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[435] Im Kirchspiel Goldenstedt, da wo jetzt das herrschaftliche Holz Holthusen liegt, stand früher ein Dorf mit Namen Holtwede oder Holwedehusen (der Name spricht für die alte Tradition oder Sage). Die Einwohner von Holtwede hatten einst viele Mäuse und litten durch dieselben großen Schaden. Da kam ein Fremder des Weges, und als der die Einwohner über die Not mit den Mäusen klagen hörte und daß sie nicht dagegen anfangen könnten, sagte er, er wolle ihnen ein Tier verkaufen, welches die Mäuse wegfange. Des waren die Holtweder sehr froh und versprachen ihm einen hohen Kaufpreis. Andern Tages kam der Fremde wieder und hatte eine Katze mitgebracht. Nun liefen alle herzu und besahen sich das Tier, aber sie wußten noch nicht, was sie damit anzufangen hätten. Da sagte ihnen der Fremde, sie hätten nichts damit zu tun, denn die Katze fange die Mäuse von selbst weg. Sie bezahlten nun den Preis, und der Fremde ging mit seinem Gelde weg. Als er aber kaum fort war, fiel ihnen plötzlich ein, sie hätten vergessen zu fragen, womit sie das Tier füttern müßten. Es mußte also einer, der gut laufen konnte, rasch nachlaufen, und als dieser von weitem den Fremden sah, rief[435] er: »He! wat frett dat Ding?« Da antwortete der Mann: »Ji dummen Lü, dat frett all, wat de Lü frätet!« Der Bote hatte es aber verkehrt verstanden; er lief, was er laufen konnte, nach Hause und rief, was er rufen konnte: »Lüe frett et, alle Lüe frett et!« Da stürzten die Leute alle aus dem Hause, in welchem die Katze war, und einer hatte die Katze im Laufen auf den Schwanz getreten und die Katze ihn ins Bein gebissen, der schrie und rief doppelt, denn er glaubte, die Katze wolle schon mit ihm den Anfang machen. Eiligst wurde das Haus dicht zugemacht und das ganze Dorf aufgeboten, und alle stellten sich mit Forken, Flegeln und Knitteln um das Haus herum, aber hinein wagten sie sich nicht. Wie sie so alle in Bereitschaft standen, wurde die eine Tür aufgemacht, damit die Katze herauskomme und dann von ihnen erschlagen werde. Aber die Katze kam nicht. Da riefen sie: »Kumm man herut, kumm man herut!« Aber die Katze kam nicht. Nun wurde beratschlagt, was weiter zu machen sei, bis zuletzt einer den Rat gab, das Haus anzuzünden. Das fand Beifall, rasch wurde Feuer geholt und das Haus in Brand gesteckt. Alle standen um das Haus und warteten, ob das Tier auch wohl herauskomme. Zuletzt sprang die Katze oben aus dem Hause heraus. Da erhoben alle ein Geschrei und liefen aus dem Wege, denn jeder fürchtete, daß er zuerst aufgefressen werde. Als aber die Katze vorbei war, stürzten sie mit großem Lärm hinterher und verfolgten sie. Die Katze in ihrer Angst schlüpfte in das nächste Haus, aber schnell war auch dieses angezündet und so fort, bis das ganze Dorf in Asche lag. Nun war auch die Katze verschwunden, mochte sie nun im letzten Hause verbrannt oder in das Feld gelaufen sein. Da waren die Holtweder sehr froh, denn sie meinten, sie könnten sich doch lieber neue Häuser bauen, als sich allesamt von dem Tiere auffressen lassen.

Quelle:
Ludwig Strackerjan: Aberglaube und Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg 1–2, Band 2, Oldenburg 21909, S. 435-436.
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