An meinen Freund, den edlen Ritter und Sänger, Friedrich Baron de la Motte Fouqué

Im November 1819.


Zum Götterberge wallen, die Thrän' im Blick,

Und Weihrauchsperlen zündend am Sühnaltar,

Zeus Zwillingstöchter: Reue, Bitte

Mählig entschwebt's, wenn auf Götterstirnen


Ein Wölkchen dämmernd weilte; willkommener

Empfang begrüßet tröstend die Sühnenden;

Am Fuß der Thronensitze deutet

Ihnen ein Wink den bestinmten Sessel –


Wir Erdensöhne, brechliches Machwerk, taub

Der innern Stimme, meidend das Bessere,

Uns links hin wendend, unser Pförtchen

Wollten wir schließen, wenn bittend anklopft
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Des Nachbars Reue? – Edler, Du zürnest nicht

Dem stummen Freund', und bietet mein Täubchen Dir

Dies Friedensölblatt, o ich schau, wie

Freundlich Du streichelst die Abgesandtinn!


Mir sandtest Gruß und Täflein, und sandtest Du

Des Feiersanges Adeler, dienstbar Dir

In hohen Lüften, treu wie Deinen

Rittern ihr Falk bei dem Federspiele.


Ich horchte hoch auf, ahnend den Fittigschlag

Des Wohlbekannten, schmeichelnd umkreis't er mich,

Die Flamm' im Auge, sie gefacht von

Dir, an dem heiligen Freundschaftsheerde.


Doch Deines Freundes Leyer und Griffel schwieg!

Verzeih's in Wehmuth! Weißest ja, welcher Gram

Mich abzehrt, kennst ja Sie, der Krankheits-

Bürde nicht dämpfet des Geistes Fackel.

Quelle:
Gesammelte Werke der Brüder Christian und Friedrich Leopold Grafen zu Stolberg, Band 2, Hamburg 1820, S. 344-345,347-348.
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