305.

[62] Der Fastnachtsdienstag gehörte den Verheirateten. Schon zeitig sammelten sich einige derselben im Wirtshause. Diese mit den noch beinhaften, d.i. gehfähigen Jünglingen machten dann im Dorfe die Runde, um sämtliche Verheiratete zusammen zu bringen. Wollte einer nicht mit zum Wirtshause, so schlug man ihn mit einem an einen Stock gebundenen Aschbeutel so lange auf die beholzschuhten Füße, daß die Schuhe zersprangen. Half auch dies nicht, so gab es noch einen Ausweg: man legte den sich Sträubenden auf eine Leiter und trug ihn so im Triumphe zum Wirtshause. Namentlich geschah dies mit den im Laufe des Jahres neu Vermählten, denn der Dienstag in Fasten war der Hänseltag, an welchem jene förmlich in die Zunft der Ehemänner aufgenommen[62] wurden und dafür die Ehre hatten, die anderen zu bewirten. Mit diesem Hänseln und mit Schmausen verfloß der Tag. In Scharrel war es beim Hänseln üblich, die zu Hänselnden mit einer Handplacke, einem Brett mit einer Handhabe, vor den Hinteren zu schlagen. Auch befand sich dort, wie es heißt, früher ein Runenbouk. Es war so groß wie ein Meßbuch und hatte einen Pergamentumschlag. War ein junger Mann dreißig Jahr alt geworden, ohne verheiratet zu sein, so wurde ihm am Fastnachtsdienstag eine bestimmte Frist gestellt, in welcher er sich eine Lebensgefährtin wählen mußte, und bis dahin ward sein Name auf den Umschlag des Runenbuchs geschrieben. Verheiratete er sich in der festgesetzten Zeit, so wurde sein Name wieder gestrichen; verheiratete er sich nicht, so wurde der Name in das Buch selbst eingetragen. – In dem halbsaterschen, wenigstens friesischen Barßel war es bis in die letzte Zeit Sitte, daß bei dem Hänselschmause einer der ältesten anwesenden Ehemänner über die vor ihm sitzenden neu verheirateten Männer dreimal eine Schiffsflagge hin und her schwang und sie dabei namentlich ermahnte, ihren Weibern treu zu sein und sich mit keinen andern abzugeben. Die Sitte wird jetzt frivol behandelt. – In Ramsloh wurden bis zur französischen Zeit nach dem Hänseln die zwölf Börgemester gewählt.

Quelle:
Ludwig Strackerjan: Aberglaube und Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg 1–2, Band 2, Oldenburg 21909, S. 62-63.
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