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[196] Die Sitte, die Braut in ihrer neuen Wohnung mit einem Glase Wein oder Schnaps (im Ammerlande mit Brot und Salz) zu bewillkommnen und ihr den Schleif zu überreichen, sie dreimal um den Herd zu führen, herrscht fast überall im Lande. Im Saterlande gab man, wie erzählt wird, der Braut, nachdem sie den Schleif erhalten hatte, eine Messerspitze voll Kaminruß, routh, zu kosten, um sie auf die Bitterkeiten des Lebens vorzubereiten. Eine eigentümliche Sitte bestand früher im Saterlande darin, daß der Bräutigam in der Kirche von den Junggesellen geschlagen wurde. In Butjadingen trieb man dasselbe Spiel, nur schlug man hier auch die Braut und es beteiligten sich hier an dem Kampfe Männer und Weiber. (Schauenburg a.a.O. IV., S. 170.) Der Brauch muß ehedem weit verbreitet gewesen sein, denn auch Immermann schildert denselben in seinem Oberhof (II. Buch, 5. Kapitel). Immermann meint, der Bräutigam müsse fühlen, wie wehe Schläge tun, damit er sein hausherrliches Recht wider die Frau nicht mißbrauche. Immermann spricht von einem »uralten« Brauch des »Abklopfens«. – In der Gemeinde Barßel pflegen die Vollbauern (nicht die kleinen Leute), im Saterlande alle Brautleute, noch die alte Sitte, daß für Braut und Bräutigam eigends für den Hochzeitstag ein Hemd angefertigt wird, das bis zu den Füßen reicht, am Ehrentage aufgeschürzt getragen und am Abend des Hochzeitstages wieder ausgezogen und mit einem gewöhnlichen Hemde vertauscht wird. Am folgenden Tage faltet die junge Frau die Hochzeitshemden zusammen und legt sie weg. Erst nach dem Tode beim Auskleiden der Leiche kommt Hochzeitshemd wieder zur Verwendung.[196] In Stedingen bringt die Braut das Totenhemd als Aussteuer mit. Im nördlichen Oldenburg bestand früher der Brauch, daß der ganze Hochzeitsanzug mit ins Grab oder in den Sarg kam. Vereinzelt soll es auch jetzt noch vorkommen, daß der Mann mit Beinkleid und Rock in den Sarg gelegt wird, doch nur, wenn der Verstorbene einen dahingehenden Wunsch zu erkennen gegeben. – Die Trauzeugen werden im Münsterlande »Brögamsknechte« im nördlichen Oldenburg »Bistaners« genannt. Bei der Festtafel sitzen die Zeugen bei dem Brautpaare, um dieses zu bedienen.

Quelle:
Ludwig Strackerjan: Aberglaube und Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg 1–2, Band 2, Oldenburg 21909, S. 196-197.
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