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[491] Graf Otto von Oldenburg war ein eifriger Jäger. Als er einst mit seinen Dienern im Barnefürsholze jagte, führte ihn die hitzige Verfolgung eines Rehes weg von den Dienern in die Osenberge. Erschöpft von der Hitze und dem eiligen Ritte hielt er mit seinem weißen Pferde auf dem Osenberge und sah sich nach seinen Hunden um. »Ach Gott, wer nun einen kühlenden Trunk hätte!« rief er aus. Da tat sich der[491] Osenberg auf, und heraus trat eine schöne Jungfrau, wohl geschmückt, mit köstlichen Kleidern angetan, die schönen Haare über die Achseln geteilt und oben mit einem Kranze bedeckt, und bot dem Grafen ein silbernes, reich und künstlich verziertes Trinkhorn: der Graf wolle daraus trinken, sich zu erquicken. Als der Graf das Trinkhorn genommen und den Trank betrachtet, gefiel ihm derselbe nicht, und er weigerte der Jungfrau, ihn zu trinken. Die Jungfrau aber erwiderte: »Mein lieber Graf, trinket nur auf meinen Glauben, und es wird euch nicht gereuen. Trinket ihr aus diesem Horn, so wird es euch und eurem ganzen Geschlecht wohlgehn, und das Land wird gedeihen und blühen. Glaubet ihr mir aber nicht und trinket nicht daraus, so wird euer Geschlecht durch Streit und Uneinigkeit zerfallen.« Der Graf gab auf solche Rede keine Acht, und da er sich nicht entschließen können zu trinken, schwang er das Horn hinter sich und goß es aus, wobei einige Tropfen auf des Pferdes Rücken fielen, dessen Haare sie sogleich verbrannten. Als die Jungfrau dies gesehen, begehrte sie ihr Horn zurück, aber der Graf gab seinem Pferde die Sporen und eilte fort. Ein Blick, den er hinter sich warf, zeigte ihm, wie die Jungfrau durch eine Kluft wieder in den Berg hinein ging. Das Horn nahm er mit sich nach Oldenburg, wo es lange aufbewahrt wurde, bis es nach Anton Günthers, des letzten Grafen, Tode nach Kopenhagen kam. (Nach Hamelmanns Oldenb. Chronik. Der Berg oder eigentlich die Sanddüne, welche die Umwohner als den Berg bezeichnen, aus welchem die Jungfrau gekommen, liegt in den Alt-Osenbergen, 3/10 Meilen südöstlich vom Sandkruge, südlich vom öffentlichen Wege nach Sandhatten. Südlich vom Osenberge liegt der Kistenberg, in welchem eine Kiste mit Gold und anderen Schätzen verborgen liegt. – Als Graf Anton Günther sich einst mit seinem Geschichtschreiber Winkelmann über das Wunderhorn unterhielt, äußerte er mit Beziehung auf den von der Jungfrau dargereichten Trank: »Ich wollte, daß er nicht wäre verschüttet worden« – (Winkelmann, Wunderhorn, S. 10) – ein Wunsch, der ihm nahe genug liegen mochte. Eine Erzählung, welche die obige Sage als bekannt voraussetzt, lautet:

Quelle:
Ludwig Strackerjan: Aberglaube und Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg 1–2, Band 1, Oldenburg 21909, S. CDXCI491-CDXCII492.
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