichkeit / gefangen? Was das auch ist / so versichert euch / da ich eure Freuden / mit meinem Tod / lösen kan / will ich denselben nicht scheuen: Ich bin bereit alles zu ertragen /dafern ich nur das nicht ertragen muß / daß ein anderer meine Liebste vertrage. Wolt ihr dann / fieng die bekümmerte Macarie an / mir auch diß nicht zu Willen thun? so wollet ihr nicht alles thun? Ja / versetzte Polyphilus / alles: nur das nicht. Wie aber / sagte Macarie / wann ich gezwungen werde / euch zu verlassen / und mich einem andern zu trauen: So wird / antwortete Polyphilus / meine Seele gezwungen / diesen Leib zu verlassen / und denselben binwiederum der Erden zu geben: darauf Macarie so fort fuhr: Das ists / mein liebster Polyphile! daß mich in einen zweiffelhafften Zustand gesetzt / und mit solcher Verwirrung gefangen hält. Erschrecket nit / Polyphile! über die traurige Post: sondern lasset euch euren bessern Verstand und Tugend hierinn führen / und den Weg weisen / da ihr Gedult / nicht Verzweifflung /finden möget. Ihr sollet euch versichern / daß ich euch die Zeit meines Lebens lieben werde / ja! mehr lieben / dann diesen / dem ich mich trauen soll / welchen ich zu lieben / in Warheit! vor unmüglich halte. Darum ihr euch eher zu frieden geben / und meine Liebe in eurer Wolfahrt / lieben werdet. Das hoffe ich aber / ihr werdet keinen Haß gegen mir fassen / wann ich / euch zu verlassen / gezwungen bin; auch nicht gegen dem / der mich euch entnommen[664] / dann sonsten wolt ich lieber alle Liebe meiden. Polyphile! mein Kind! was seufftzet ihr / betrüben euch meine Wort so hoch? Ach! das hab ich wol gedacht / daß es geschehen werde! Diese Furcht hat mein Hertz mehr / als alle andere / geschrecket. Warum hab ich die unseelige Zeit erlebet / die mich so mit euch reden heisset. Ach! wär ich doch nie an den Ort kommen / da ich euch wieder aufgenommen / und zu meinen Liebsten erwählet! Polyphile! vergesset doch meiner / und gedencket / daß ihr an einem bereichtern und vollkommenern Ort eure Tugend könnet belohnet haben. Vergesset mein / Polyphile! ich bitte euch / vergesset mein. Und mit diesen Worten / fiel sie ihm / um den Halß / und hertzte ihn. Darauf Polyphilus erwähnte: Ach! was soll mir das? will sie meine Angst / durch ihre Hertz-zwingende Lieblichkeit / noch mehr verstärcken? Ach! Ich Elender! Warum bin ich gebohren / daß ich verderbe! soll ich Macarien vergessen? vergessen? gantz vergessen? Wie ists müglich? Will mich Macarie dennoch lieben / ob sie sich einen an dern vertrauet? wie ists müglich? soll ich mich trösten / und nicht kümmern? Ach! Ach! wie ists müglich? O Elend! Ach ich Elender? was soll ich antworten / da ich nicht antworten kan? Macarie / mein Kind! verlässt sie mich / so bin ich ewig verlassen. Soll ich den Zucker-Mund / und die Honig-süsse Lefftzen einem andern überlassen? Ey so laß dich erst so lang küssen / biß mein Hertz / in voller Vergnügung / truncken wird. Soll ich die weisse Hände /eines andern Beschluß / übergeben? Ey so kommet zuvor / und bestreichet meine Wangen / daß sie sich nicht mehr nach euch sehnen. Soll ich den zarten Leib / die schöne Brüste / die[665] gläntzende Augen / den schlancken Halß / die erhabne Stirn / ja die gantze /so schöne / als liebe Macarien / in einen fremden Schoß / geben? Ey so besitze zuvor deine eigene Wohnung / und werde nicht so untren an dir selbst. Komm / mein Kind! ach komm! laß dich doch erbitten: Liebste / und Schönste! laß dich doch erbitten? Was hab ich gethan / daß du mich verstossen wilt? Ach! ihr Wellen / warum habt ihr mich wieder entdecket? Melopharmis / Melopharmis! warum hast du mir mein Leben / zur Verlängerung meiner Pein / erhalten? Ach Kind! Ach liebstes Kind! Ach schönstes Kind! sie wird sich ja mein erbarmen / und mich nicht so unschuldig sterben heissen. Ich weiß doch wohl /wann ihre Treue / die Beständigkeit / mit solcher Liebe / versiegelt / als meine Treue / die Liebe / mit Beständigkeit / so wird uns nichts trennen. Die gantze Zahl der Unsterblichen wird uns schützen.

Diese Wort / wie sie verworffen sind / also wurden sie auch von Polyphilo herfür gebracht / und mit unaufhörlichen Küssen und Drücken begleitet / die dann das Hertz der Macarien so bewegten / daß sie bey sich beschloß / Polyphilum zu lieben / und wann die gantze Welt ihr widerstrebte. Durch welche Wort / weil der Mund / den Schluß des Hertzens / öffnete / Polyphilus fast verneuert wurde / und eine andere Besinnung / in sich / herrschen ließ / die bedacht war / wie sie diesem Unheil listiglich vorkommen könte. Er konte aber nichts berathen / bevor er nicht wuste / wer der Greif wäre / so ihm seine Macarien geraubet: Vielleicht / sprach er / soll ich ihn / wie diesen erwürgen. Darzu er so fertig / als willig war.[666]

Das erste / das er fragte / war der Name / die Person / und der Stand dessen / davon wir / biß daher /vernommen: und da er / auf alles / guten Bericht erhalten / merckte er leicht / daß die Sache nicht rühmlicher noch mächtiger besieget werde / ohn allein /durch List und Gewalt. Evsephilistum / sprach er /will ich leicht überkommen / und so begegnen / daß er muß zu frieden seyn. Die verständige Macarie gab auch ihr Bedencken / und schlug etzliche Arten vor /wie er das Werck gewinnen könne. Allein dem Polyphilo wolten deren keine gefallen / weil sie / mit seinem Vorhaben / nicht einstimmeten. Endlich war das der geschlossne Rath / weil in dieser Bestürtzung /ihrer keins / seiner Vernunfft recht gebrauchen könte /sie wollen ihre Anschläge schrifftlich einander erklären / hoffende / es werde sich ein solch Mittel antreffen lassen / daß ihrer Freundschafft dienlich / des Evsephilisti Liebe aber verderblich sey. Deßwegen Polyphilus allen Fleiß versprach: ingleichen auch Macarie; und damit scheideten sie von einander.

Polyphilus / mit tausend Gedancken begleitet / reitet wieder auf Sophoxenien zu: Macarie / mit noch so viel Kümmernus / erfüllet / bleibet in ihrer betrübten Einsamkeit / und erwartet allda / ohne Erwarten / der allzufrühen Ankunfft / des verhassten Evsephilisti: welcher / so bald er vernommen / daß Polyphilus bey Macarien gewesen / sich wohl von einem Eyfer dörffte erzürnen lassen / der Macarien fragte / was er da gethan / und mit ihr geredt? Ja wohl gar; ob sie mit ihm in Verbündnus der ehelichen Lieb stehe? Ach! hätte Macarie diese Grobheit / mit einem lautern Ja /beantwortet / was wolte der Unverstand entgegen gesetzet haben? Aber die[667] Vorsichtigkeit / der viel-klügern Macarien / rieth ihr das Widerspiel. Gleichwol war Evsephilistus noch in dem zu loben / daß er bekandte / wann Macarie mit Polyphilo in genauer Freundschafft stünde / wolle er ihn nicht austretten. Freylich ja! wie der Fuchs die Birn / so er nicht haben kan / vor bitter schätzt / und nicht verlanget zu verschlingen. Der gute Evsephilistus wuste wohl / daß ers nicht konte / darum muste er sich stellen / als wolt er nicht.

Das ist / in Warheit! Wunders werth / und eine Prob noch so grosser Einfalt / daß er den Widerwillen Macarien nicht merckte. Etwa hat er ihm eine Lieb von Macarien eingebildet / wie sich jener Frosch dem Elephanten gleichete. Oder es hat ihn der Wahn verführet / Macarie müsse sich seelig preisen / daß sie so einen vornehmen Liebhaber überkommen / da sie / so lang es währet / oder wolt ich sagen: Die Zeit ihres Lebens (denn so muß man reden / wann man freyen will) im hohen Glücks- und Ehren-Stand leben / und an allem volle Gnüge / ja! noch 14. Metzen drüber /haben könne. Dann so zeugen die Reden / die ihm auch nicht einmal einen Zweifel machten / an ihrer Gewogenheit. Dannenhero redete er schon / mit gar zu bunter Höflichkeit / von dem Braut-Bett / von der Hochzeit / und von weiß nicht was: daß Macarie ihre Augen niederschlug / und sich schämete / daß sie sonst in allen Zierlichkeiten / aber in der bunten Höflichkeit nicht erfahren wäre: Dann sonst ist kein Zweifel / sie würde die Vorschläge beantwortet haben.[668]

Quelle:
Maria Katharina Stockfleth: Die Kunst- und Tugend-gezierte Macarie, 2 Bände, Band 1, Nürnberg 1669, S. 656-669.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Fräulein Else

Fräulein Else

Die neunzehnjährige Else erfährt in den Ferien auf dem Rückweg vom Tennisplatz vom Konkurs ihres Vaters und wird von ihrer Mutter gebeten, eine große Summe Geld von einem Geschäftsfreund des Vaters zu leihen. Dieser verlangt als Gegenleistung Ungeheuerliches. Else treibt in einem inneren Monolog einer Verzweiflungstat entgegen.

54 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon