247.

[451] Auch die Juden wurden vielfach als Teufelsverbündete angesehen; als Gegner Christi hatten sie die Pflicht, den Christen möglichst viel Schaden zuzufügen. Wenn Juden einem Christen etwas zu genießen vorsetzen, müssen sie zuvor hineinspucken (Wildeshausen). Juden müssen zuweilen Christenblut trinken, sonst stinken sie so, daß kein Mensch es bei ihnen aushalten kann (Wiefelstede). Juden müssen sich in Christenblut waschen (Vechta). Einigen Juden legte man Schweinsohren bei. – Wenn ein Jude stirbt, wird er bei der Beerdigung mit dem Gesicht gegen den Erdboden durch alle Räume des Hauses getragen und dabei fortwährend gegeißelt, wobei gesprochen[451] wird: »Guck hier hin, guck da hin, guck nimmer nicht wieder!« Beim Tragen durch die Räume dürfen aber nicht die Türen benutzt werden, sondern es müssen Löcher sein, die zuvor in die Wände geschlagen sind. Sollte auf dem Wege zum Begräbnisplatze es sich ereignen, daß ein Schwein vor dem Leichenzuge über den Weg läuft, so wird die Leiche einstweilen wieder nach Haus gebracht (Wildeshausen, Varel). – Der ewige Jude wandert noch zur Stunde in den Fluren. Als Jesus zur Richtstätte ging, und sein schweres Kreuz selbst tragen mußte, wollte er vor einem Haus ein wenig rasten, aber der unbarmherzige Eigentümer trieb ihn fort; da sprach Jesus: »Ich will stehen, du aber sollst gehen.« Seitdem ist der Hauseigener verwünscht, muß ewig wandern und kann nicht sterben (Jade). Einer von der Osternburg erzählte: In Jerusalem wohnte ein Handwerker, ich meine einen Schuster, der seinen Verdruß darüber hatte, daß Christus, wie er es ansah, so müßig gehe. Darum redete er Christus an und sagte: »Statt fleißig bei der Arbeit zu sein, treibst du dich den ganzen Tag in den Straßen herum und tust nichts als spazieren gehn; und nicht genug, daß du selbst herumwanderst, ziehst du auch noch eine Menge Männer dir nach, die früher fleißig arbeiteten. Schäme dich, daß du ein solcher Herumstreicher geworden bist.« Zur Strafe für diese Rede muß nun der Jude selbst ewig wandern und er wandert noch, und ich kenne Leute, die ihn gesehen haben. Diese Erzählung steht wohl vereinzelt da, die Jader ist die landläufige.

An einem trüben Herbsttage fand ein Kolon in Westerhausen bei Neuenkirchen auf dem Esche unter zwei auf einem Stücke Land aufgestellten Eggen einen älteren, hageren Mann mit langen Haaren, weißem Bart und weitem langem Gewande bekleidet. Auf alle an ihn gerichtete Fragen gab er keine Antwort. Endlich nach längerer Pause erhob er sich und wanderte weiter, indem er für sich hinsprach:


»Gönnt mir Armen Rast und Ruhe,

Der ich meinem Gott einst versagte die Ruhe.«


Es geht nämlich die Sage, daß der ewig wandernde Jude nur da auf seiner Wanderschaft rasten darf, wo auf dem Acker zwei Eggen, deren Zinken nach innen gekehrt sind, aufrecht an einander gelehnt stehen. Sah man also im Frühjahr oder im Herbst auf einem Acker zwei Eggen an einander gelehnt stehen, so sagten die Vorübergehenden, der ewige Jude ruhe darunter.[452] (Münsterland, Amt Wildeshausen.) Zur Zeit ist das Aufstellen der Eggen auf dem Lande nicht mehr gebräuchlich.

Von einem Selbstmörder, der aus Furcht vor Strafe Selbstmord begangen hat, sagt man, er habe im Grabe keine Ruhe, müsse immer wandern, finde nirgends eine Ruhestätte. Nur wenn er mit dem ewigen Juden zusammenträfe, dürfe er mit diesem unter zwei auf dem Felde zusammengestellten Eggen zeitweilig der Ruhe pflegen (Großenkneten). – In Cloppenburg bestand zu Ende des 18. Jahrhunderts die Unsitte, daß am Grünendonnerstagabende die Häuser der Juden, insbesondere deren Haustüren, von Leuten, die an diesem Tage zur Kapelle in Bethen wallfahrteten, um dort ihre Andacht zu verrichten, mit Kieselsteinen beworfen wurden. Daß die Leute in Verbindung mit einem Betgange die Exzesse begingen, mußte doch daher rühren, daß sie das Steinwerfen als ein gottgefälliges Werk ansahen. Die Angegriffenen beklagten sich beim Pastor und dem ersten Beamten des Amtes, worauf der Betgang nach Bethen verboten, die dortige Kapelle geschlossen gehalten wurde, dessen ungeachtet dauerten die Exzesse noch einige Jahre fort. Die Angelegenheit beschäftigte die Behörden nach Ausweis der Akten von 1797-1802. Im letzten Jahre war der Unfug noch nicht beseitigt. (Willoh, Gesch. der kath. Pfarreien, IV, 292 ff.)

Quelle:
Ludwig Strackerjan: Aberglaube und Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg 1–2, Band 1, Oldenburg 21909, S. CDLI451-CDLIII453.
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