Grabschrift meiner Tauben, die ein Marder in der Nacht tödtete

1785.


Leicht sei euch die Erd', ihr Schlummernden! Ruhet und schwebt ein

Traum um das schattige Grab, sei es ein freundlicher Traum,

Der euch Küsse der Lieb' im Morgenstrahle des Lenzes

Bild', und die Kinder im Nest und das erwachende Ey,

Ach, und meine Hand, aus der ihr wählend die Gerste

Laset, indeß ich den Hals kos'te, den schimmernden Hals.

Blutig war der Mord, doch schreckenlos; denn des Todes

Bruder zuckte den Pfeil, schnell und erbarmend, der Schlaf.[429]

Glücklich seyd ihr Vögel der Unschuld! – Thränen der Sehnsucht

Weint mein Auge! – der Tod trennte die Liebenden nicht.

Einst umschwebt ihr vielleicht die himmlischen Lauben der Meinen,

Leset des strahlenden Halms Saat mir auch dann aus der Hand.[430]

Quelle:
Gesammelte Werke der Brüder Christian und Friedrich Leopold Grafen zu Stolberg, Band 2, Hamburg 1820.
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