o.

[433] Ein Auswärtiger entschloß sich, durch das Vermögen angelockt, eine Hauwiekerin, die Erbin eines bedeutenden Hofes, zu heiraten. Aber er hatte seine Not mit der dummen Frau, die kein ordentliches Essen bereiten, nicht einmal einen Topf voll Kohl kochen konnte. Als er eines Sonntags zur Kirche wollte, wies er seine Frau an, wie sie es machen müsse, um einen guten Topf Kohl zu kochen, und gab ihr auch ein Stück Butter, um den Kohl damit zu schmieren. Als er aber mittags nach Hause kam, war dennoch der Kohl ungenießbar, angebrannt und ohne Fett und Würze. »Aber Frau«, fragte er, »wo hast[433] du denn die Butter gelassen?« »Ja, lieber Mann«, antwortete sie, »damit ist mirs erst schlecht gegangen, aber zuletzt ists doch noch gut abgelaufen. Mit der Butter schmierte ich den Kohl, der da draußen steht; aber kaum hatte ich mich weggewandt, da kam unseres Nachbars Hund und leckte die Butter ab. Ich nicht faul, ging hinter den Hund her, fing ihn richtig und nahm ihn mit in den Keller und band ihn an den Hahn des einen Bierfasses. Leider riß er sich wieder los und nahm den Hahn mit, so daß das Bier in den Keller lief. Aber ehe das Faß halb leer gelaufen war, hatte ich schon den Hahn aus dem anderen Fasse genommen und in das erste gesteckt. Das zweite Faß ist denn freilich ganz leer gelaufen. Indessen ist es im Keller nicht mehr so gar naß, denn ich habe die beiden Säcke Mehl, die wir morgen verbacken wollten, hineingestreut« Das war dem Manne zu viel. In Verzweiflung lief er fort, um in seine Heimat zurückzureisen. Als er aber unterwegs an ein altes Haus kam, auf dessen Dache Gras wuchs, sah er, wie mehrere Leute eine Kuh in die Höhe hoben und sich nicht genug darüber wundern konnten, warum das zitternde Tier das Gras nicht fressen wolle. Da dachte er: »Schlimmer ists mit deiner Frau auch nicht, und von Herzen ist sie doch gut« und kehrte zu ihr zurück. – Einer aus Wilsen hatte in der benachbarten Stadt Torf abgeliefert und traf seinen Kunden beim Essen. Er sah, daß dieser die Stücke Fleisch, die er zum Munde führen wollte, in eine winzige graue Masse, die auf dem Rande des Tellers lag, tunkte und dann mit Behagen verzehrte. Immer so 'n Bischen, dachte der Bauer, das muß eine überaus leckere und teure Speise sein. Zuletzt war sein Begehren aufs höchste gestiegen. Er platzte heraus: »Sall ick jo eis wat seggen. Wenn ick van dat, wat dor upp 'n Teller ligt, mi eis mal satt äten kann, dann söllt ji dat Föhr Torf umsüss hebben.« Der Vorschlag ward angenommen und ein Topf mit Senf (dies war die graue Masse) auf den Tisch gestellt. Der Bauer fuhr sofort mit einem Eßlöffel in den Brei hinein und mit dem Eßlöffel zum Munde. Herje, was machte der Wilsener für ein Gesicht. Er fiel rücklings vom Stuhle und schrie Hülfe über Hülfe. Der Appetit nach Mustert war plötzlich verschwunden und hat sich nachher nie wieder eingestellt.

Quelle:
Ludwig Strackerjan: Aberglaube und Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg 1–2, Band 2, Oldenburg 21909, S. 433-434.
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