76. Lied auf dem Wasser zu singen, für meine Agnes

[141] Juli 1782.


Mitten im Schimmer der spiegelnden Wellen

Gleitet wie Schwäne der wankende Kahn;

Ach, auf der Freude sanftschimmernden Wellen

Gleitet die Seele dahin wie der Kahn;

Denn von dem Himmel herab auf die Wellen

Tanzet das Abendrot rund um den Kahn.
[141]

Über den Wipfeln des westlichen Haines

Winket uns freundlich der rötliche Schein;

Unter den Zweigen des östlichen Haines

Säuselt der Kalmus im rötlichen Schein;

Freude des Himmels und Ruhe des Haines

Atmet die Seel' im errötenden Schein.


Ach es entschwindet mit tauigem Flügel

Mir auf den wiegenden Wellen die Zeit.

Morgen entschwinde mit schimmerndem Flügel

Wieder wie gestern uns heute die Zeit,

Bis ich auf höherem strahlenden Flügel

Selber entschwinde der wechselnden Zeit.


Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 50,2, Stuttgart [o.J.], S. 141-142.
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