k.

[158] Vor 20 Jahren stand ich als Lehrer in A. Eines Nachts hatte ich einen Traum; danach befand ich mich in der Schule und unterrichtete. Plötzlich wird an die Türe geklopft und auf das Herein erscheint ein stattlicher Herr im tadellosen Reiseanzuge, stellt sich als Landsmann vor und fängt an, von der Heimat allerlei interessantes zu erzählen. Mitten in seinen Schilderungen wache ich auf und bin überrascht, daß alles nur ein Traum gewesen ist. Einige Stunden später stehe ich in der Schule inmitten der Kinder. Auf einmal machen mich diese darauf aufmerksam, daß geklopft sei, ich gehe hinaus und stehe einem mir unbekannten Herrn aber demselben gegenüber, mit dem ich mich im Traume lebhaft unterhalten hatte. Mein Erstaunen wuchs, als derselbe mir die Hand zum Gruße bot und mich Nachbar nannte. Ich erfuhr dann, daß er aus meinem Heimatsdorf stammte, kurz nach 1870, als ich erst einige Jahre zählte, bereits die Heimat verlassen und in Metz eine einträgliche Stellung beim Hauptzollamte gefunden habe. Da er in all den Jahren die Heimat nicht gesehen, habe ihn eine unwiederstehliche Macht dahin gezogen, und so sei er denn jetzt dahin aufgebrochen und habe bei dieser Gelegenheit von mir und meiner Anstellung in A. erfahren. Da sein Rückweg ihn über A. führte, habe er mir seinen Besuch abstatten wollen. – Wie kam ich nun zu dem Traum? Ich wußte kaum etwas von der Existenz meines Besuchers, der schon, als ich noch Kind war, unser Dorf verlassen hatte. Seine Reise in die Heimat war mir vollständig unbekannt geblieben. Ich weiß auch nicht, daß ich vor meinem Traum an ähnliches gedacht hatte. Freilich[158] war ich zu der Zeit sehr nervös, was die Sache einigermaßen erklärlich machen dürfte. (1907 berichtet).

Quelle:
Ludwig Strackerjan: Aberglaube und Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg 1–2, Band 1, Oldenburg 21909, S. CLVIII158-CLIX159.
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