2.

[129] Das aber kann ich nicht ertragen,

Daß so wie sonst die Sonne lacht;

Daß wie in deinen Lebenstagen

Die Uhren gehn, die Glocken schlagen,

Einförmig wechseln Tag und Nacht;


Daß, wenn des Tages Lichter schwanden,

Wie sonst der Abend uns vereint;

Und daß, wo sonst dein Stuhl gestanden,

Schon andre ihre Plätze fanden,

Und nichts dich zu vermissen scheint;


Indessen von den Gitterstäben

Die Mondesstreifen schmal und karg

In deine Gruft hinunterweben

Und mit gespenstig trübem Leben

Hinwandeln über deinen Sarg.

Quelle:
Theodor Storm: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 1, Berlin und Weimar 41978, S. 129-130.
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